
Es war von Kulturfrevel die Rede, gar von Verrat: Beim Bockbierfest in Ochsenfurt 1977 erstmals auch Pils auszuschenken, das fanden die eingefleischten Fans völlig daneben. „Die Einstellung damals war: Wer keine Maß Bockbier im Krug verträgt, braucht erst gar nicht zu kommen“, erinnert sich Karl-Heinz Pritzl. Der heutige Kauzen-Chef war damals ein junger Bursche, der eine Maß locker abkonnte. Von daher hatte er insgeheim schon ein gewisses Verständnis für die Kritiker.
Wenn der 58-Jährige heute in seinem Büro sitzt und in den 1970er Alben blättert – alle gebunden, aber durchs viele Herumreichen teilweise beschädigt – fällt ihm eine Anekdote nach der anderen ein: Etwa die, wie er 1972 den Führerschein schon ein paar Monate vor dem 18. Geburtstag machen konnte. „Meinem Vater und mir gab damals einer aus dem Ochsenfurter Landratsamt den Tipp, dass wir auf den Antrag schreiben sollen, dass ich meinen Vater öfters fahren muss“.
Endlich Bewegungsfreiheit, endlich Auto fahren – das war damals das Größte überhaupt. „Meine Mutter hatte einen Ascona, ein tolles Auto. Sie brauchte es nur tagsüber, so konnte ich abends damit rumdüsen“. Heute kaum mehr vorstellbar: Die Promillegrenze von 0,8 wurde erst 1973 eingeführt, Tempo 100 auf Landstraßen sogar noch zwei Jahre später. „Es war eine viel freiere Zeit“, findet Pritzl, der viel auf den Dörfern unterwegs war. „Würzburg war für mich und meine Kumpels zu weit weg. Und nach Kitzingen haben wir uns wegen der Amis nicht getraut.“
Pritzl war in jungen Jahren ein leidenschaftlicher Kart-Fahrer und bewunderte schon von daher Formel-1-Fahrer wie Petro Rodriguez, Niki Lauda oder Ronnie Peterson. „Wir waren mit Zelten am Nürburgring, es war eine einzige Party. Die Autos kamen zwar nicht oft vorbei, weil damals ja noch die Nordschleife gefahren wurde. Aber wir haben jedes Auto, jede Sekunde genossen.“ Bei den Kartrennen, unter anderem in Gerolzhofen, war Pritzl flott unterwegs. „Aber mehr als der vierte Platz 1975 bei der AvD-Landesmeisterschaft, Klasse N, war nicht drin. Dafür hätte es mehr Sponsorgeld gebraucht. Ich war schon froh, dass mir mein Vater einen VW-Bus zur Verfügung gestellt hat.“ Das Kart auf dem Gepäckträger, alles Werkzeug im Auto, so war Pritzl mit seinem Mechaniker unterwegs.
Es ist wenig überraschend, dass ein junger Kerl, der schnelle Autos mag, sich auch für Skirennen interessierte. „Franz Klammer war damals mein Held. Ich habe ihn mehrfach live gesehen, unter anderem in Lech am Arlberg.“ Karl-Heinz Pritzl war seinerzeit selber flott auf den Brettern unterwegs, war Mitglied in der Skiabteilung des Würzburger Alpenvereins. Und 1976 hatte er schon sein erstes eigenes Auto – einen Opel Kadett Kombi mit 55 PS. „Ich habe ihn von der Brauerei übernommen. Er war neun Jahre alt, hatte 70 000 Kilometer drauf. Und das Beste war, dass man drin schlafen konnte.“ Der Kadett hat bei vielen Fahrten gute Dienste geleistet – nur das Getriebe hat irgendwann den Geist aufgegeben, musste ausgetauscht werden.
Sich Anfang der 1970er Jahre für Sport zu begeistern, war auch relativ leicht. „Olympia 1972 in München hat mich total fasziniert. Und es war ein unglaubliches Gefühl, als ich das erste mal in dem Stadion mit dem Zeltdach war. So wie jetzt, wenn einer zum ersten mal in die Allianz-Arena geht.“ Aus dieser Zeit stammt auch die Liebe zum FC Bayern. „Ich habe 1970 oder 71 als junger Kerl mal eine leere Ringbuchseite hingeschickt mit der Bitte, dass alle Spieler unterschreiben.“ Und siehe da - ein paar Tage später kam das Papier zurück, fein säuberlich mit den Autogrammen von Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller, „Bulle“ Roth, „Katsche“ Schwarzenbeck und all den anderen. „Und es war ein freundlicher Brief dabei mit dem Vorschlag, ich solle doch Mitglied werden. Damals hatte ich das Geld nicht, aber mittlerweile bin ich 20 Jahre beim FC Bayern“.
Fast wäre Pritzl den Bayern-Stars zeitweise deutlich näher gekommen – denn als er zur Bundeswehr musste, träumte er von den Gebirgsjägern. „Aber das ging nicht, weil ich Brillenträger war. Und im Nachhinein war Veitshöchheim ohnehin besser, weil die Gebirgsjäger viel härter rangenommen wurden.“ Fernmelder Pritzl brachte es zum Obergefreiten, „also echt keine große Karriere.“
Damals waren Pritzls „berufliche Wanderjahre“, die 1979 mit dem Eintritt in den familieneigenen Betrieb zu Ende gingen. Zwei Jahre bei Dr. Oetker in Nürnberg und Bielefeld, je ein ein halbes bei der Licher-Brauerei und der Welde-Brauerei in Schwetzingen. „Ich habe dort viel gelernt, und es hat auch viel Freude gemacht.“ Ab 1994 teilten sich Karl-Heinz und sein 2011 verstorbener Vater die Geschäftsführung, seit 1999 ist Pritzl allein für Brauerei und Mitarbeiter verantwortlich.
Wenn man so will, waren die Siebziger die prägenden Jahre im Leben des Kauzen-Chefs: Er sie hat als junger Bursche begonnen, begeisterte sich für Bee Gees und Countrymusik, hat das Leben in vollen Zügen genossen. Und zum Ende haben sich zwei Eckpfeiler ergeben, die bis heute Bestand haben: Seit 1978 ist Karl-Heinz mit Beate verheiratet, seit 1979 mit der Brauerei verbandelt. Und sogar Tochter Stefanie ist noch ein Kind der Siebziger!



