Drei Stunden Sport und drei Stunden Deutsch sollten Berufsschüler laut Lehrplan pro Woche haben. In etlichen unterfränkischen Berufsschulen haben die Schüler aber seit Jahren keine Turnhalle mehr von innen gesehen, haben seit Jahren keinen Schulsportplatz mehr betreten – Sport fällt seit Jahren ersatzlos aus. Und auch Deutschstunden fallen immer öfter flach. Der Grund: Lehrermangel.
An der Georg-Schäfer-Berufsschule in Schweinfurt zum Beispiel kann mit den vorhandenen Lehrkräften nur 80 Prozent des Unterrichtsbedarfs gedeckt werden – und das, obwohl dort viele der 45 Pädagogen schon seit Jahren mehr Stunden arbeiten als vorgesehen. Dies berichtet der Leiter der Schule, Helmut Mundel. „Und weil es im Zweifelsfall halt wichtiger ist, dass der Heizungstechniker die Heizung korrekt einstellen kann und weniger wichtig, dass er einen Geschäftsbrief schreiben kann, genießen bei uns die praxisrelevanten Fächer den Vorzug.“
Wie viele Lehrer mehr braucht Mundel, um den Unterrichtsbedarf zur Gänze zu decken? „Fünf oder sechs. Aber die kriege ich nicht.“ Erstens gebe es sie auf dem Markt nicht; insbesondere Leute, die Metall oder Elektrotechnik unterrichten könnten, seien rar. Zweitens bekomme er vom Staat nur unzureichend neue Lehrerstellen für seine rund 2000 Schüler. „Selbst wenn ich jetzt einen Germanisten an der Hand hätte, der Deutsch geben könnte – ich dürfte ihn ja nicht einstellen.“
Laut dem Verband der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern haben Unterfrankens staatliche Berufsschulen fürs neue Schuljahr 36 neue Stellen angefordert. Nur 13 davon seien aber vom Kultusministerium bewilligt worden. „Das hat zur Folge, dass weiterer Pflichtunterricht ausfallen muss“, prognostiziert der Verband.
Den Ausfall von Pflichtunterricht ist Kurt Haßfurter schon gewohnt. Er leitet die Staatliche Jakob-Preh-Berufsschule in Bad Neustadt, die derzeit nur 79 Prozent der Unterrichtsstunden decken kann. „Gerade hat mir die Regierung mitgeteilt, dass ich zwei Aushilfslehrer fürs neue Schuljahr bekomme; das ist eine kleine Erleichterung“, sagt der Schulleiter. An der dramatischen Gesamtsituation in der Schule änderten die Aushilfskräfte aber nicht viel. Auch in Haßfurters Berufsschule ist der Schulsport ersatzlos gestrichen, wird der Deutschunterricht aufs Minimum zurückgefahren.
Angesichts der engen Personaldecke ist Haßfurter alles andere als glücklich darüber, dass er an seiner Schule mit 1750 Schülern ab Herbstzusätzlich eine Spezialklasse für junge Asylbewerber führen soll. „Das kostet mich 17 Lehrerstunden, die ich eh nicht habe“, sagt Haßfurter. Er glaubt, dass der Pflichtunterricht für die regulären Berufsschüler leiden wird. „Und eigentlich kann ich mir das nicht leisten – die Betriebe aus der Region pochen ja drauf, dass die Auszubildenden optimal beschult werden.“ So dramatisch wie seit vielen Jahren nicht sei die Situation, sagt Haßfurter.
„Selbst wenn ich jetzt einen Germanisten an der Hand hätte, der Deutsch geben könnte – ich dürfte ihn
ja nicht einstellen.“
Seine Bewertung deckt sich mit der des Verbands der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern. Der Verband hat vor einer Woche einen offenen Brief an Kultusminister Ludwig Spaenle geschrieben. Der Brief macht deutlich, dass fehlende Lehrkräfte und fehlende finanzielle Mittel nicht nur Unterfranken, sondern ganz Bayern betreffen. Im Brief bezeichnen die Lehrer die Unterrichtsversorgung an den 181 Berufsschulen in Bayern als „katastrophal“. „Wir stehen im kommenden Schuljahr vor dem Kollaps“, heißt es weiter. Per offenem Brief fordern die Berufsschullehrer von Spaenle „ausreichend Personal und finanzielle Mittel zur Aufrechterhaltung des Pflichtunterrichts“. Detailliert aufgeführt wird die Zahl der nötigen neuen Stellen in dem Brief nicht. Wolfgang Lambl, Vize-Landesvorsitzender des Verbands der Lehrer an beruflichen Schulen, hält indes insgesamt 700 neue Planstellen an Bayerns Berufsschulen für nötig.
Dass die Schulen für ihre 254 000 bayerischen Schüler diese Stellen auch bekommen, ist derzeit unwahrscheinlich. Zwar hat der Kultusminister in einer Antwort auf den Offenen Brief der Berufsschullehrer deren Arbeit gewürdigt. Zwar hat Ministeriumssprecher Unger ausgerichtet, das Kultusministerium lasse „seine beruflichen Schulen“ nicht allein. Bis jetzt hat das Kultusministerium aber nur 147 neue Lehrerstellen für Bayerns Berufsschulen genehmigt – die neuen Kräfte sollen in den Spezialklassen für Flüchtlinge unterrichten.