Man muss schon Humor haben, um ein 500 Jahre altes Gebäude „neu“ zu nennen. Die Ochsenfurter jedoch scheinen nichts dabei zu finden: Ihre Verwaltung residiert im sogenannten „Neuen Rathaus“ aus dem Jahre 1497. Jetzt ist der markante Bau aber doch in die Jahre gekommen. Die Sanierung ist unumgänglich geworden.
Bevor sie beginnen kann, muss eine Befunduntersuchung vorgenommen werden, die vor Kurzem begonnen hat.
Von außen deutet nur eine Schuttrutsche, aufgehängt an einem der oberen Fenster und in einem Container endend, auf bauliche Tätigkeiten im Innern hin. Doch wer durch die Eingangstür tritt, bleibt erst einmal verunsichert stehen. Wo früher linker Hand das Bürgerbüro war: Baustelle. Der Raum auf der rechten Seite: Baustelle. Und geradeaus versperrt eine Brandschutztür den Weg. Durch sie hindurch müssen die Bürger, wenn sie im Rathaus etwas zu erledigen haben.
Von der Ergebnissen hängen die Kosten ab
Die Verwaltung durfte zwar bleiben, einige Büros mussten aber umziehen. Denn im Rathaus wird mächtig gewütet. In etlichen Räumen fehlen teils die Deckenverkleidungen, Gerüste stehen herum, Schutt liegt am Boden.
Restauratoren und Architekten gucken hinter Putz und Vertäfelungen, denn sie müssen wissen, in welchem Zustand sich die Bausubstanz befindet und wie bei der Sanierung damit umgegangen werden soll. Von den Ergebnissen der Untersuchung hängt auch die Höhe der Kosten ab und die dafür zu erwartende Förderung.
Im Herbst soll die Untersuchung abgeschlossen sein. Zum Jahreswechsel hofft Bürgermeister Peter Juks auf Erkenntnisse, wie die Sanierung ablaufen und wie das Rathaus danach aussehen soll. Etwa, wo ein für die Barrierefreiheit wichtiger Aufzug seinen Platz finden könnte. Und im Herbst 2020, so die vorläufige Planung, könnte die Sanierung beginnen.
Der Zustand ist schlimm, aber normal
Einfach wird das nicht werden, sagt Architekt Fritz Staib, der gemeinsam mit seiner Kollegin Silja Wiener vom Architekturbüro Wiener und Partner als Arbeitsgemeinschaft mit dem Projekt befasst ist. Denn das Ochsenfurter Rathaus sei eines der schönsten sowie kunst- und kulturhistorisch wichtigsten Rathäuser in Franken, so Staib. Leider aber auch in einem beklagenswerten Zustand. „Das Gebäude ist sehr krank“, erklärt der Architekt. Große Teile der hölzernen Tragwerke seien kaputt und würden schon seit Jahren durch Notsicherungen unterstützt.
Gleichzeitig beruhigt er: „Der Zustand ist zwar schlimm, aber das ist bei so alten Gebäuden normal.“ Was Fritz Staib besonders gerne in Erfahrung bringen möchte, ist das Alter der Geschossdecke auf der rechten Gebäudeseite. Das Rathaus, erklärt Staib, besteht aus drei Teilen, die zeitlich nacheinander errichtet wurden. Der vordere Teil, vom Marktplatz aus gesehen, ist der älteste. Um 1480 dürfte die Stadt den Bau des Rathauses in Angriff genommen haben.
Ein Vorgängerbau wurde einbezogen
Beim Bau wurde aber ein schon vorhandenes Gebäude mit einbezogen und aufgestockt – der besagte Teil auf der rechten Seite, wo sich bisher der barrierefreie Eingang befand. Wie alt dieser Vorgängerbau ist, weiß man nicht. Für Architekt Staib wäre es nun geradezu ein Fest, wenn, worauf Einiges hindeutet, die Geschossdecke in diesem Gebäudeteil noch die Originaldecke wäre. Denn aus einem Balken dieser Decke kann ein Bohrkern gezogen werden, der dendrochronologisch untersucht wird. Mit dieser Untersuchungsmethode, erklärt Staib, kann das Alter der Balken bis aufs halbe Jahr genau datiert werden.
Interessant ist auch der Zustand der Decke im Bürgerbüro. Die Balken sind rabenschwarz – ein Hinweis darauf, dass es hier einmal gebrannt hat. In den Räumen in den oberen Stockwerken lassen die Balken erkennen, dass früher die Raumaufteilung anders war. Erhalten sind wertvolle Balkenbohlendecken, und teilweise finden sich an den Decken auch noch Malereien. Derlei Attraktionen würde man natürlich künftig gerne zeigen, sagt Fritz Staib.
Bürgerbüro soll Ende Juni wieder nutzbar sein
Aber ob das möglich sein wird, muss im Kontext der Nutzung entschieden werden. Denn das Ochsenfurter Rathaus ist kein Museum, sondern Sitz der Verwaltung, und soll das auch bleiben. „Es ist ein Spagat zwischen der modernen Nutzung und der Finanzierbarkeit“, erklärt Bürgermeister Juks. Deshalb könnte es auch sein, dass die Bemalungen nur dokumentiert werden, dann aber wieder hinter einer Verkleidung verschwinden.
Während Fritz Staib gespannt auf das Ergebnis der dendrochronologischen Untersuchung wartet, gehen die Arbeiten in den anderen Räumlichkeiten weiter. Denn das Bürgerbüro, so der Plan, soll Ende Juni bereits wieder nutzbar sein.