Spannung: André Mumot „Geisternächte“
Ein Kind wird ermordet, ein Mann brutal zusammen geschlagen. Die Gewalt überfällt uns bereits auf den ersten Seiten, sie kriecht bis ins Mark. Über beide Fälle spricht bald niemand mehr, nur die Hinterbliebenen verlangen Aufklärung. In einem Land, in dem Gewalt und soziale Verwahrlosung zum Alltag gehören, schreibt André Mumot dagegen an und verleiht so denen Gehör, die sonst keine Stimme haben. Eine spannende, literarische Mischung aus Friedrich Ani und Neil Gaiman – ebenso düster wie schmerzhaft.
André Mumot: „Geisternächte“. Eichborn, Hardcover, 414 Seiten, 22 Euro.
Sachbuch: Wolf Lotter „Innovation – Streitschrift für barrierefreies Denken“
Wir leben in Zeiten der Innovations-Inflation, das weiß insbesondere der Autor und „Brand Eins“ Mitbegründer Wolf Lotter. Was also bedeutet heute noch tatsächliche Veränderung, Erneuerung, was ist dafür nötig? Diese Kulturfrage leuchtet der Autor philosophisch und streitbar aus, er diskutiert mit uns Möglichkeiten, Notwendigkeiten und auch Grenzen. Für mich eines der wichtigsten Sachbücher unserer Zeit und ein ebenso fordernder wie motivierender Begleiter durch gesellschaftliche Herausforderungen.
Wolf Lotter: „Innovation – Streitschrift über barrierefreies Denken“. Körber Stiftung, Gebunden, 224 Seiten, 18 Euro.
Gegenwartsliteratur: Tara Westover „Befreit“
Tara wächst im US Bundesstaat Idaho auf einem Schrottplatz auf. Ihre Eltern sind Mormonen, sie verbieten den Kindern den Unterricht, Brutalität und Verwahrlosung gehören zum Alltag. Mit 17 Jahren kommt Tara zur Schule, sie erhält Zugang zu Wissen und Aufklärung und befreit sich darüber. Ihre Biografie lässt uns das Trump-Amerika klarer sehen und verdeutlicht, wie wichtig Bildung nicht nur für den/die Einzelnen ist, sondern welchen Wert das Verstehen dieser Welt für die komplette Gesellschaft hat.
Tara Westover: „Befreit“. Kiepenheuer & Witsch, Gebunden, 448 Seiten. 23 Euro.
Jugendbuch: Katja Klengel „Girlsplaining“
Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene – in ihrer Comickolumne „Girlsplaining“ erklärt Katja Klengel in Wort und Bild humorvoll und deutlich moderne Probleme von Frauen und jungen Mädchen im Lebensalltag. Weshalb ist z.B. die Vulva der Voldemort unter den Geschlechtsorganen? Wieso stehen so wenige Frauen in der Wikipedia oder spielen Hauptrollen im Film? Warum ist Menstruationsblut blau? Die Antwort auf alles: über Klischees aufklären und sie ändern – gemeinsam! Moderne Genderlektüre für alle.
Katja Klengel: „Girlsplaining“. Reproduckt, Hardcover, 160 Seiten, 18 Euro.
Politik: Oliver Guez „Das Verschwinden des Josef Mengele“
Nach Kriegsende verschwindet der „Todesengel von Auschwitz“ nach Südamerika – das Peron-Regime nimmt ihn auf und deutsche Verwandten helfen bei der Vertuschung. Der französische Journalist Guez geht dem NS-Arzt literarisch nach, interpretiert Lücken belletristisch, versucht sich geradezu ekelhaft spannend an der Aufarbeitung der folgenden Jahre. Wie denkt dieser Massenmörder, wie handelt er, wie fühlt er – fühlt er überhaupt? Mögen uns diese schriftliche Wiederauferstehung eine erneute Lehre sein.
Oliver Guez: Das Verschwindend des Josef Mengele“. Aufbau Verlag, Gebunden, 224 Seiten. 20 Euro.
Kinderbuch: Stefan Beuse & Sophie Greve „Die Ziege auf dem Mond“
Die Ziege lebt auf dem Mond, frisst gern Rucola und trägt Statement-Shirts. Sie nimmt jeden Tag, wie er kommt und freut sich über alles Positive. Bis auf einmal die Krater nach ihr rufen und sie locken – in ihnen lauern all die Ängste, Sorgen, negativen Erlebnisse der Vergangenheit. Wird sie genug Mut finden, um hinabzusteigen und all dem endlich zu begegnen? Die Ziege ist die moderne Version des kleinen Prinzen, eine bezaubernde Geschichte über Mut, Achtsamkeit und das Glück der kleinen Dinge!
Stefan Beuse & Sophie Greve „Die Ziege auf dem Mond“. Hanser Literaturverlage, Gebunden, 72 Seiten, 14 Seiten.