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Giebelstadt
BN und LPV streiten weiter um den Hamster
Warum sich Naturschützer und Landschaftspfleger über die Ortsumgehung Giebelstadt nicht einig werden können.
Ein kleines Tier mit großem Einfluss: Der Feldhamster hat rund um Giebelstadt einen seiner letzten Lebensräume.
Foto: Uwe Anspach, dpa | Ein kleines Tier mit großem Einfluss: Der Feldhamster hat rund um Giebelstadt einen seiner letzten Lebensräume.
Gerhard Meißner
 |  aktualisiert: 11.12.2019 21:36 Uhr

Während sich die Feldhamster rund um Giebelstadt zur Winterruhe tief in ihre Baue zurückgezogen haben, streiten sich Landschaftspflegeverband (LPV) und Bund Naturschutz (BN) um den Schutz des seltenen Nagers. Darf der LPV im Vorfeld kritischer Bauvorhaben seine fachliche Unterstützung anbieten? Oder verletzt er damit bereits seine Pflicht zur Neutralität? An dieser Frage und dem geplanten Bau der Giebelstadter Umgehungsstraße zerbrach kürzlich das Verhältnis zwischen LPV und BN. Und dieser Streit ist noch lange nicht beigelegt.

Vor 20 Jahren wurde der LPV als Kooperation zwischen Kommunen, Landwirtschaft und Naturschutzverbänden gegründet. Kurz vor Weihnachten erklärte der BN seinen Austritt. Auch der Vertreter des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), Martin Degenbeck, zog sich aus Protest aus dem Verband zurück. Der Grund: Die Giebelstadter Ortsumfahrung.

Für deren Bau ist ein modellhaftes Ausgleichsverfahren zum Schutz von Feldhamster und Wiesenweihe vorgesehen. Bis zu 20 Hektar Fläche, verteilt auf viele 36 Meter breite Streifen im gesamten südlichen Landkreis Würzburg, sollen auf Dauer nach den Bedürfnissen der seltenen Arten bewirtschaftet werden. Die Eigentümer der Flächen erhalten dafür einen finanziellen Ausgleich. Die Gemeinde Giebelstadt hatte den LPV gebeten, sowohl die Auswahl der Flächen zu unterstützen als auch die spätere Bewirtschaftung fachlich zu begleiten. Giebelstadts Bürgermeister Helmut Krämer begründet den Wunsch mit der Erfahrung des LPV beim Hamsterschutz und seiner Ortskenntnis.

"Selbst wenn die Ausgleichsmaßnahmen so toll sind, wie ich hoffe, gleicht man damit nur aus, was man dem Hamster wegnimmt."
Steffen Jodl, Bund Naturschutz

BN-Kreisgeschäftsführer Steffen Jodl hingegen beruft sich auf eine Grundsatzentscheidung des Dachverbands der Landschaftspflegeverbände, wonach der LPV sich neutral verhalten müsse und erst aktiv werden dürfe, wenn das Genehmigungsverfahren abgeschlossen ist. Auf dieser Basis habe der Verband in der Vergangenheit mehrfach Anträge von Kommunen abgelehnt. Stattdessen müsse ein unabhängiges Büro eingeschaltet werden, um die Ausgleichsflächen zu bewerten.

Auch der Giebelstadter Antrag war zuvor bereits abgelehnt worden. Im September 2018 jedoch beschloss der Vorstand des LPV in Abwesenheit von BN-Geschäftführer Jodl einstimmig, die fachliche Betreuung der Ausgleichsmaßnahme zu übernehmen. Im November wurde die Entscheidung von der Mehrheit der Mitgliederversammlung bekräftigt.

Der LPV und sein Vorsitzender, Landrat Eberhard Nuß, machten sich damit zum Steigbügelhalter kommunaler Entwicklungsinteressen zu Lasten des Naturschutzes und hätten damit die funktionierende Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft, Kommunen und Umweltverbänden aufgekündigt, kritisiert der zurückgetretene Vertreter des Vogelschutzbundes Martin Degenbeck - "das konnte und wollte ich nicht länger mitmachen". Eberhard Nuß und der Feldhamster-Experte des LPV, Roland Sauer, hingegen werfen dem BN mangelndes Demokratieverständnis vor, weil dieser die Mehrheitsentscheidung der LPV nicht akzeptieren wolle.

Degenbeck und Jodl kontern damit, dass der Antrag so lange zur Abstimmung gebracht worden sei, bis das aus Sicht des Landrats und der Gemeinde Giebelstadt passende Ergebnis herausgekommen ist. Auch das habe wenig mit Demokratieverständnis zu tun. Um die Erfahrungen des LPV beim Hamsterschutz in das Ausgleichsverfahren einzubringen, hatten sie einen Kompromiss angeboten, schreibt Martin Degenbeck in einer Stellungnahme. Danach hätte der Verband bei der Flächenbewertung nicht federführend tätig werden sollen, sondern nur beratend für ein unabhängiges Umweltbüro.

Frühzeitige Beteiligung nicht erforderlich

Aus Sicht des Staatlichen Bauamts hingegen ist eine frühzeitige Beteiligung des Landschaftspflegeverbands überhaupt nicht nötig, wie dem Protokoll der jüngsten Mitgliederversammlung zu entnehmen ist. Auf das anstehende Planfeststellungsverfahren, in dem die Umweltauflagen und Ausgleichsmaßnahmen noch einmal eingehend geprüft werden, habe dies keine Auswirkungen. Und die Vorprüfung der Flächen könne auch das Staatliche Bauamt übernehmen.

Also alles nur ein Streit um des Kaisers Bart? Nicht aus Sicht von Giebelstadts Bürgermeister Helmut Krämer. Der betont, dass ihm an einem frühzeitigen Beginn der Ausgleichsmaßnahmen gelegen sei. Der Feldhamster soll Gelegenheit haben, die Schutzstreifen anzunehmen, bevor die ersten Baufahrzeuge rollen. Und das könnte nach dem derzeitigen Stand bereits im Herbst 2021 der Fall sein.

Falscher Anschein erweckt

Und Steffen Jodl? Der stört sich daran, dass der Anschein erweckt werde, die Ausgleichsmaßnahmen seien ein Gewinn für den Feldhamster. "Selbst wenn die Ausgleichsmaßnahmen so toll sind, wie ich hoffe, gleicht man damit nur aus, was man dem Hamster wegnimmt", sagt Jodl. Auch eine frühzeitige Umsetzung dieser Ausgleichsmaßnahmen ist für Jodl kein Argument. Der LPV übernehme damit Verantwortung, bevor überhaupt klar ist, welche Anforderung das Planfeststellungsverfahren später einmal an den Hamsterschutz stellen wird.

Es bleibt also beim Zerwürfnis zwischen Bund Naturschutz und Landschaftspflegeverband. Eine derartige Missachtung könne grundlegender Positionen könne der BN nicht mittragen. Deshalb habe die Kreisgruppe mit Unterstützung des Landesverbands entschieden, aus dem LPV auszutreten. Im Planfeststellungsverfahren, das in diesem Jahr eingeleitet werden soll, hat der Bund Naturschutz erneut Gelegenheit, seine Bedenken vorzutragen.

 
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  • martin-neuner@outlook.de
    Mitglieder des LP’V sind vor allem die Kommunen und für diese sollen Dienstleistungen im Bereich Natur erbracht werden.
    Weggenommen werden dem schwachen Hamsterbesatz intensiv bewirtschaftete Ackerflächen und gegeben werden vorbildlich vorbereitete Flächen für den Aufbau einer Hamsterpopulation. Wenn der Eingriff in die Natur geplant wird muss beraten werden und nicht erst, wenn alles erledigt ist. Die Aufgabe des LPV ist auch die Beratung. Kritik und nicht Beratung ist anscheinend die Aufgabe des BUND.
    Beim Schutz von Natur und Tier darf nicht der Mensch vergessen werden.
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