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WÜRZBURG
Besondere Ehrung für Restaurant „MS Zufriedenheit“
Ein eingespieltes Team in der MS Zufriedenheit (von links): Küchenchef Benedikt Hammerl, Phillip Bock und Geschäftsführer Dominik Straub.
Foto: Pat Christ | Ein eingespieltes Team in der MS Zufriedenheit (von links): Küchenchef Benedikt Hammerl, Phillip Bock und Geschäftsführer Dominik Straub.
Pat Christ
Pat Christ
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:46 Uhr

Mit Arbeitgebern hat Phillip Bock so seine Erfahrungen. Vor allem in der Gastronomie, wo er jahrelang tätig war, geht es oft rau zu. Da wird man schon mal angeranzt. Oder kriegt einen dummen Spruch zu hören. „Das passiert hier nie“, freut sich der 41-Jährige, der im Restaurant MS Zufriedenheit im Kulturspeicher arbeitet. Dass er diesen Job bekommen hat, ist nicht selbstverständlich. Denn Bock ist lernbehindert. Deshalb war er eine Zeit lang in den Mainfränkischen Werkstätten beschäftigt.

Dort verpackte er mit Kollegen, die teilweise ausgeprägte Formen von geistiger Behinderung hatten, Pflegeprodukte. Was für ihn langweilig war. „Ich war immer schon viel schneller fertig als die anderen“, erzählt der gelernte Hotelfachgehilfe. Über die InklusionCatering Mainfranken GmbH (InCa), ein Tochterunternehmen der Mainfränkischen Werkstätten, kam Phillip Bock endlich „raus“.

Initiative „INklusiv! - gemeinsam arbeiten“ hilft weiter

„Ich war erst beim Bezirk Unterfranken tätig“, erzählt der in Indien geborene Mann, der als kleines Kind von einer Würzburger Familie adoptiert wurde. Dort betreibt die InCA einen Imbissstand. Später kam er als InCa-Mitarbeiter zur MS Zufriedenheit. Beides war viel besser al die Werkstätte. Allerdings hatte Bock weiterhin vorwiegend Kollegen mit Behinderung. Das ist nun anders.

Vor knapp einem Jahr zog sich die InCa aus der MS Zufriedenheit zurück. Seither betreiben die Pächter Dominik Straub und Thomas Howert das Restaurant selbst. Beim Wechsel wollte Dominik Straub Phillip Bock unbedingt übernehmen. Die beiden Männer kennen sich seit 25 Jahren. Straub weiß, wie gut Bock in der Küche ist. Deshalb wandte er sich an die Mainfränkischen Werkstätten und fragte, ob es eine rechtliche Möglichkeit gäbe, Bock weiterhin zu beschäftigen.

Die gibt es durch die Initiative „INklusiv! – gemeinsam arbeiten“. Das vor zweieinhalb Jahren gestartete Projekt versucht, für Mitarbeiter aus der Werkstätte dort Arbeitsplätze zu finden, wo alle anderen Menschen tätig sind. „Sozialraum“ nennt sich das im Fachjargon. Man könnte auch sagen: Mitten im Leben.

Ein inklusiver Job für Menschen mit Handicap

Inzwischen ist es dem „INklusiv!“-Team um Fachbereichsleiterin Madeleine Leube gelungen, für viele Menschen mit Handicap einen inklusiven Job zu finden. Phillip Bock ist der 38. Mitarbeiter der Mainfränkischen Werkstätten, der heute „ganz normal“ arbeiten kann. Dass sie sich für Inklusion in der Berufswelt einsetzt, dafür wird die MS Zufriedenheit am Mittwoch vom „INklusiv!“-Team ausgezeichnet. Anlass für die Ehrung ist ein Unterstützertreffen in dem Restaurant. 50 Vertreter von Firmen und Organisationen aus der Region, die mit „INklusiv!“ kooperieren, werden am 31. Mai auf der MS Zufriedenheit ihre Erfahrungen austauschen.

Dominik Straub freut sich über die Auszeichnung, betont aber gleichzeitig, dass es für ihn und Küchenchef Benedikt Hammerl völlig selbstverständlich ist, Phillip Bock zu beschäftigen. „Wir tun das nicht, weil wir irgendwie sozial sein wollen“, sagt er. Phillip Bock passt einfach super ins Team. Er ist mit Leidenschaft bei der Sache, engagiert sich, bringt Ideen ein. Zudem ist er ein äußerst angenehmer Mensch und ein toller Kollege. Genau deshalb wurde er integriert. Und nicht, weil man „behindertenfreundlich“ sein wollte.

Ziel: Schwächen ausgleichen, Stärken fördern

Dass Phillip Bock ein Handicap hat, sieht man ihm auf dem ersten Blick sowieso nicht an. Er arbeitet in der Küche auch genauso schnell wie andere. „Nur Zeitdruck mag ich nicht“, sagt er. Wird er großem Stress ausgesetzt, streikt sein Kopf. Aber das geht schließlich auch Menschen so, die keine Lernbehinderung haben. „Wir versuchen, bei allen unseren Mitarbeitern Rücksicht auf die jeweiligen Schwächen zu nehmen“, sagt Straub. Jeder habe irgendwo seinen schwachen Punkt. Oder mal einen schwachen Tag. Was durch persönliche Stärken und starke Tage ausgeglichen wird.

Schwächen zu kompensieren und Stärken zu fördern ist innerhalb des Projekts „INklusiv!“ Aufgabe von sechs Integrationsbegleitern. Phillip Bock hat mit Ute Lemmich eine Begleiterin, die ihn wöchentlich besucht. Lemmich kommt vom Fach, sie hat Hauswirtschafterin gelernt und arbeitete lange im Catering. Von daher könnte sie Phillip Bock auch rein praktisch unterstützen. „Doch ich musste ihm nichts beibringen, was er für seine Tätigkeit auf der MS Zufriedenheit benötigt“, sagt sie. Denn Bock, der als Lehrling, Praktikant und Helfer schon in vielen Küchen tätig war, kann all das, was er können muss, sehr gut.

Wer ihn in der MS Zufriedenheit trifft, sieht sofort, wie großen Spaß es ihm macht, hier Gemüse zu schnippeln oder Gläser zu polieren. „Das ist mein zweites Wohnzimmer“, lacht er. Nichts ist für Phillip Bock schlimmer, als keinen Job zu haben. Drei Jahre war er zwischendurch arbeitslos. Da ist ihm die Decke auf den Kopf gefallen. Und er hatte sich nur gewünscht, endlich wieder irgendwo sinnvoll arbeiten zu können.

Projekt „INklusiv!“

38 Betriebe aus Würzburg Stadt und Land, sowie aus den Landkreises Kitzingen und Main-Spessart beschäftigen derzeit über „INklusiv! – gemeinsam arbeiten“ einen Mitarbeiter der Mainfränkischen Werkstätten. Weitere zwölf Betriebe haben einen Menschen mit Handicap im Praktikum. Insgesamt hat das Projekt Kontakt zu 150 Arbeitgebern in der Region Würzburg. Ein Großteil der behinderten Mitarbeiter findet einen Job in der Dienstleistungsbranche. Beliebt sind vor allem Stellen in der Hauswirtschaft und der Gastronomie.
 
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