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Würzburg
Böses Blut bei den Bauern
Maisfeld bei Hopferstadt.
Foto: Gerhard Meißner | Maisfeld bei Hopferstadt.
Tilmann Toepfer
Tilman Toepfer
 |  aktualisiert: 19.04.2016 03:32 Uhr

Den deutschen Bauern geht es nicht gut, sie klagen über Preisdumping im Handel. Nicht genug der schlechten Nachrichten: Nun will die Saatgut-Treuhandverwaltung GmbH (STV) viele Millionen Euro sogenannter Nachbaugebühren eintreiben.

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Der „Nachbau“ nahm gegen Ende des vergangenen Jahrtausends stark zu
Jahrhunderte galt das Landwirte-Privileg: Ein Bauer kauft Saatgut, bringt es auf den Feldern aus, und von der Ernte behält er einen Teil zurück, um wieder säen zu können. Der „Nachbau“ nahm gegen Ende des vergangenen Jahrtausends stark zu. Bei den Saatgutzüchtern, die in Deutschland nach eigenen Angaben rund eineinhalb Milliarden Euro jährlich umsetzen und rund 12 000 Menschen beschäftigen, kam weniger Geld an.

Die Politik reagierte. Seit 1996 gelten in der EU neue Regeln für den Sortenschutz. Beim Nachbau von Erntegut für Saatzwecke müssen Gebühren an den Züchter bezahlt werden. Deren Höhe ist vom Alter der Sorte abhängig und beträgt bei Getreide rund zehn Euro pro Hektar.


Die Saatgut-Treuhandverwaltung hat nur ein Problem: Sie kann Gebühren nur verlangen, wenn sie erfährt, ob und welche Sorten ein Bauer nachbaut. Einige Landwirte denken nämlich nicht daran, die geforderten Angaben zu machen. Bei Kartoffeln würden 80 Prozent des Nachbaus „schwarz“ betrieben, schätzt man beim Bundesverband deutscher Pflanzenzüchter BDP, bei Getreide sei es rund ein Drittel. Den Mitgliedsunternehmen entgingen so rund 13 Millionen pro Jahr.

Die Saatgut-Treuhand führt vermehrt Kontrollen auf den Höfen durch
Das Gezerre um Landwirte-Privileg und Züchterprivileg wird immer heftiger. Die Saatgut-Treuhand führt vermehrt Kontrollen auf den Höfen durch, bringt Rechtsanwälte in Stellung und klagte bereits gegen widerspenstige Bauern. Die „Interessengemeinschaft Nachbau“ hingegen kämpft seit 1998 dafür, dass Bauern Saatgut kostenlos wieder ausbringen dürfen.
Nun gibt es eine neue Stufe der Eskalation. Ermutigt durch eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes („Vogel-Urteil“) hat die Inkasso-Gesellschaft der Pflanzenzüchter mehr als 80 000 Bauern in Deutschland angeschrieben. Der Brief fordert dazu auf, Nachbau zu melden und die Gebühr bis 30. Juni zu zahlen. Andernfalls werde Schadensersatz geltend gemacht und der Staatsanwalt eingeschaltet. In der Geschäftsstelle des Bayerischen Bauernverbands (BBV) in Würzburg heißt es, der Mahnbrief habe „viel böses Blut“ verursacht.

Ein BBV-Funktionär, der anonym bleiben möchte, äußert Verständnis für renitente Bauern. Er werde oft gefragt, warum man an die STV zahlen solle, wo es doch bei einzelnen Getreidesorten seit Jahren kaum züchterische Erfolge gebe. Der Mann macht sich für den Nach- und Anbau traditioneller Getreidesorten stark und sagt, bei Emmer, Dinkel und Einkorn sei „ein gewisser Grundstock“ nur durch den Nachbau bei den Bauern erhalten geblieben.

Die Zucht einer neuen Weizensorte dauere „mindestens fünf bis zehn Jahre“
Andererseits, so der BBV-Experte, sei Pflanzenzucht für Ernährung und Gesundheit wichtig. Die Zucht einer neuen Weizensorte dauere „mindestens fünf bis zehn Jahre“ und könne Millionen kosten. Deshalb müssten Pflanzenzüchter genug Geld verdienen, um am Markt überleben zu können. Gerade die regionalen Betriebe sind wichtig, so der Experte. Deren Pflanzen würden auf Frankens Böden und unter dem Klima hier am besten gedeihen.

Eugen Köhler ist Referent beim BBV in Würzburg und im Brüsseler Büro des Verbands für die Sparte Pflanzenbau zuständig. Der BBV hat seine Mitglieder nicht dazu aufgefordert, Nachbau zu melden und zu bezahlen. Man habe den Mitgliedern lediglich die Rechtslage erläutert und sie „ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jeder Landwirt selbst entscheiden muss“.

Viele Bauern werden das Angebot nicht annehmen, ist Georg Janßen von der Interessengemeinschaft Nachbau überzeugt. Die Zahl der Zahlungsverweigerer sei trotz aller „Einschüchterungen“ stabil. Ein Schutz der geistigen Eigentumsrechte an Saatgut wird von den meisten Bäuerinnen und Bauern abgelehnt. In einer Umfrage der Zeitschrift „top agrar“ gaben fast drei Viertel der befragten Landwirte an, dass der Nachbau Sache der Bauern bleiben muss.
 
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