Immanuel Hilpert ist immer noch sichtlich bewegt, als er im Büro von Landrat Thomas Eberth von seinen Eindrücken aus dem Ahrtal berichtet. Die Region an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gilt als eines der landschaftlich schönsten Seitentäler des Rheins und ist bekannt wegen seiner saftigen Wiesen und Wälder, malerischen Weinterrassen und Flussauen. Im Juli 2021 verwandelte sich die Region nach Starkregenfällen jedoch in ein Katastrophengebiet. Häuser wurden von den Massen aus Wasser, Schlamm und Geröll geflutet oder dem Erdboden gleichgemacht, Straßen sowie Brücken, Strom- und Gasleitungen hinweggespült. 134 Menschen verloren dabei ihr Leben. „Infrastruktur gibt es dort noch immer kaum“, schildert Hilpert betroffen. „Es sieht teilweise aus wie in einem Kriegsgebiet.“
Und auch mehr als ein halbes Jahr nach der Katastrophe sind Gasleitungen und Öltanks vielerorts noch nicht einsatzbereit. Viele Menschen im Ahrtal müssen ihre noch immer feuchten Häuser über den Winter behelfsmäßig mit Holzöfen heizen. Um den erhöhten Bedarf an Brennholz zu decken, griff eine Handvoll Freiwilliger rund um den Land- und Forstwirt Martin Breunig aus Hemmersheim im Landkreis Neustadt an der Aisch gemeinsam mit Bekannten unter anderem aus Ochsenfurt zur Motorsäge und fing an zu sägen. Breunig war gleich in den ersten Tagen der Katastrophe als Helfer vor Ort und kehrte seitdem immer wieder dorthin zurück, schreibt das Landratsamt Würzburg in einer Pressemitteilung.
An Dreikönig 600 Ster Brennholz aufbereitet
Und die Gruppe wächst: Aus den Anfangs sieben Helfern ist inzwischen ein Konvoi von mehreren Tiefladern und rund 30 Freiwilligen geworden. Zuletzt war der Hilfstrupp am Wochenende um Dreikönig in der 1100-Seelen-Gemeinde Ahrbrück. Einer der Unterstützer, die erst kürzlich hinzugestoßen sind, ist Immanuel Hilpert. Der Betreiber eines Brennholzhandels in Ochsenfurt brachte bei diesem letzten Einsatz seinen Säge-Spalt-Automaten mit, was die Arbeiten deutlich beschleunigte. Das Ergebnis war ein Berg von rund 600 Ster gebrauchsfertigem Brennholz.
Immanuel Hilpert spricht offen: Eigentlich habe er nur einmal zur Hilfe ins Ahrtal fahren wollen. Denn der Kosten- und Zeitaufwand für den Transport der schweren Maschinen ist groß. Der Säge-Spalt-Automat wiegt mehrere Tonnen und muss die rund 300 Kilometer von einem Tieflader transportiert werden. Abgesehen von dem vielen Kraftstoff, den er verbraucht, investiert der Selbstständige einiges an Zeit. „An einem Tag hat uns ein Einheimischer mal herumgeführt und das ganze Ausmaß der Schäden aufgezeigt. Viele Menschen wohnen noch in ihren kaputten Häusern oder decken ihren Esstisch vor offenen Häuserfronten“, beschreibt Hilpert. Von den vielen menschlichen Tragödien ganz zu schweigen. „Am letzten Tag habe ich dann zugesichert, dass ich nochmal komme.“ Und der Ochsenfurter wird sein Versprechen schon bald einlösen.
Nächster Hilfskonvoi aus Ochsenfurt startet im Februar
Am Donnerstag, 10. Februar, wird sich erneut ein Konvoi von Helfern in Richtung Ahrtal in Bewegung setzen. Diesmal sollen neben Hilpert und seiner Säge-Spalt-Maschine weitere solcher Vollautomaten und gleich mehrere Pkw voller Helferinnen und Helfer mit anreisen. Insgesamt hätten die Fahrer von sieben Lkw-Gespannen und rund 30 weitere Freiwillige bereits zugesagt. Auch wenn man statt der zuvor vier diesmal nur drei Tage vor Ort sei, habe man sich als Ziel erneut 600 Ster Brennholz gesteckt. Das Holz sei in vielen Fällen in den vergangenen Jahren angefallenes Käferholz und werde von den örtlichen Waldbauern gespendet.
Auch die Kreisfeuerwehrführung beteiligt sich an dem Konvoi und liefert Heuballen an betroffene Landwirte. Das Technische Hilfswerk (THW) Ochsenfurt unterstützt die Arbeiten vor Ort mit dem Errichten von Stromleitungen und Beleuchtung. Landrat Thomas Eberth zeigte sich begeistert von so viel Hilfsbereitschaft und sagt die Unterstützung seitens des Landratsamts bei Transportpapieren, Verpflegung und Treibstoff für die Maschinen zu. „Es ist beeindruckend, wie Menschen, die sich nicht kennen, in der Katastrophe zusammenstehen und unkompliziert helfen“, so der Landrat.
Helfer sind auf Spenden angewiesen
Neben der tatkräftigen Hilfe ist es Martin Breunig und Immanuel Hilpert auch ein Anliegen, auf die noch immer prekären Zustände im Ahrtal hinzuweisen. „Die Menschen dort brauchen noch immer jede Hilfe die sie kriegen können. Von Köln aus fahren einmal pro Woche Helferbusse voller Freiwilliger in die betroffenen Gegenden“, erzählt Hilpert. Die Hilfsbereitschaft dort sei ungebrochen groß. Schade hingegen sei: „Hier in Unterfranken hört man inzwischen leider kaum noch was.“
Daher wollen die beiden bei ihrer jetzigen Aktion auch bewusst die Werbetrommel rühren und Spenden sammeln. Denn einerseits benötigen die Helferinnen und Helfer auch Verpflegung, andererseits muss Treibstoff bezahlt werden. Auf Unkosten sollten die Helfer zumindest nicht sitzen bleiben. Überschüssige Spenden verteilte Initiator Breunig bisher unbürokratisch an die Menschen im Ahrtal. Da er mit den Spenden stets auch ein Telefonat zwischen den Spenderinnen und Spendern und den Betroffenen vermittle, könnten sich alle Beteiligten davon überzeugen, dass das Geld zu 100 Prozent an betroffene Familien weitergegeben werde.
Die Dankbarkeit über die eingetroffene Hilfe sei enorm groß, bestätigen Martin Breunig und Immanuel Breunig. Denn auch wenn die Wassermassen inzwischen längst wieder zurückgegangen seien, werden die Menschen im Ahrtal noch viele Jahre mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat zu tun haben. „Die Art, wie die Menschen dort miteinander umgehen, hat mich einfach gerührt“, sagt Immanuel Hilpert. „Deswegen werde ich wieder hingehen und das machen, was ich kann: Holz sägen.“