92 Seiten Schülerzeitung sind nichts für halbe Herzen. „Da sitzt man dann schon ein paar Nächte zuhause daran oder bleibt nach der Schule länger da, während die anderen nach Hause gehen“, sagt Ann-Kathrin Angerer (22), die lange am Layout des Magazins „eigenleben“ der Klara-Oppenheimer-Schule gefeilt hat. Mit Erfolg.
Anfang vergangener Woche sind die zwölf Azubis der Fachgruppe „Medienberufe“ mit dem ICE nach München zum 28 Stockwerke hohen Glasturm der Süddeutschen Zeitung gefahren, um sich dort eine Auszeichnung für ihr Werk abzuholen: den ersten Preis für die beste bayerische Schülerzeitung in der Kategorie Berufliche Schulen.
Jetzt sitzt die Gruppe wieder im heimischen Klassenzimmer.
An der Wand hängt, gespickt mit gelben Notizzetteln, schon die Blattplanung für die nächste „eigenleben“-Ausgabe der Folgeklasse. Auf den zusammengeschobenen Tischen liegen noch ein paar Exemplare der Siegerzeitung. „Wir konnten es kaum fassen und unsere Herzen haben geklopft vor Aufregung – wir waren so stolz“, sagt Lorena Klingert und lacht. Die 22-Jährige hat als Teil der Chefredaktion viele Entscheidungen getroffen, auch solche, die ihr nicht immer leicht gefallen sind.
„Besonders schwer war es, für die einzelnen Artikelthemen Seiten zuzuteilen“, erzählt sie, „da mussten dann schon mal aus sechs Seiten zwei werden, denn der Platz war begrenzt.“
Gut ein Jahr lang haben die Azubis das dicke Heft aus schwerem Papier zusammengestellt. Von der Themenzusammenstellung, den Texten, über die Fotos und das Layout bis hin zum Druck und der Finanzierung haben die Berufsschüler das Magazin komplett selbstständig auf die Beine gestellt. „Mir ist wichtig, dass die Schüler das, was sie theoretisch lernen, praktisch mit der Zeitung umsetzen können“, sagt Martin Ruf, einer der Betreuer der Fachgruppe „Medienberufe“ an der Klara-Oppenheimer-Schule und zuständig für die Schülerzeitung.
Der 60-Jährige hat inzwischen schon rund 15 Projekt-Ausgaben begleitet. „Außerdem sollen die Schüler die sogenannten Softskills aus dem Projekt mitnehmen: Teamwork, Konfliktfähigkeit, konstruktive Kritik, konsequente Planungsfähigkeiten.“ Derlei komme im Berufsschulalltag bisweilen zu kurz, meint Ruf. „Die Aufgabe einer Berufsschule liegt meiner Meinung nicht nur darin, die Azubis auf die Prüfungen vorzubereiten“, sagt er.
Gerade weil die Azubis in ihrer Ausbildung weniger mit kreativen Arbeiten in Berührung kommen, hatten die jungen Frauen und Männer großen Spaß daran, die Schülerzeitung zu gestalten. „Wir wollten kein Magazin machen, das jeder hätte abdrucken können, es sollte schon unsere Schule wiederspiegeln“, sagt Lea Kerzdörfer (20), die sich mit eigenen Artikeln und redaktioneller Arbeit engagiert hat. Markus Schneider (23), der auch privat gerne fotografiert, steuerte Fotos bei.
Der sportbegeisterte Daniel Caspari (19) freute sich, ein Interview mit Bernd Hollerbach, dem Trainer der Würzburger Kickers zu führen. „Uns war wichtig, dass die Zeitung authentisch ist“, sagt Kristin Breunig (24), „und dass wir alle auch wirklich dahinterstehen. Man sollte es der Zeitung anmerken, dass es uns Spaß gemacht hat, sie zu produzieren.“
Mit Beiträgen zu den Themen Freizeit, Kochen, Lifestyle, Mode und Schulalltag, ein bisschen Politik und Sport sollte die Schülerzeitung jung, innovativ und modern sein, betont die Chefredaktion in ihrem Vorwort – und das Leben in vielen Facetten beleuchten. Die Münchner Jury jedenfalls war begeistert.
Die Würzburger Nachwuchsjournalisten, heißt es in der Begründung zur Auszeichnung, hätten das Thema Leben „inhaltlich abwechslungsreich und mit viel Tiefe“ aufbereitet. Für Martin Ruf sind solche Sätze Belohnung und Ansporn zugleich. Mit der Folgeklasse arbeitet er derzeit an einem nagelneuen Online-Auftritt der Schülerzeitung, der laufend mit Artikeln bestückt werden soll. Mit der preisgekrönten Print-Ausgabe der diesjährigen „eigenleben“ hätten sie jedenfalls ein herausforderndes Vorbild, sagt er.
Die Berufsschule
In der Klara-Oppenheimer-Schule, dem städtischen Bildungszentrum für kaufmännische, hauswirtschaftliche und soziale Berufe in Würzburg, kommen Menschen ganz unterschiedlichen Alters, unterschiedlichen Ausbildungszielen und Hintergründen zusammen. „Wir sind eine integrative Schule“, sagt Martin Ruf, Betreuer der Fachgruppe „Medienberufe“. In mehr als 22 verschiedenen Ausbildungsrichtungen werden die Schüler auf ihre Berufsabschlussprüfung vorbereitet. Am Standort im Würzburger Stadtteil Sanderau (in der Stettiner Straße) besuchten im Jahr 2016/17 rund 3000 Schüler aus Würzburg und dem weiteren Umkreis den Unterricht.
Der Schülerzeitungswettbewerb „Blattmacher“ wird gemeinsam vom Bayerischen Kultusministerium und der Süddeutschen Zeitung GmbH ausgerichtet. Eine Jury aus Vertretern der Veranstalter, des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung, der Jungen Presse Bayern, der Akademie der Bayerischen Presse, des Verbands der Bayerischen Zeitungsverleger e. V. sowie aus Schülerinnen und Schülern hat die Preisträger ausgewählt.


