Die schönste Belohnung ist für Markus Beck ein Kompliment der Gäste: „Und das bekommen wir oft.“ Der 34-Jährige aus Würzburg kennt Cafés von Kindheit an: „Meine Eltern hatten eine Bäckerei mit Café.“ Da half er früher mit. Derzeit arbeitet er in einem ganz besonderen Lokal: Dem Café Perspektive. Vor zehn Jahren wurde das gemeinnützige Integrationsprojekt als unterfrankenweit erstes professionelles Café mit seelisch erkrankten Mitarbeitern am Waldfriedhof errichtet.
Im Café Perspektive genießen Gäste verschiedene Kaffeekreationen, es gibt Schnitzel, Bratwürste und Strammen Max – und, was besonders geschätzt wird, selbst fabrizierte Kuchen. „Wir backen nach den Rezepten von mindestens fünf Großmüttern unserer Beschäftigten“, lacht Sonja Grabs, die das Café sozialpädagogisch leitet. Großer Wert wird auf Qualität gelegt. Sprich: Darauf, dass rundum alles passt. „Vor allem damit wollen wir mögliche Vorurteile unserer Gäste gegenüber Menschen mit psychischer Erkrankung begegnen“, erläutert Joachim Schmitt-Prinz vom Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), dem Träger der Einrichtung.
Im Gespräch mit den Gästen
Markus Beck liebt es, mit „seinen“ Gästen ins Gespräch zu kommen. Neulich erst wurde er nach Dienstschluss von einem älteren Ehepaar, das häufig einen Nachmittag im Café verbringt, zu einem Glas Tee eingeladen: „Der ältere Herr und ich, wir diskutierten über Fußball.“
Manchmal erzählt Markus Beck einem Stammgast, den er schon oft bedient hat, auch ein wenig von sich. Dass er drei Semester lang Betriebswirtschaftslehre studiert hat, bevor seine Krankheit ausbrach. Und dass er schon häufig in Kliniken war. „Ich gehe offen mit meiner Erkrankung um“, sagt er. Deshalb war es für ihn auch kein Problem, sich als Mitarbeiter eines Cafés, das bekanntermaßen von seelisch Kranken in Betrieb gehalten wird, zu outen: „Ich fühle mich nicht minderwertig.“
Mit seinen Kollegen kommt Markus Beck blendend aus. 30 Männer und Frauen aus der Region arbeiten derzeit im Café Perspektive oder in einem der drei anderen Projekte des BRK. Neben dem Café Perspektive betreibt das BRK Bistros an der Universität am Wittelsbacherplatz, an der Sport-Uni sowie im Friedrich-Koenig-Gymnasium.
Viele Beschäftigte arbeiten schon mehrere Jahre in einer dieser Einrichtungen. Drei Mitarbeitern gelang es im vergangenen Jahr, in den ersten Arbeitsmarkt zu wechseln. Im Herbst 2011 konnte erstmals ein Mitarbeiter als Azubi übernommen werden – er lernt im Café Perspektive Koch.
Laufkundschaft gibt es für das integrative Lokal nicht. Die Einrichtung befindet sich außerhalb der City in direkter Nachbarschaft des Waldfriedhofs. „Hier ein Café mit seelisch erkrankten Beschäftigten zu eröffnen, erschien uns vor zehn Jahren schon als gewagt“, gibt Schmitt-Prinz zu. Heute ist er froh, dass das BRK zusammen mit der Stadt das Wagnis einging. Denn die Akzeptanz ist gut. Wanderer kommen hierher, Menschen, die einen Angehörigen beerdigt haben, und, so Markus Beck: „Immer mehr Leute, die bei uns Geburtstag feiern.“ Ende Februar wird das Team bei einer Burnout-Tagung in Würzburg erstmals für das Catering der Kongressgäste sorgen.
Selbst nach mehrjähriger Tätigkeit im Café Perspektive schaffen die meisten den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nicht. Was keineswegs an ihren intellektuellen Fähigkeiten liegt, betont Sonja Grabs: „Wir haben Menschen wie Markus Beck, die zu studieren begonnen haben. Andere haben sogar ein abgeschlossenes Studium.“ Alle sind kollegial, motiviert, geschickt, freundlich – eigentlich Traumarbeitnehmer.
Nur eines können sie nicht abhaben: Stress. Und der ist „draußen“ in der Gastronomie hoch. Dennoch will sich Markus Beck im Herbst für einen Ausbildungsplatz im Restaurantfach bewerben. Natürlich sei das anstrengender als der Job im Café Perspektive, weiß er. Doch mittlerweile traue er sich das zu.
Café Perspektive
Förderer: Unterstützt wird das Projekt von der „Aktion Mensch“, dem Bezirk, dem Zentrum Bayern Familie und Soziales, Spendern und Sponsoren.
Geschichte: Sie 15 Jahren engagiert sich der Würzburger Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) für Zuverdienstprojekte für psychisch erkrankte Menschen. Mit dem Café Perspektive errichtete er vor zehn Jahren das erste Integrationsunternehmen, das sich am freien Markt behaupten muss.
Arbeitszeit: Die meisten Beschäftigten arbeiten an drei Tagen in einer Vier-Stunden-Schicht. Damit wird die Arbeitsbelastung an die Erkrankung angepasst. Das Lokal verfügt über 60 Innen- und 40 Terrassenplätze. Text: pat