Die einen fröstelt schon, wenn sie nur daran denken, die anderen haben großen Spaß – am Baden im (sehr) kalten Wasser. Einer von ihnen ist Andreas Bauer, und ihm geht es nicht nur um Badefreuden. Gesundheitliche Themen beschäftigen ihn schon länger. Saft- und Wasserfasten sind nur einige "Grenzerfahrungen", die Bauer schon erlebt hat. Auf das Eisbaden ist er im Jahr 2019 gestoßen.
Mittlerweile hat er zusammen mit einem Arbeitskollegen eine Eisbaden-Gruppe ins Leben gerufen. "Ich bin so ein Gemeinschaftstyp, alleine würde ich es auch nicht machen", sagt Bauer. Der "harte Kern" besteht zurzeit aus drei Leuten, die Gruppe werde aber stetig größer. Das Gruppengefühl ist den Teilnehmern sehr wichtig. Man hilft sich nicht nur dabei, die Kälte zu überwinden, die Gruppe gibt auch Sicherheit für Einsteiger.
Die Gruppe hilft bei der Überwindung
"Die meisten scheitern am eigenen Kopfkino", sagt Bauer aus Erfahrung. Die Kälte schreckt viele Menschen ab. Lilith Michel, die schon länger Teil der Gruppe ist, kann das bestätigen. Sie kann nachvollziehen, dass niemand frieren will. "Das ist wie beim Sport: Wenn ich jetzt durchhalte, geht's mir danach besser", rät Michel.
Beiden ist das Gruppengefühl sehr wichtig. Man hilft sich gegenseitig nicht nur dabei, die Kälte zu überwinden, die Gruppe gibt auch Sicherheit für Einsteiger. Da in Würzburg viele keinen Platz für eine Eistonne haben, war es für die Gruppe naheliegend, im Main oder auch im Erlabrunner Badesee zu baden. Der Main ist für Anfänger eher weniger geeignet, stehende Gewässer mit flachem Einstieg sind vorteilhafter. Dann kann man schneller wieder raus, falls man die Kälte nicht verträgt.
Beide erzählen von den positiven Effekten, die das Eisbaden mit sich bringt. "Da ich sehr viele Sachen gleichzeitig mache, kann ich die positiven Effekte nicht nur aufs Eisbaden zurückführen", sagt Bauer. Auch Michel schwärmt von der positiven Wirkung, die sie mit dem Eisbaden verbindet. "Seitdem habe ich weniger Schmerzen, bin leistungsfähiger und schlafe besser", sagt sie. Für Einsteiger rät Bauer, die Wim-Hof-Atmung, eine kontrollierte Hyperventilation, zu verwenden. "Das Atmen zusätzlich zum Eisbaden ist extrem hilfreich", so Bauer. Dazu empfiehlt er, eine Mütze zu tragen und die Hände aus dem Wasser zu halten.
Jeder sollte selbst prüfen, ob er für sich einen Vorteil sieht
Wer noch keine Erfahrung im Eisbaden hat, sollte das Ganze vorsichtig angehen. "Man sollte nicht gleich wortwörtlich ins kalte Wasser springen", so Prof. Dr. Willibald Hochholzer, Chefarzt der Medizinischen Klinik-Kardiologie und Internistischen Intensivmedizin am KWM-Standort Juliusspital. Grund hierfür ist, dass Menschen vom Kreislauf her unterschiedlich auf Temperaturschwankungen reagieren können. Er empfiehlt, sich langsam an die Temperatur heranzutasten und in Begleitung Eisbaden zu gehen. "Da im direkten Kontakt mit Wasser viel Energie übertragen wird, kann man schnell unterkühlen. Daher sollte die Zeit im Wasser unter zwei Minuten bleiben – auch wenn Profis es hier durchaus länger aushalten. Im Anschluss sollte die Möglichkeit zur raschen Erwärmung gegeben sein", so Hochholzer.
In der Medizin gibt es schon länger Kältetherapien, zum Beispiel bei der Behandlung von rheumatischen Gelenkerkrankungen. Hinsichtlich des Eisbadens gibt es allerdings eine Diskrepanz zwischen den Fakten und den subjektiven Eindrücken. "Neben Berichten über eine Verbesserung von eher subjektiven Eindrücken wie dem allgemeinen Wohlbefinden oder gefühlt weniger Infekten liegen auch Ergebnisse für relativ gut messbare Punkte vor: Senkung des Blutdruckes, Aktivierung des Stoffwechsels, antidepressive Wirkung und Aktivierung des Immunsystems. Zusammenfassend handelt es sich aber um eher kleinere Untersuchungen und es ist nicht belegt, dass Eisbaden z.B. eine Alternative zur konventionellen Blutdrucktherapie darstellt. Daher sollte jeder für sich selber prüfen, ob es individuell einen Vorteil bringt", so Hochholzer.
Wann aufs Eisbaden verzichtet werden sollte
In gewissen Fällen sollte allerdings auf das Eisbaden verzichtet werden. "Plötzliche Temperaturänderungen stoßen eine Reaktion des vegetativen Nervensystems an. Im Extremfall kann dies bis zum Schock und Kreislaufversagen oder lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen führen. Bei Patienten mit Herzmuskelschwäche kann der Kreislauf häufig die durch die Kälte bedingte Umstellung nicht kompensieren, weshalb man in diesem Fall von Eisbaden abrät", sagt Hochholzer.
Dasselbe gelte für Patienten mit Durchblutungsstörungen insbesondere an Herz oder Beinen, da die Gefäße sich durch den Kältereiz bedingt zusammenziehen und eine kritische Durchblutungsstörung auslösen können. "Gerade im fortgeschrittenen Alter oder bei bereits bestehenden Begleiterkrankungen erscheint daher ein Check-Up und Beratungsgespräch beim Arzt im Vorfeld sinnvoll."
Selbstversuch bei 8 Grad Wassertemperatur
Um sich selbst ein Bild vom Eisbaden zu machen, hat der Verfasser des Artikels den Selbstversuch gewagt – an einem Sonntagmorgen Ende Februar beim Erlabrunner Badesee, gemeinsam mit Mitgliedern der Würzburger Gruppe. An diesem Tag lag die Wassertemperatur bei 8 Grad, für erfahrene Eisbader also schon im wärmeren Bereich. Die Kälte kostete dann tatsächlich große Überwindung, aber die Gruppe nahm die Angst. Nach dem Baden folgten das Glücksgefühl, den Test gemacht zu haben, außerdem ein wohliges Kribbeln am Körper – aber auch eine leichte Erkältung an den nächsten Tagen.