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BALDERSHEIM
Biogas zum Mitnehmen
Ein Gewächshaus schützt die Anlage und wärmt den Inhalt, damit die Bakterien ihre Arbeit tun können.
Foto: HANNELORE GRIMM | Ein Gewächshaus schützt die Anlage und wärmt den Inhalt, damit die Bakterien ihre Arbeit tun können.
Hannelore Grimm
 |  aktualisiert: 26.07.2017 03:57 Uhr

In zwei Stunden eine Biogasanlage bauen? Was so unglaublich klingt, das bringt Katrin Pütz fertig. Die studierte Agrartechnikerin und gelernte Schreinerin baut in dieser Zeit mit acht Trainingsteilnehmern die Biogasanlage auf dem Gelände der Firma Rothschenk im Auber Stadtteil Baldersheim auf.

Die zierliche 36-Jährige, die kräftig mit anpackt, hat an der Universität Hohenheim eine Technik entwickelt, bei der vorwiegend Kuhdung als Energiequelle genutzt und das entstehende Gas in einem Rucksack transportiert wird.

Auf dem Baldersheimer Firmengelände ist Timo Lassak aus Berlin ebenso eifrig bei der Arbeit wie die Teilnehmer aus Ghana, Sierra Leone, Pakistan und Norwegen. Daneben werkelt einer aus der Schweiz als Vertreter für Benin und ein weiterer aus Italien für Peru. Sie sollen die Technik in den jeweiligen Ländern auf den Markt bringen. Dazu werden sie Franchisenehmer der von Katrin Pütz gegründeten Firma (B)energy. Sie stellt als Franchisegeber die Nutzung des von ihr entwickelten Geschäftskonzepts zur Verfügung und die Nehmer dürfen die Biogasanlagen im Namen der Firma aufbauen und betreiben.

Kuhdung wird eingefüllt

Los geht der Teil des praktischen Trainings mit dem Bau eines Treibhauses. Anschließend wird die Biogasanlage installiert. Dazu wird ein gasdichter Sack auf die Erde gelegt und an den Längsseiten mit Rohren versehen. In eines der Rohre wird mit Wasser versetzter Kuhdung eingefüllt. Während die Männer wegen des Geruchs die Nasen rümpfen, lacht Katrin Pütz nur darüber: „ I love it!“ (Ich liebe es) ruft sie lachend, als die stinkende Brühe ins Rohr gluckert. Nach zwei Stunden schweißtreibender Arbeit wird noch das Treibhaus, das wärmt und den Plastiksack schützt, darüber gestülpt. Fertig.

Die verdünnten tierischen Hinterlassenschaften werden über ein Rohr in den Sack eingefüllt.
Foto: Hannelore Grimm | Die verdünnten tierischen Hinterlassenschaften werden über ein Rohr in den Sack eingefüllt.

In den nächsten Tagen, in denen die Bakterien die Hinterlassenschaften der Kühe in Gas umwandeln, wird Katrin Pütz die Anlage mit weiterem Dung und mit Grasschnitt weiter „füttern.“ Wenn der Plastiksack voll mit Gas ist, wird er bis zur Verwendung gelagert.

Für Katrin Pütz bietet ihre Erfindung vor allem eine Erleichterung für Menschen in den ländlichen Gebieten in ärmeren Ländern. Dazu werden mit dem Einsatz des Gases die Umwelt und vor allem die Wälder geschont. „Wie muss ein Transportbehälter für Biogas aussehen?“ Mit dieser Frage befasste sich Katrin Pütz in der Forschungshalle in der Uni Hohenheim, bevor sie auf die Baldersheimer Firma Rothschenk stieß. Die Firma entwickelt und produziert seit 1996 Systeme zur Sicherung von Ladungen. Die so genannten Staupolstersäcke aus Polyethylen-Folie erwiesen sich als ausreichend gasdicht. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Säcke ein großes Volumen Gas fassen und dabei extrem leicht sind.

Biogas im Rucksack

Für den von Katrin Pütz erforderlichen Zweck wurden für die Herstellung mehrere Lagen Folie verwendet. Dazu wurden bessere Ventile eingebaut und ein Traggurt angebracht. Fertig war der Rucksack für Biogas. Der Rucksack wiegt vier Kilo und fasst einen Kubikmeter Biogas. Das entspricht, so Katrin Pütz, in etwa dem Tagesbedarf einer Familie. Die Menschen gehen zu einer zentralen Biogasanlage und zapfen dort ihre Energie. Zuhause wird der Rucksack vor der Hütte deponiert und das Gas nach Bedarf herausgedrückt. Damit können die Frauen ohne Holz und schädlichen Rauch kochen oder die Hütte beleuchten.

Die mobile Biogas-Technik, die in immer mehr Ländern zugänglich und bezahlbar wird, ermöglicht nach den Worten von Katrin Pütz immer mehr Menschen, sich selbst zu helfen. Ihre Arbeit wird weder von Hilfsorganisationen oder jemand anderem finanziert, noch ist sie zeitlich begrenzt. Außerdem ist es das Gegenteil von einem Hilfsprojekt, sondern es handelt sich dabei – und das ist ihr wichtig – um ein sogenanntes Social Business. Das heißt, dass Investoren auf spekulative Gewinne verzichten.

In solchen Säcken, die in Baldersheim produziert werden, wird das Gas nach Hause transportiert.
| In solchen Säcken, die in Baldersheim produziert werden, wird das Gas nach Hause transportiert.

Preise eingeheimst

Katrin Pütz versteht ihre Idee ausdrücklich nicht als Entwicklungshilfe. Vielmehr geht es ihr darum, dass die Menschen in den armen Ländern ihr Leben durch den Aufbau eines eigenen Geschäftes langfristig verbessern können. Die vielen Menschen, die sie mit der Biogasgewinnung und dem Transport vertraut gemacht hat, haben im Kongo, in Malawi, im Senegal, in Rwanda wie auch in Pakistan, Indien, Nepal, Chile und Mexiko Anlagen aufgebaut. In Äthiopien wird die Technik komplett vor Ort hergestellt.

Dankbar ist die Technikerin nicht zuletzt der Firma Rothschenk, die sie seit sechs Jahren unterstützt. Besonders Gisela Rothschenk, hat sich sehr für die Biogastechnik engagiert. Für ihre Erfindung wurde Katrin Pütz mit dem „NatureLife Preis“ an der Uni Hohenheim, dem „Empowering People Award“ der Siemens-Stiftung und dem Preis „Ausgezeichnete Orte 2017 von Land der Ideen“ ausgezeichnet.

Katrin Pütz legt auch beim Rühren des Kuhdungs kräftig mit Hand an.
Foto: Hannelore Grimm | Katrin Pütz legt auch beim Rühren des Kuhdungs kräftig mit Hand an.
Auf einem solchen, mit dem Biogas betriebenen Kocher können die Frauen die Mahlzeiten zubereiten.
| Auf einem solchen, mit dem Biogas betriebenen Kocher können die Frauen die Mahlzeiten zubereiten.
 
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