zurück
Würzburg/Fährbrück
Brot oder Bienen? Was sich ändern muss, um unsere Ernährung zu sichern und das Artensterben zu stoppen
Warum billige Lebensmittel keine Lösung für das Armutsproblem sind, das soll eine Veranstaltung am 2. Februar bei Würzburg zeigen. Was das mit Bienen zu tun hat.
Getreideernte auf einem Acker bei Heidelberg: Maximale Produktivität und maximale Biodiversität - 'Das beißt sich. Das geht nicht zusammen', sagt Biodiversitätsforscher Jan Thiele vom Thünen-Institut.
Foto: Daniel Kubirski, picture alliance | Getreideernte auf einem Acker bei Heidelberg: Maximale Produktivität und maximale Biodiversität - "Das beißt sich. Das geht nicht zusammen", sagt Biodiversitätsforscher Jan Thiele vom Thünen-Institut.
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:45 Uhr

"Brot oder Bienen? Ernährung sichern. Artenvielfalt erhalten", heißt eine öffentliche Veranstaltung, zu der die Katholische Landvolkbewegung am 2. Februar nach Fährbrück im Landkreis Würzburg einlädt. Der Titel habe im Vorfeld für Wirbel gesorgt, sagt Wolfgang Meyer zu Brickwedde, Bildungsreferent der Diözese Würzburg. Dabei gehe es an dem Abend gerade nicht darum, die Landwirtschaft für das Artensterben verantwortlich zu machen.

Vielmehr soll der "Gesprächsabend", an dem Fachvorträge, eine Podiumsdiskussion und die Diskussion mit dem Publikum geplant sind, Verbraucherinnen und Verbraucher mit Landwirtinnen und Landwirten ins Gespräch bringen. Denn das Verständnis für die Landwirtschaft sei bei vielen verloren gegangen, die keinen direkten Kontakt mehr zur Landwirtschaft haben, sagt Meyer zu Brickwedde.

Was muss sich dringend ändern, um unsere Ernährung zu sichern und gleichzeitig das Artensterben zu stoppen? Antworten geben zwei der Referenten des Abends vorab im Interview: Jan Thiele, Wissenschaftler am Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig und Anja Eyrisch, Referentin für Agrar-, Verbraucherschutz und Ökologiefragen der Diözese Würzburg.

Frage: Der Titel der Veranstaltung lautet "Brot oder Bienen": Heißt das: Wenn wir uns dafür entscheiden, Getreide anzubauen, leben wir bald in einer Agrarwüste ohne Bienen?

Jan Thiele: Nein, Landwirtschaft und Artenvielfalt haben jahrhundertelang zusammen funktioniert. Die traditionelle Landwirtschaft hat einen Großteil der Biodiversität erst geschaffen. Die Naturlandschaft wäre heute nicht so artenreich, hätte es die Landwirtschaft nicht gegeben. Es gab immer schon Brot und Bienen.

Privatdozent Jan Thiele ist Wissenschaftler am Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig. Sein Spezialgebiet ist der Einfluss der Agrarlandschaft auf die Artenvielfalt.
Foto: Michael Welling | Privatdozent Jan Thiele ist Wissenschaftler am Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig. Sein Spezialgebiet ist der Einfluss der Agrarlandschaft auf die Artenvielfalt.
Im Jahr 2023 klingt das grundfalsch. Noch nie war der Verlust der Artenvielfalt, etwa bei Insekten und Vögeln, und der Verlust der Lebensräume für Tiere und Pflanzen, so hoch wie heute.

Thiele: Die moderne Landwirtschaft ist völlig anders als die traditionelle Landwirtschaft. Wir bearbeiten heute unsere Böden mechanischer als früher. Wir verwenden Dünger. Dadurch verschwinden Pflanzen, die unter nährstoffarmen Bedingungen vorkommen. Wir nutzen Pestizide, die direkt auf Pflanzen und Tiere wirken. Im Mittelalter hat die traditionelle Landwirtschaft Artenreichtum geschaffen. Damals hat man nicht so intensiv gewirtschaftet. Auf den Äckern wuchsen Wildkräuter. Es gab Grünland und aufgelichtete Wälder. Heute ist das anders. Seit den 1960er-Jahren erleben wir einen dramatischen Schwund an Pflanzen- und Tierarten.

Heißt das, wir müssten wieder zurück zu einer Landwirtschaft aus dem Mittelalter?

Thiele: Das ist utopisch. Damals in der "Dreifelderwirtschaft" lag ein Drittel der Felder brach. Das ist heute nicht mehr vorstellbar. Doch eines muss sich ändern: Im Landwirtschaftsgesetz von 1955, das noch heute gilt, steht als eines der Hauptziele die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität. Wir sind aber schon vor Jahrzehnten bei einem Maximum an Produktivität angekommen. Heute wollen wir maximale Produktivität und maximale Biodiversität. Das beißt sich! Das geht nicht zusammen.

Wie wollen Sie Landwirten vermitteln, dass sie sich künftig mit weniger Ertrag zufrieden geben sollen? In Zeiten steigender Energiekosten, billiger Konkurrenz aus dem Ausland und vielem mehr.

Thiele: Das geht nur über den Geldbeutel der Landwirte. 50 Prozent der Einkommen der landwirtschaftlichen Höfe sind Subventionen. Die Politik entscheidet, wofür es die Subventionen gibt. Etwa für die Produktion, für die Pflege der Landschaft, für die Förderung der Biodiversität. Neben der Produktion müsste man Landwirten heute viel mehr für Biodiversitätsleistungen bezahlen.

Frau Eyrisch, haben Verbraucherinnen und Verbraucher dann überhaupt einen Einfluss darauf, ob die Landwirtschaft in Unterfranken ökologischer wird?

Anja Eyrisch: Natürlich. Verbraucher können bio und regional einkaufen. Doch die Verantwortung liegt nicht allein beim Verbraucher. Das Landwirtschaftsgesetz ist nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Damals war es wichtig, dass es günstige Lebensmittel in hoher Verfügbarkeit gab. Es war wichtig, die Produktion immer weiter zu steigern. Das ist heute anders. Doch auch heute haben wir in unserer Gesellschaft Menschen, die darauf angewiesen sind, günstige Lebensmittel zu erwerben. Das hat sich in den letzten Monaten noch verschärft.

Agraringenieurin Anja Eyrisch ist Referentin für Agrar-, Verbraucherschutz- und Ökologiefragen bei der Diözese Würzburg. 
Foto: Diözese Würzburg/Ansbacher Medienwelt | Agraringenieurin Anja Eyrisch ist Referentin für Agrar-, Verbraucherschutz- und Ökologiefragen bei der Diözese Würzburg. 
Wie realistisch ist es also, dass Menschen, die an den hohen Energiekosten zu knabbern haben, künftig im Bioladen einkaufen statt bei Aldi und Lidl?

Eyrisch: Das ist genau das Dilemma. Jeder Landwirt möchte das Maximum an Tierwohl haben. Und bekommt oft keinen angemessenen Preis dafür. Jeder Verbraucher möchte das beste Lebensmittel kaufen. Und trotzdem soll es möglichst günstig sein. Wenn man aber bei Verbrauchern Verständnis für die Leistungen der Landwirtschaft weckt, werden sie eher bereit sein, mehr Geld für ihre Lebensmittel auszugeben. Für Menschen, die am Existenzminimum leben, müssen wir eine andere Lösung finden – etwa über die Sozialpolitik, über faire Löhne. In der Vergangenheit ist das Problem der Armut in unserer Gesellschaft immer auf die Landwirtschaft abgewälzt worden. Man hat gesagt: Lebensmittel müssen günstig sein. Davon müssen wir wegkommen!

Haben Sie einen Tipp, wie man günstig und trotzdem ökologisch einkaufen kann?

Eyrisch: Ja, indem man saisonale Lebensmittel direkt beim Produzenten, etwa bei Hofläden, einkauft. 

Wann und wo der Gesprächsabend stattfindet

Der Vortragsabend "Brot oder Bienen? Ernährung sichern. Artenvielfalt erhalten" mit Podiumsdiskussion findet am Donnerstag, 2. Februar, von 19.30 bis 22 Uhr im Eventcenter Hubertushof in Fährbrück bei Hausen im Landkreis Würzburg statt. Weitere Infos unter www.kljb-wuerzburg.de/brot-oder-bienen. Anmeldung erwünscht: Telefon (0931) 386-6 37 21.
akl
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Fährbrück
Schweinfurt
Karlstadt
Kitzingen
Haßfurt
Bad Königshofen
Bad Kissingen
Angelika Kleinhenz
Aldi Helmstadt
Artenschwund
Artenvielfalt
Existenzminimum
Getreide
Lidl
Pflanzenschutzmittel
Wolfgang Meyer
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • K. M.
    Es hört sich nach einer interessanten, fairen Veranstaltung an. Wir werden am 2 .2 ein bisschen früher Stallarbeit machen und so versuchen dabei zu sein!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. E.
    Wie weltfremd ist das denn?
    Die Landwirte würden am liebsten produzieren und ohne Subventionen auskommen!
    Unverständlich die Fasenel von Bio und Nähe zum Verbraucher!
    Einer hat es geschrieben: sie vergleichen zwei völlig unterschiedliche Bevölkerungsstände und eine Landwirtschaft die schon zig Ha aus der Produktion genommen hat! Wir sind doch schon lange nicht mehr in der Lage uns selbst zu versorgen!
    Wer den Bauernladen hat, ist doch gesegnet! Das sind vielleicht mal grad 2%der Bevölkerung! Und Bio ist von so schlechter Qualität in den Läden und alles Einzel in Plastik verpackt dass das der größte Witz ist!
    Die Landwirtschaft wird systematisch zu Grunde gerichtet von Theoretikern und Leuten die nie die Kartoffel gehackt haben oder gar nicht wissen, wie das Gemüse oder Getreide wächst, was Fruchtfolgen bedeutet und dass der Mensch Gerste nicht essen kann (außer trinken)!
    Theorie und Praxis liegen auseinander! Hier diskutieren die falschen Personen!
    HILFE!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. A.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. S.
    ...wir sind zu viele...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • D. E.
    Wenn ALLE so verschwenderisch mit (fossiler) Energie und Lebensmittel wie Deutschland umgehen, dann wirds tatsächlich eng.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. H.
    Wir nicht, aber zu maßlos: viel und billig muss es sein und - Achtung purer Sarkasmus - es muss ja auch was für die Tonne übrig bleiben. Aufwärmen und Reste verwerten tun und kann doch keiner (beinhaltet auch keine und keines😌) mehr...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • T. M.
    Deutsche Politiker möchten jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen bauen! Für noch mehr Menschen auf diesem Planeten. Es wird sehr Eng!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • D. E.
    Vielleicht klappt das ja besser als mit der BayernHeim in Bayern?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. E.
    Warum soll das nicht klappen? Bei 40-50% der avisierten 10.000 Wohnungen ist man doch schon!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • D. E.
    Auszug aus Bericht 2022 vom Bayerischen Rechnungshof:
    "Der Freistaat gründete 2018 die BayernHeim GmbH mit dem Ziel, dass diese 10.000 Mietwohnungen bis 2025 für untere und mittlere Einkommensgruppen vorrangig auf staatlichen Grundstücken neu schafft...Bis Ende 2030 rechnet die Bayern-Heim damit, dass insgesamt 3.017 der 10.000 Wohnungen (30,2%) fertiggestellt sein sollen

    https://www.orh.bayern.de/berichte/jahresberichte/aktuell/jahresbericht-2022/staatsministerium-fuer-wohnen-bau-und-verkehr/1315-tnr-59-bayernheim-gmbh.html

    Wenn das in dem Tempo weitergeht, dann dauert es für die 10.000 Wohnungen noch bis 2050?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. E.
    Das kenne ich auch, aber wenn Sie die Anzahl der Wohnungen zusammenzählen, die sich im Bau befinden und dafür die Genehmigungen laufen sind sie sogar bei fast 2/3/
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • D. E.
    Da passt aber was nicht zusammen. Die Bayern-Heim/Rechnungshof sagt selbst das insgesamt 3.017 der 10.000 Wohnungen (30,2%) fertiggestellt sein sollen.
    Sie erwähnen was von 2/3 in Bau und vermutlich die allermeisten in Plannung oder als Idee? Wie wird nach weiteren 7 Jahren (!!!) nur noch 1/3 von 10.000 fertiggestellten Wohnungen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. E.
    Sie haben auch recht, dass bis 2025 das Ziel nicht erreicht wir bei weitem nicht!
    Das muss attestiert werden! Bis 2030 könnte das möglich sein.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. B.
    1950 lebten 2,5 Milliarden Menschen auf diesem Planet, heute leben über 8 Mrd. Menschen. Stellt sich die Frage, wie viel Mensch verträgt die Erde!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • D. P.
    Deutlich mehr, die Ressourcen sind nicht das Problem.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. B.
    Also Sie haben wirklich überhaupt nichts verstanden, ich glaube Sie verspüren einen Zwang, jeden meiner Kommentare kommentieren zu müssen. Aber es wäre überaus hilfreich, wenn Sie sich in ein Thema einlesen, bevor Sie etwas zum Besten geben, sonst kommt genau das heraus.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • D. P.
    Das Narrativ der Überbevölkerung ist schon lange widerlegt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • U. S.
    @Albatros

    Wie viele von diesen über 8 Mrd ernähren WIR?

    Es geht um die Landwirtschaft bei uns! Dem Artikel nach bekommen die Bauern bereits die Hälfte ihres Einkommens aus Steuermittel (Zitat: 50 Prozent der Einkommen der landwirtschaftlichen Höfe sind Subventionen.). Was bekommen wir dafür? Lebensmittel, die voll sind mit Dünger, Insektenvernichter, Unkrautvernichter, Arzneimittel und und und...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • R. B.
    Sie haben offensichtlich nicht verstanden, dass dies ein globales Problem ist.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • H. E.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln (Wortwahl + Behauptungen ohne Beleg) auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten