Anna Aaron hat sich hinter ein paar Keyboards verschanzt und lässt am Sonntagabend von der ersten Sekunde an keinen Zweifel, wohin die musikalische Reise gehen wird. Nach ein paar Chortönen zur Einstimmung gibt's gleich eine volle Gitarrenbreitseite und treibendes Schlagzeug, dazu viel Elektronik und die kleine Schweizerin, die beim Vorjahres-Hafensommer noch ein intimes Konzert mit Piano und Akustikgitarre bot, zeigt sich als veritable Rockröhre.
Es zischt und blubbert aus den Synthesizern, die Keyboards wabern und ein ums andere mal knallt die zierliche Gitarristin Emilie Zoe Peleraux fette Rockriffs aus ihrer E-Gitarre, die selbst männlichen Kraftprotz-Kollegen nicht gelingen – pure Energie und Emotion. Es war schon zu ahnen, in welche Richtung es gehen würde, wenn man Anna Aarons neue CD „Neuro“ kannte.
Aber wie das Quartett mit Bassmann Christophe Farine und Schlagzeuger Fred Bürki die „Neuro“-Songs mit Urgewalt auf die Bühne brachte, das machte nur noch staunen. Klassischer Rock wurde mit Spurenelementen aus Drum&Bass, Metal oder Industrial angereichert, dass es nur so krachte und knallte, und der Eindruck entstand die grandiose Lightshow könnte dem aberwitzigen Geschehen auf der Bühne kaum noch noch folgen. Und trotz aller Elektronik: Hier spielte eine leibhaftige Band modernen Rock als ob sie vom Leibhaftigen gejagt und getrieben würde – mal sperrig und düster, roh und rau, dann wieder glasklar und schwebend leicht.
Ihren Höhepunkt fand die Tour de Force im Song „Heathen“, in dem sich Gitarristin Peleraux in einen Rausch spielte in dieser kühlen Sommernacht, die durchaus ein paar Besucher mehr verdient gehabt hätte.
Eines besten Konzerte
Und wie auf der „Neuro“-CD setzt Anna Aaron danach auf Kontrast und eine wunderschöne Ballade nur zur Klavierbegleitung: „Ich kann auch ein ruhiges Lied spielen“, sagt sie dazu lapidar. Und so wurde an diesem Abend auch die Frage eines Musikjournalisten beantwortet, der nach dem Anhören von „Neuro“ fragte: Wer ist Anna Aaron und wenn ja wie viele? Sie ist nur eine, aber eine, die eben alles kann, und dem Hafensommer an diesem Abend eines der besten Konzerte in diesem Jahr bescherte.
Ganz soweit ist die sympathische junge Französin Joe Bel, die den Abend eröffnete, noch nicht. Erst etwas spät nahm sie den Fuß von der Bremse und zeigte, dass sie mit ihrer ausdrucksstarken Stimme als Rocksängerin eine gute Figur macht. Auch wenn sie ihren Stücken eine Reggae-Infusion verpasste, hatte das durchaus Charme. Doch die meisten ihrer Lieder bewegten sich in mittlerem Tempo und blieben etwas beliebig. Das Potenzial für mehr hat sie aber ohne Zweifel.