Wenn der Gesprächsfaden reißt, driften Positionen auseinander, verhärten sich Fronten, entfremden sich Menschen. In der Flüchtlingsfrage sieht Malte Meesmann aktuell genau diese Entwicklung – und deshalb hat er mit seinem Lionsclub Würzburg de Leone ein Forum vorbereitet für eine offene, sachliche Diskussion. Es findet als „Bürgerforum für Menschen auf der Flucht“ am kommenden Sonntag von 11 bis 13 Uhr im jüdischen Zentrum Shalom Europa statt – mit hochrangigen Teilnehmern.
Kardiologe Meesmann, Chefarzt der Medizinischen Klinik am Juliusspital, beschäftigt sich seit Jahren mit den Themen Armut und Entwicklung. Die Flüchtlingsfrage, sagt er, fordere alle fundamental heraus. Viele Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht und Meesmann ist überzeugt: „Früher oder später wird uns dies wieder in größerem Ausmaß erreichen.“
Da ist es wichtig, das sich die Gesellschaft ihrer Aufgabe bewusst wird und darüber verständigt. Kritische Fragen, wünscht sich Meesmann, müssten dabei erlaubt sein. Zum Beispiel, was Armutsbekämpfung in den Fluchtländern angeht. Und natürlich die große Herausforderung der Integration und des Zusammenlebens der verschiedenen Kulturen: Wenn Menschen, die in diesem Zusammenhang Probleme ansprechen, leichtfertig in die „rechte Ecke“ gestellt werden, sei eine fruchtbare Auseinandersetzung kaum mehr möglich, so Meesmann. Bei der am Sonntag von Main-Post-Chefredakteur Michael Reinhard moderierten Runde soll es kein Korsett geben, soll offen diskutiert werden.
Im ersten Teil tragen sieben Gäste ihre Thesen zum Thema vor: Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, die evangelische Dekanin Edda Weise, Dompfarrer Jürgen Vorndran, Tropenmediziner August Stich vom Missionsärztlichen Institut, Würzburgs Sozialreferentin Hülya Düber, Professor Andreas Warnke, langjähriger Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Würzburger Uniklinik, und gleich zu Beginn Klaus Vogel (Berlin). Der Kapitän und promovierte Historiker steuerte bis vor eineinhalb Jahren noch Containerschiffe für die Reederei Hapag Lloyd über die Weltmeere.
Dann gründete er mit SOS Mediterranée eine Organisation zur zivilen Seenotrettung im Mittelmeer. Meesmann ist beeindruckt vom Engagement seines früheren Schulfreundes aus Heidelberger Jugendtagen. Über 1200 Menschen hat er im Mittelmeer mit seiner „Aquarius“ inzwischen vor dem Ertrinken gerettet. „Und dann sagen mir andere Freunde, durch seine Hilfe würde er nur Schleppern in die Hände spielen.“
Genug Gesprächsstoff also für ein Forum, das sich an alle Bürger richtet – mit und ohne Fluchterfahrung.
Die Teilnehmer am Podium:
August Stich: „Flüchtlinge sind nicht gefährlich, sie sind gefährdet. Sie haben ein Recht auf das höchst mögliche Maß an Gesundheitsversorgung. Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass wir in Deutschland ihren juristischen Status einer Person über dieses Recht setzen!“
Andreas Warnke: „Viele minderjährige Flüchtlinge, die unter den psychischen Folgen ihrer Flucht leiden, erhalten keinen Zugang zu angemessener Therapie. Probleme bereiten Unterschiede im Krankheitsverständnis, auch die sprachliche und kulturelle Verständigung.“
Hülya Düber: „Die ganz große Herausforderung für Würzburg ist der Wohnungsmarkt und die Arbeitsmarktintegration unserer Neubürger. Die Integration im weiteren Sinn rückt jetzt in den Vordergrund – aber sie braucht Zeit."
Klaus Vogel: „Menschen haben das Recht, vor menschenunwürdigen Verhältnissen zu flüchten. Wir haben die Pflicht, ihnen Schutz zu gewähren und ihre Fluchtgründe zu prüfen. Ohne sichere, legale Fluchtwege nach Europa wird das Sterben weitergehen.“
Josef Schuster: „Die Integration der zu uns gekommenen Menschen können wir nur gemeinsam bewältigen. Für die geflohenen Menschen bedeutet das aber auch, den Wertekodex unseres Landes zu verinnerlichen. Den Zuspruch der Rechtspopulisten betrachte ich mit Sorge.“
Jürgen Vorndran: „Die Frage der Bereitschaft zur Aufnahme von Fremden und Geflüchteten ist nicht zuletzt eine Frage des christlichen Selbstverständnisses: Gottesbegegnung in der Begegnung mit dem Fremden. Mutter Teresa hat diese Spiritualität vorgelebt.“
Edda Weise: „Es ist notwendig, auf die Verantwortung der Politik für die Wahrung der Menschenrechte, für einen barmherzigen und solidarischen Umgang mit Flüchtlingen in Europa hinzuweisen. Dabei müssen die Werte unserer offenen Gesellschaft von allen geachtet werden.“