Viele Unternehmen hätten eine Bewerbung von Fatih Nöth wohl bereits auf den ersten Blick abgelehnt. In der Schule hatte er keine guten Noten, gibt der 25-Jährige offen zu. Deshalb schreckte er nach der Schule auch davor zurück, eine Ausbildung zu beginnen. Stattdessen hielt er sich mit den unterschiedlichsten befristeten Jobs über Wasser. Irgendwann merkte Fatih Nöth jedoch, dass er sich mehr Sicherheit und mehr Verantwortung für seine Zukunft wünschte. Gar nicht so einfach, diesen Wunsch in die Tat umzusetzen. Mitte 20, ein eher durchwachsener Lebenslauf, keine Berufsausbildung. Diese Voraussetzungen schrecken viele Betriebe ab.
Zu Unrecht, findet Klaus Beier, Geschäftsführer Arbeitslosenversicherung der Regionaldirektion Bayern von der Agentur für Arbeit. „Menschen entwickeln sich weiter“, sagt er. In vielen praktischen Berufen seien soziale Kompetenzen und persönliche Motivation viel wichtiger als Noten auf einem Blatt Papier.
„Oft ist das eine Win-Win-Situation“
Am Dienstag lud die Agentur für Arbeit deshalb in Kooperation mit XXXL Neubert und dessen Unternehmensgruppe zu einem Ortstermin, um auf die Initiative „Zukunftsstarter“ der Agentur aufmerksam zu machen. 12 000 Ausbildungsstellen blieben in diesem Ausbildungsjahr in Bayern unbesetzt. Gleichzeitig gibt es bayernweit rund 23 000 Menschen zwischen 25 und 35 Jahren, die keine Berufsausbildung haben, potenzielle Zukunftsstarter also. Diesen Menschen wieder ein Ziel und eine Richtung für ihr Leben zu geben, sei laut Beier auch für Unternehmen eine unverzichtbare Gelegenheit, um dem steigenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. „Oft ist das eine Win-Win-Situation“, sagt er.
Fatih Nöth und Dominik Becker sind zwei dieser Zukunftsstarter. Beide hatten mit 25 noch keinen Berufsabschluss. Bei XXXL Neubert in Heidingsfeld erhielten sie dennoch eine Chance. Nöth macht mittlerweile eine Ausbildung als Fachkraft für Lagerlogistik. Becker hat im Februar seine Ausbildung bei Neubert erfolgreich abgeschlossen, wurde übernommen und darf sich mittlerweile Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice nennen.
Nicht nur wegen ihrer guten Berufsschul-Noten sind die Ausbilder hochzufrieden mit den beiden. Schnell sei klar gewesen, dass sie mit viel Motivation an die Arbeit herangehen. „Engagement und Verantwortungsbewusstsein sind bei älteren Auszubildenden oft sehr hoch“, sagt Ausbilder Michael Mödig. „Diese Leute haben ja bewusst eine Entscheidung getroffen. Sie möchten in ihrem Leben etwas ändern.“
„Nur mit befristeten Anstellungen kann es nicht weitergehen“
So wie Dominik Becker. Nachdem seine alte Firma insolvent wurde, musste er vor einigen Jahren seine erste Ausbildung zum Metallbauer abbrechen. Danach jobbte er. Als Becker dann eine eigene Familie gründete, wusste er: Nur mit befristeten Anstellungen kann es nicht weitergehen. „Ich will meinen zwei Töchtern eine gewisse Sicherheit bieten können“, erzählt der 28-Jährige. Mittlerweile ist er bei Neubert sehr zufrieden. „Bei vielen Schulungen kann man sich zum Beispiel im Kundenumgang oder in der Handhabung von Elektrogeräten weiterbilden“, erzählt er. Seinem Kollegen Fatih Nöth gefällt vor allem eines: „Ich werde hier ernst genommen“, meint der 25-Jährige. „Außerdem zeigen mir meine Vorgesetzten viele Weiterbildungsmöglichkeiten auf.“
Die Initiative Zukunftsstarter ist erfolgreich: Allein im Ausbildungsjahr 2015/2016 vermittelte die Agentur für Arbeit bayernweit rund 2 000 Menschen zwischen 25 und 35 Jahren eine Ausbildung. In der Region Würzburg sind momentan 68 junge Leute Teil der Initiative. Mehr als 80 Prozent der Zukunftsstarter stünden laut Klaus Beier nach der Ausbildung auf eigenen Beinen.
Initiative Zukunftsstarter
Das Programm der Agentur für Arbeit richtet sich unter anderem an Menschen, die früh eine Familie ernähren mussten. An Alleinerziehende oder Menschen, die in ihrem alten Beruf keine Perspektive mehr sehen.
Umschulungen und Ausbildungen auch in Teilzeit sollen jungen Erwachsenen mit familiären Verpflichtungen berufliche Perspektiven eröffnen.
Geringqualifizierte können durch Teilqualifikationen schrittweise einen Berufsabschluss erlangen.
Weitere Informationen gibt es im Internet oder direkt in den Jobcentern der Agentur für Arbeit.