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Würzburg
Buchhandlungspreis für Würzburger Buchhandlung: Liebe Frau Pohl, wie begeistern Sie unsere Kinder fürs Lesen?
Ihre Buchhandlung "erLesen" in Grombühl wurde zum vierten Mal mit dem deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Warum sich Petra Pohl so stark für Leseförderung engagiert. 
Die Neugierde wecken und Kinder ohne Druck ans Lesen heranführen. Die Inhaberin der Buchhandlung erLesen Petra Pohl setzt sich für Leseförderung ein.
Foto: Heiko Becker | Die Neugierde wecken und Kinder ohne Druck ans Lesen heranführen. Die Inhaberin der Buchhandlung erLesen Petra Pohl setzt sich für Leseförderung ein.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 02.11.2023 02:49 Uhr

Die kleine gemütlich eingerichtete Buchhandlung in Grombühl lädt zum Schmökern ein. Viele Bücher, die Chefin Petra Pohl anbietet, hat sie selbst gelesen. Pohl ist ein Tausendsassa und Networkerin, außerdem sitzt sie für Die Linke im Würzburger Stadtrat. Neben Lesungen, Ausstellungen und Runden Tischen zu verschiedenen Themen engagiert sie sich stark in der Leseförderung. Sie geht mit ihrem selbst entwickelten Leseförderkonzept an Schulen, setzt sich für Kinder ein und kommuniziert mit Lehrern und Eltern. Mit Vorlesetagen in Kindergärten und Grundschulen nimmt sie an der deutschlandweiten Aktion „Ich schenk' Dir eine Geschichte“ teil. 

Zum vierten Mal mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet

Pohls Buchhandlung erLesen, die Anfang dieses Jahres 20-jähriges Bestehen feierte, wurde vor Kurzem zum insgesamt vierten Mal mit dem deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. Als eine von drei Buchhandlungen in Bayern ist sie ausgewählt worden. In Zeiten sinkender Buchverkäufe, hat sich Pohl das Ziel gesteckt, Menschen wieder mehr für Bücher zu interessieren. Das fange bei Kindern an. Im Interview haben wir mit der Buchhändlerin darüber gesprochen, wie wichtig Lesen für Kinder ist, wie man sie dafür begeistern kann, und wie Eltern den Druck beim täglichen Lesen herausnehmen können.   

Frage: Frau Pohl, seit wann engagieren Sie sich in der Leseförderung für Kinder und warum? 

Petra Pohl: Leseförderung mache ich seit zehn Jahren. Bei Vorlesetagen in meiner Buchhandlung wurde mir mehr und mehr bewusst, dass viele Kinder dem Inhalt der Bücher nicht folgen konnten. Dazu kam ein Schlüsselerlebnis mit einer siebten Klasse der Mittelschule. Die Kinder haben mich nach dem Lesen angeschwiegen. Ein paar Tage später flatterten Briefe herein, in denen sich Schüler und Schülerinnen bei mir bedankten, dass ich ihnen Fremdwörter erklärt hatte und, dass sie sich schämten, sich nicht gut ausdrücken zu können. Daraufhin habe ich einen gemeinnützigen Verein gegründet und erstmal mit der evangelischen Kinder- und  Jugendhilfe in kleinen Gruppen zusammengearbeitet, vor allem mit lernschwachen Kindern. Dann habe ich festgestellt: Ich möchte Leseförderung nicht für kleine Gruppen anbieten, sondern für ganze Klassen. 

Wie stelle ich mir Leseförderung vor? Sie kommen mit einem Koffer voller Bücher in die Klasse? 

Pohl: Nein, in der Regel komme ich mit einem Koffer voller Ideen in die Klasse und habe viele Spiele dabei. Ich liebe es mit den Kindern zu reden, sie zu öffnen und ein gutes Klassenklima zu schaffen. In erster Linie ist es wichtig, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und aufzuzeigen, was sie schon alles können. Ich möchte den Kindern Angst nehmen und Mut geben, es ist immer wieder unglaublich, wie viel Potenzial in ihnen steckt.     

Zum insgesamt vierten Mal wurde Petra Pohl mit ihrer Buchhandlung erLesen mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. 
Foto: Heiko Becker | Zum insgesamt vierten Mal wurde Petra Pohl mit ihrer Buchhandlung erLesen mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet. 
Selbstbewusstsein stärken ja, aber was genau hat das mit Lesenlernen zu tun?

Pohl: Je mehr Vertrauen die Kinder in sich selbst haben, umso offener sind sie für neue Inhalte. Ich beginne meistens mit Hilfe des Spiels Tabu oder des Dudens für die Grundschule spielerisch mit den Kindern an ihrem Wortschatz zu arbeiten und diesen zu erweitern. Das Lesen an sich kommt erst später, zunächst mal geht um das Entwickeln von Sozialkompetenz und auch darum, eine eigene Haltung zu einem Thema zu entwickeln. Da ist mein Leseförderkonzept ein wenig anders als das klassische, das mir etwas zu kurz gegriffen erscheint. Meine Meinung ist: Kinder können den Sinn eines Buches nur erfassen, wenn sie auch über den Inhalt nachdenken.   

Warum ist es so wichtig, dass Kinder schon früh ans Lesen herangeführt werden?

Pohl: Lesen bietet die Möglichkeit sich zurückzuziehen, in eine Geschichte einzutauchen und andere Gedankenwelten zu erfahren. Lesen macht uns offener und toleranter. Das Buch ist das einzige Medium, dass es schafft eine Fiktion aufzubauen und Lesen kann den Kindern Frieden und Ruhe verschaffen. Und natürlich brauchen es Kinder auch, um die Welt um sich herum besser zu verstehen, beispielsweise beim Lesen von Textaufgaben in Mathe, im Restaurant oder auf Plakaten im Bus. 

Warum tun sich viele Kinder schwer mit Lesen?

Pohl: Ich denke, es liegt daran, dass sowohl in der Schule als auch in den Familien zu wenig Zeit bleibt, um sich dem Lesen zu widmen. Die Schulen haben mannigfaltige Aufgaben mit einem voll bepackten Lehrplan. Und Eltern müssen oftmals den Spagat zwischen Arbeit und Kindererziehung hinbekommen. Lesen ist etwas Langsames und braucht definitiv Zeit. Ich habe selbst vier Kinder und kann nachvollziehen, wenn es Eltern nicht jeden Abend schaffen mit ihrem Kind noch lesen zu üben. Stress und Druck führen oftmals dazu, dass Lesen für die Kinder negativ behaftet ist. Das hat zufolge, dass Kinder keine Lust mehr haben zu lesen, dies also nur sehr widerwillig tun. Je mehr Druck aufgebaut wird, desto schwieriger ist es.  

Verstehe, aber wie kann man Lesen positiv besetzen? Haben Sie einen Tipp für Eltern? 

Pohl: Dem Kind Angebote machen, ihm oder ihr aber auch Freiheiten lassen. Mein Motto: Liebe rein, Druck raus. Schön ist es zum Beispiel einen besonderen Leseplatz einzurichten, einen Kuschelort, an dem sich das Kind wohlfühlt und mit einem Buch zurückziehen kann. Vielleicht mit etwas zu trinken oder zu essen, das es sonst nicht so häufig gibt. Wichtig finde ich, dem Kind den Mehrwert des Lesens zu erklären, nämlich dass Lesen ihm oder ihr ganz allein gehört und, dass man in einer Geschichte ganz verschwinden kann. Lesen ist Kino im Kopf und das kann so spannend sein! Über die Frage, ob das Kind schonmal in einer Geschichte ganz verschwunden ist, können Eltern auch herausfinden, was dem Nachwuchs gefällt. 

Sollten Eltern, auch wenn das Kind begonnen hat selbst zu lesen, denn noch weiter vorlesen?

Pohl: Durchaus, denn das Vorlesen von Mama oder Papa ist ein schöner Tagesabschluss. Dabei geht es nicht nur ums Lesen, sondern auch darum, ein Ritual zu schaffen, das Kindern Sicherheit gibt. Und nebenbei wird noch ein bisschen was an Wortschatz vermittelt.

Buchempfehlung 'Prinzessin Fibi' von Petra Pohl aus der Buchhandlung erLesen in Grombühl
Foto: Katja Glatzer | Buchempfehlung "Prinzessin Fibi" von Petra Pohl aus der Buchhandlung erLesen in Grombühl
Welche Bücher sollten Eltern für Erstleser beziehungsweise Kinder in der Grundschule kaufen oder ausleihen?

Pohl: Um einen Zugang zum Thema Lesen zu schaffen, ist eine interessen- und altersgerechte Literaturauswahl wichtig. Warum nicht gemeinsam mit dem Kind in der Bücherei oder in der Buchhandlung schmökern und sich auch Empfehlungen geben lassen? Das schafft den direkten Zugang zu Büchern.

Haben Sie drei schöne Buchempfehlungen?

Pohl: Na klar. Für Pferdenarren finde ich ganz toll "Kurt- wer möchte schon ein Einhorn sein?". Davon gibt es mehrere Bände, die lustig und spannend die Abenteuer von Kurt erzählen, der eigentlich kein Einhorn sein will. Für kleine Prinzessinnen oder Prinzen kann ich indes die Bände von "Prinzessin Fibi" ans Herz legen, wer Comics mag, für den oder diejenige könnte die Geschichte von "Gregs Tagebuch" - das die Sorgen und Abenteuer eines amerikanischen Jungen an der Highschool beschreibt - das Richtige sein. Auch wenn das schon älter ist - viele Kinder haben damit das Lesen erst richtig gelernt. 

 
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