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GOSSMANNSDORF
Bilder aus dem Schützengraben
Kriegszeiten: Deutsche Soldaten bauen in einem Wald in Frankreich ein Geschütz auf.
Foto: Ludwig Weigand | Kriegszeiten: Deutsche Soldaten bauen in einem Wald in Frankreich ein Geschütz auf.
Claudia Schuhmann
 |  aktualisiert: 22.10.2014 13:14 Uhr

Ein vergessenes Kistchen auf dem Dachboden eines alten Hauses – das ist der Stoff, aus dem die Träume der Chronisten und Historiker sind. Ein solches Kistchen gerät 2007 in die Hände von Erich Weiß. Es enthält mehrere Hundert alte Fotoglasplatten, unter denen der geschichtsinteressierte Goßmannsdorfer Bilder aus seinem Heimatort zu finden hofft. Aber er findet Bilder aus dem Krieg.

Die Aufnahmen hat Ludwig Weigand gemacht. Das weiß der Goßmannsdorfer aber nicht, als ihm ein Bekannter die Aufnahmen anbietet. Die kleinen Glasplättchen dienten vor 100 Jahren als Fotonegative. Bei ihrer Durchsicht entdeckt Weiß Motive, die nur aus dem Ersten Weltkrieg stammen können: eine Haubitze im Schützengraben, Granatwerferstellungen, brennende Dörfer, zerstörte Kirchen und Truppeninspektionen.

Weil Erich Weiß keinen Hinweis auf den Fotografen finden kann, übergibt er die Fotoplatten an das Ochsenfurter Stadtarchiv. Als er sich aber wenige Jahre später an die Erforschung der Geschichte der Goßmannsdorfer Familie Weigand macht, entdeckt er einen Zusammenhang.

Alte Postkarten

Zum Nachlass der Familie Weigand gehört nämlich eine umfangreiche Sammlung alter Postkarten, deren Motive Erich Weiß merkwürdig bekannt vorkommen. Er vergleicht Fotoplatten und Postkarten und stellt fest: Sie müssen vom selben Fotografen stammen.

Weiß findet heraus, dass der 1884 in Goßmannsdorf geborene Ludwig Weigand als Pionier am Ersten Weltkrieg teilnahm. Der Hobbyfotograf machte während der Kriegsjahre zahlreiche Aufnahmen. Viele davon sandte er in Form von Postkarten an seine Eltern. Hin und wieder schickte er auch Päckchen mit Glasplatten nach Hause. An den Bildern wie auch an den Texten der Postkarten lässt sich sein Soldatenleben nachvollziehen. Auch wenn andere ähnliche Dokumente hinterlassen haben: 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges gewinnen die alten Fotografien wieder an Aktualität.

Offenbar hatte Ludwig Weigand eine technische Ausbildung im Maschinenbau. Da scheint es folgerichtig, dass er seinen Militärdienst 1905 bei den bayerischen Pionieren in Speyer ableistete. Die Karten, die er ab August 1914 nach Hause schickte, tragen einen Militärstempel. Da hatte der Krieg gerade begonnen. Weigand schrieb aus Frankreich, wo er Bilder seiner Unterkunft machte, aber auch Offiziere ablichtete und das Kriegsgeschehen festhielt.

Weigand war wohl zuerst in Frankreich, dann in Russland und später wieder in Frankreich an der Front. Als Pionier baute er technische Anlagen für die Armee. Etliche seiner Bilder zeigen Pontonbrücken, vermutlich über den Fluss Düna, der bei Riga in die Ostsee mündet. Er hat Geschütze abgelichtet und Gräben mit Stacheldraht. Menschen auf voll beladenen Fuhrwerken oder beim Kochen über offenem Feuer im Wald sind wahrscheinlich Flüchtlinge.

Zu sehen ist hin und wieder auch Ludwig Weigand selbst, mal dick vermummt im Schnee, mal im Kreise seiner Kameraden in der Stube oder auch beim Angeln.

Die Zerstörungen des Krieges hat er mit seiner Kamera manchmal in fast filmischen Sequenzen festgehalten. So findet sich eine Abfolge dreier Bilder einer Kirche: zuerst noch leidlich intakt, wenn auch schon von Geschossen getroffen. Dann der Moment der Sprengung des Kirchturms, und auf dem dritten Foto sind vom Turm nur noch Trümmer übrig.

Wie Ludwig Weigand das Kriegsende erlebte, geht aus seinen Fotografien nicht hervor. Erich Weiß hat aber rekonstruiert, dass der Goßmannsdorfer Hobbyfotograf nach dem Krieg mit seiner Braut im Rheinland sesshaft wurde. Dort fand er offenbar eine Stelle im Bereich Maschinenbau, denn 1924 kam von ihm eine Karte aus Troisdorf mit dem Absender „Ludwig Weigand, Ingenieur“. Nach dem Tod seiner Frau heiratete er die Schwester seiner ersten Frau. 1937 kam er bei einem Motorradunfall ums Leben. Sein Sohn fiel im Zweiten Weltkrieg.

Beschädigt: Noch steht der zerschossene Kirchturm.
| Beschädigt: Noch steht der zerschossene Kirchturm.
Gesprengt: Der Turm des Gotteshauses fällt in Schutt und Asche.
| Gesprengt: Der Turm des Gotteshauses fällt in Schutt und Asche.
Zerstört: Der Kirchturm steht nicht mehr.
| Zerstört: Der Kirchturm steht nicht mehr.
Selbstporträt: Der Goßmannsdorfer Ludwig Weigand.
| Selbstporträt: Der Goßmannsdorfer Ludwig Weigand.
 
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