„Naturzerstörung, Verschandlung, profitgierige Bauträger, unfähiger Bauausschuss “ – harte Vorwürfe stehen auf dem Plakat von Hans Dieter Müller. Dabei ist Müller kein klassischer Wutbürger, sondern nur ein Würzburger, der seit 60 Jahren im Steinbachtal lebt und nicht versteht, dass das Naherholungsgebiet durch „überdimensionierte Betonklötze verschandelt wird“. Wo früher Einfamilienhäuser im Grünen standen, werden seit zwölf Jahren mehr und mehr Wohnanlagen mit Tiefgaragen bis an die Straße gebaut.
Zum Beispiel sind kurz vor der Hubertusschlucht vier Komplexe mit Eigentumswohnungen nebeneinander entstanden. Zwei weitere wurden auf dem Nachbargrundstück genehmigt, das Grundstück daneben gehört auch schon dem Bauträger. „Bevor dieses auch noch zugepflastert ist, muss etwas passieren“, sagt Nachbarin Beate Herpfer.
Das findet auch Karin Miethaner-Vent. Der Grünen-Stadträtin geht es dabei weniger um die Wohnqualität der Anwohner, als um Gebietscharakter und Klima. „Das grüne Tal mit einigen wenigen Häusern ist für das Klima im Würzburger Kessel sehr wichtig.“ Die Bedeutung des Tals als Frischluftschneise hat auch der Verwaltungsgerichtshof in München festgestellt: „Diese Funktion wird angesichts des Klimawandels immer wichtiger. Überdimensionierte Betonriegel stören die Luftströme.“
Rund ein Dutzend Wohnanlagen hat der Bauausschuss des Stadtrats genehmigt. Entlang der Steinbachtal- straße gibt es keinen Bebauungsplan, so dass sich neue Häuser in Größe, Höhe und Form der Umgebung anpassen müssen. „Die Eigentumswohnanlagen sind aber bis zu sechs Mal größer als die Häuser, die vorher auf dem Grundstück standen“, sagt Miethaner-Vent. „Ich habe deshalb immer dagegen gestimmt.“
Auch die Nachbarn wundern sich, dass die Bauaufsicht früher Größe und Dachform streng reglementierte, jetzt aber „Klötze mit Flachdach“ durchwinkt. „Da muss der Bauträger wohl einen guten Draht zur Stadtverwaltung haben,“ meint Müller.
Mittlerweile haben offensichtlich mehrere Stadträte Bauchschmerzen angesichts der zunehmenden Verdichtung. Doch versagen wollte man im Januar die Genehmigung zweier weiterer Wohnanlagen im vorderen Steinbachtal nicht, da ja auch die Nachbarbauten genehmigt worden waren. Als Ausweg aus dem Dilemma schlug der Ausschuss die Aufstellung eines Bebauungsplans vor.
Kritik an der Verbauung üben seit längerem die Bürgervereinigungen im Steinbachtal. Vertreter der Talgemeinde trugen die Bedenken vor etwa zwei Jahren bei Oberbürgermeister Georg Rosenthal vor. „Damals wurde uns versichert, dass auch die Stadt keine zusätzliche Verdichtung will. Doch gebaut wird weiter,“ sagt der damalige Vorsitzende der Talgemeinde, Siegfried Werter.
Die Initiative „Rettet das Steinbachtal“ betont, dass man nicht generell gegen zeitgemäße Architektur sei, die Generationswechsel und moderne Wohnkultur mit sich bringen. „Aber muss es wirklich eine so dichte Bebauung in einem rein renditeorientierten Stil sein?“, fragt der stellvertretende Vorsitzende Josef Dollinger.
Wie reagiert der Stadtbaurat, Christian Baumgart, auf die Kritik von Bürgern und Stadträten? Vor einiger Zeit erklärte er gegenüber dieser Zeitung, dass er kein Problem mit der zunehmenden Bebauung habe. Das Naherholungsgebiet liege ja auf der gegenüberliegende Seite des Tals. Der im Januar angeregte Bebauungsplan ist nach Auskunft des Rathauses derzeit „nicht angezeigt“.
Dabei scheint es höchste Zeit festzulegen, wie man sich die Zukunft des Tals vorstellt. Nicht nur an der Hubertusschlucht steht ein Bauträger mit dem nächsten „Klotz“ in den Startlöchern. Auch der Volksgarten könnte demnächst einer Wohnbebauung weichen. Die Familie Oechsner, der der über 100 Jahre alte Biergarten gehört und die ihn momentan verpachtet hat, will den Volksgarten verkaufen. „Dann wird mit der Gastronomie Schluss sein“, sagt Sigrid Oechsner, die den Volksgarten gemeinsam mit ihrem Mann Erwin 35 Jahre lang bewirtschaftet hatte.
Eine Bauvoranfrage hat das Rathaus laut Sprecher Christian Weiß 2011 abgelehnt, da ein „Abriss der Pavillons aus Gründen des Denkmalschutzes nicht genehmigt wird“. Doch nach Informationen dieser Zeitung entwickelt der potenzielle Investor Pläne, den unteren Teil des Volksgartens zu bebauen. Es soll der selbe Bauträger sein, dessen Wohnhäuser die Anwohner im vorderen Steinbachtal auf die Palme bringen.
Anscheinend kommt es in dieser Stadt wirklich darauf an, wer die Person des Bauwerbers ist.
Das erinnert schon an die Verhältnisse in einem südlich gelegenen EG-Mitgliedsstaat.
"Mittlerweile haben offensichtlich mehrere Stadträte Bauchschmerzen angesichts der zunehmenden Verdichtung. Doch versagen wollte man im Januar die Genehmigung zweier weiterer Wohnanlagen im vorderen Steinbachtal nicht, da ja auch die Nachbarbauten genehmigt worden waren."
"Als Ausweg aus dem Dilemma" wäre eine Arbeitspause entsprechender Personen für die laufende Legislaturperiode durchaus anzuraten.
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Es ist unfassbar wie sich Würzburg ruiniert.
Ich war zuletzt während des Frühlingsmarktes wieder mal auf dem Marktplatz, und mir fiel gleich wieder ein warum ich so lange nicht dort war. Kein Blick auf die Festung, in den Wintermonaten keine Sonne mehr am Nachmittag (steckt alles hinter dem Bankbunker).
Spiegelstraße, ein Graus.
Als ich den Rohbau am Stein gesehen habe dachte ich mir, das kann doch kein vernünftiger Mensch genehmigt haben.
Auch ein schönes Tal passt einfach nicht zu Würzburgs Betonköpfen -> zubetonieren.
Würzburg macht Spaß? Mir schon lange nicht mehr.
Dazu fällt einem nichts mehr ein. Warum muss man alles kaput machen?