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WÜRZBURG
Buchvorstellung: Ein weißer Fleck in der Wissenschaft
Kunsthistoriker Johannes Sander mit seinem Buch „Würzburg. Architektur seit 1918.“Foto: Theresa Müller
| Kunsthistoriker Johannes Sander mit seinem Buch „Würzburg. Architektur seit 1918.“Foto: Theresa Müller
Bearbeitet von Wolfgang Renninger
 |  aktualisiert: 26.06.2017 03:48 Uhr

Zur Vorstellung seines Buches „Würzburg. Architektur seit 1918“ hatte der Würzburger Kunsthistoriker Dr. Johannes Sander in den Toscanasaal der Residenz geladen. Trotz sommerlicher Temperaturen waren zahlreiche Architekturschaffende, Gäste aus dem wissenschaftlichen Umfeld des Autors und interessierte Laien der Einladung zum Vortrag im barocken Ambiente gefolgt. In seinem Vorwort bedankte sich Professor Dr. Eckhard Leuschner, Leiter des Instituts für Kunstgeschichte der Uni Würzburg, für die Arbeit seines Mitarbeiters, in der dieser „den Fokus auf eine in der öffentlichen Rezension wenig beachtete Epoche“ lege.

Entsetzen über moderne Gebäude

Das nicht seltene Unbehagen gegenüber moderner Architektur, das den Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich in seinem Essay „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“ schon zu der Frage veranlasste, ob nicht unsere modernen Städte bei näherer Betrachtung „depressiv“ machten, begegnete auch dem Kunsthistoriker Sander: Freunde und Verwandte, die den gebürtigen Westfalen in Würzburg besuchten, zeigten sich entsetzt beim Anblick moderner Gebäude, mit deren Hilfe teilweise Lücken im historischen Baubestand der Domstadt geschlossen wurden.

Als Beispiel nannte Sander etwa das Gebäude der Volksbank am unteren Markt. Erfahrungen wie diese in Kombination mit einem erwachenden Interesse an moderner Architektur brachten den Wissenschaftler vor vier Jahren schließlich dazu, sich „ohne Auftrag und akademischen Ehrgeiz“ im Rahmen des Buches mit dem Thema zu beschäftigen. „Es gibt wohl keinen Platz in Würzburg, den ich in dieser Zeit nicht mit meinem Fahrrad bereist hätte“, sagt Sander.

Im Buch spannt der 35-Jährige auf 280 Seiten einen Bogen von der Zwischenkriegszeit über den Nationalsozialismus bis hin zu Wiederaufbau, Moderne und schließlich Gegenwart. Innerhalb der Kapitel wird mit zahlreichen Beispielen aus den drei Bereichen Wohn- und Geschäftshäuser, Profanbauten und Kirchenarchitektur viel Wissens- und Sehenswertes über die Würzburger Architektur präsentiert sowie deren Beeinflussung durch gesellschaftliche, politische und geistige Faktoren erläutert. Das Buch richtet sich vornehmlich an ein wissenschaftliches Publikum, kann aber auch dem stadtgeschichtlich interessierten Laien zur Lektüre empfohlen werden.

„Anforderungen wandeln sich“

Für den Autor liegt der Schlüssel zur Akzeptanz moderner zeitgenössischer Architektur vor allem in der Berücksichtigung sich wandelnder Voraussetzungen und Anforderungen: „Baugeschichte kann nicht losgelöst von den gesellschaftlichen Umständen betrachtet werden.“ Geänderte Nutzung, Anforderungen des Denkmalschutzes sowie Vorgaben ökologisch-energetischer Art und nicht zuletzt die ästhetische Wahrnehmung unterlägen einem steten Wandel.

Keinen Gefallen tat sich Sander mit der Art der Präsentation seines Vortrags. Beim Zuhören fiel es schwer, der Sprechgeschwindigkeit des Wissenschaftlers zu folgen, ein Reflektieren des soeben Gehörten war kaum möglich. Auch er selbst musste seiner Geschwindigkeit Tribut zollen, versprach sich häufig und verwechselte Jahreszahlen und Namen. Den Bombenangriff auf Würzburg etwa datierte er in den „März 44“, das Wohnhaus des Würzburger Architekten Bruno Bruckner ordnete er einem Bruno Walter zu; vielleicht eine Verwechslung mit dem Dirigenten.

Abschließend bedankte sich der Verleger Dr. Albrecht Weiland für den „fulminanten“ Vortrag seines Autors. Beim Thema des Buches handele es sich auch in der Wissenschaft um einen weißen Fleck. Mit seinem Werk habe er die Würzburger Baugeschichte dieser Zeit innerhalb seiner Disziplin eingeordnet und den Blick auf die insgesamt oft vernachlässigte zeitgenössische Architektur gelenkt.

Johannes Sander: Würzburg, Architektur seit 1918. 280 Seiten, 191 S/W-Illustrationen. Verlag Schnell & Steiner, ISBN 978-3-7954-3232-4.

 
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