Frage: Was ist die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL) und wie lange gibt es sie schon?
Edith Sachse: Die AbL, die es seit 1983 gibt, ist ein Zusammenschluss von konventionell und ökologisch wirtschaftenden landwirtschaftlichen Betrieben, die erkannt haben, dass die bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland, Europa und weltweit zunehmend bedroht wird durch industrielle Betriebsgrößen und weltmarktorientierte Preise. Überschaubare und nachhaltig wirtschaftende Höfe mit wenig Rationalisierungsmöglichkeiten müssen bei niedrigen Erzeugerpreisen und Subventionen, die fast ausschließlich an der Größe des Betriebs festgemacht sind, hart ums Überleben kämpfen. Das darf nach unserer Ansicht nicht so weitergehen. Deshalb ist unsere langjährige Forderung „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ heute aktueller denn je. Der sogenannte Strukturwandel ist nämlich in Wahrheit ein brutaler Verdrängungswettbewerb, bei dem viele Höfe unwiederbringlich verloren gehen.
Wie viele Mitgliedsbetriebe gibt es in Unterfranken und im Landkreis Würzburg?
Sachse: Die AbL ist ein deutschlandweiter Verein mit 2000 Mitgliedern. Die AbL Bayern hat 600 Mitglieder, in Franken sind es circa 120.
Was sind die Hauptziele der AbL?
Sachse: Die AbL setzt sich auf verschiedenen Ebenen dafür eine, dass landwirtschaftliche Betriebe nicht gezwungen sind, ihr Wirtschaften dem Diktat von Dumpingpreisen und immer schnellerem Wachstum zu unterwerfen. Wir verstehen uns auch als Alternative zum Deutschen Bauernverband, weil wir konsequent die Interessen der klein- und mittelbäuerlichen Familienbetriebe vertreten, statt Wachstum, Intensivierung und Weltmarktorientierung zu propagieren. Unser oberstes Ziel ist der Erhalt möglichst vieler bäuerlicher Betriebe. Dafür kämpfen wir an verschiedenen Fronten und fordern faire Preise für Lebensmittel, die nur realisiert werden können, wenn man sich von der starken Exportorientierung der deutschen Landwirtschaft verabschiedet.
Was bedeutet für Sie bäuerliche Landwirtschaft?
Sachse: Wichtig sind für mich der verantwortungsvolle Umgang mit Tieren, Pflanzen und Boden, in einer Größenordnung, in der ich auch noch ein Gefühl für „meine Produktionsfaktoren“ entwickeln kann. Das Denken in Kreisläufen und die Verbundenheit mit der Natur, dem Hof und dem Dorf gehören dazu, ebenso selbstbestimmtes Arbeiten, das Arbeiten mit der Familie und vielleicht einigen wenigen Helfern. Ziel ist es, ein gutes Einkommen zu erwirtschaften, aber immer vor dem Hintergrund, der Natur, dem Tier und dem Boden dabei keine Gewalt anzutun. Der Hof soll auch für künftige Generationen noch attraktiv sein.
Was kann bäuerliche Landwirtschaft leisten?
Sachse: Bäuerliche Landwirtschaft leistet mannigfaltige Aufgaben für die Gesellschaft: Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel, Erhaltung unserer vielfältigen und artenreichen Kulturlandschaft, Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem Land, Beitrag zu sauberem Wasser und lebendigen Dörfern. All das ist von der Gesellschaft gewollt und kann von einer industriellen Landwirtschaft nicht geleistet werden, wie die heutigen Missstände deutlich zeigen. Ausgeräumte Landschaften, belastetes Grundwasser, Lebensmittel mit Pflanzenschutzmittelrückständen, Artensterben… Die Liste der von der Landwirtschaft verursachten Probleme ist lang.
Die ABL kämpft unter anderem für eine gentechnikfreie Landwirtschaft und fordert: Keine Gentechnik durch die Hintertür. Warum ist das so wichtig?
Sachse: Gentechnisch veränderte Pflanzen werden von einer großen Bevölkerungsschicht und von fast allen Landwirten in Deutschland abgelehnt. Die Risiken sind nach wie vor hoch und der Anbau muss weiterhin unterbunden werden. Was viele Verbraucher nicht wissen, ist, dass gentechnisch veränderte Futtermittel in der konventionellen Landwirtschaft sehr wohl erlaubt und allgemeiner Standard in der Tierfütterung sind: Fleisch, Milch und Eier, die nicht ausdrücklich als gentechnikfrei gekennzeichnet sind, wurden mit Gen-Soja erzeugt. Die AbL befürwortet deswegen eine klare Produkt-Deklaration von Gentechnik in der Fütterung. Ebenso fordern wir, dass die seit einigen Jahren neu entwickelten molekularen Techniken in der Tier-und Pflanzenzucht (z.B. Cisgenetik oder Genome-Editing) streng reguliert und dem Gentechnik-Gesetz unterworfen werden. Sie sind sowohl aus rechtlicher als auch aus naturwissenschaftlicher Sicht weit mehr als „konventionelle Züchtung“ und es ist nichts über ihre langfristigen Folgen bekannt. Schon allein aus Vorsorgegründen müssen diese Techniken als Gentechnik eingestuft werden, um nicht „über die Hintertür“ in die Futtertröge und die Teller zu gelangen.
Auch der freie Nachbau von Saatgut für die Bauern ist Ihnen ein großes Anliegen. Warum?
Sachse: Nachbau, das heißt das Aussäen von Saatgut aus der eigenen Ernte im folgenden Jahr, ist ein uraltes Recht der Bauern, das ihnen jedoch seit 1998 von den Saatgutzüchtern streitig gemacht wird. Die Züchter verlangen seitdem von den Bauern Lizenzgebühren – nicht nur für das von ihnen gekaufte Saatgut, sondern auch für den Nachbau daraus. Diese Gebühren werden von der SaatgutTreuhandVerwaltungsGmbH mit zum Teil dubiosen Methoden eingetrieben. Die AbL streitet dafür, dass das Recht auf freien Nachbau uneingeschränkt wiederhergestellt wird. Gerichtliche Erfolge auf nationaler und EU-Ebene konnten hier schon erreicht werden.
Wie steht die AbL zur Glyphosat-Frage?
Sachse: Der Einsatz des Totalherbizides ist eine Bedrohung der Artenvielfalt und des gesamten Ökosystems wegen der negativen Auswirkungen auf Bodenleben, Grundwasser, Gewässer und Feuchtbiotope. Zudem führt die häufige Anwendung zu Resistenzbildung. Die AbL tritt deshalb dafür ein, dass Glyphosat nach seiner skandalösen Weiterzulassung in Europa, nun in Deutschland verboten wird. Parallel zum Verbot müssen in der Forschung und Beratung Formen des Ackerbaus ohne Totalherbizide und die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes intensiv in den Vordergrund gestellt werden.
Die AbL Bayern hat ein punktebasiertes Modell zur Förderung ökologisch nachhaltiger Landwirtschaft erarbeitet. Wie sieht das konkret aus?
Sachse: Unser neues Fördermodell soll den Bauern wieder eine Perspektive für die Zukunft geben und kleine und mittlere Betriebe wettbewerbsfähig erhalten. Über ein Punktesystem sollen neun Kriterien in die Berechnung der Fördergelder aufgenommen werden. Diese sind unter anderem Schlaggröße, vielfältige Fruchtfolge, Leguminosenanteil, Verzicht auf Totalherbizide, Grünlandanteil, Grünlandextensivierung sowie artgerechte Tierhaltung. Die Punkte, die sich aus oben genannten Kriterien ergeben, werden zusammengezählt und ergeben die Basisprämie, die sich dann durch Multiplikation mit der Hektarzahl auf die Gesamtförderung auswirkt. Somit spiegeln sich die Art der Bewirtschaftung und die Betriebsstruktur auch in der Flächenprämie wider, im Gegensatz zur bisherigen Flächenprämie, die undifferenziert als Hektarprämie ausbezahlt wurde.
Welche Erfolge konnte die AbL bisher erzielen und welche waren Ihre größten?
Sachse: Ein Erfolg, den ich der AbL zuschreibe ist ganz persönlicher Natur. Die AbL hat mir als Bäuerin auf einem kleinen, vielfältigen Betrieb Selbstvertrauen gegeben. Selbstvertrauen, dass das, was ich tue, auch wenn es so ganz anders ist, als das was meine Nachbarn tun, wichtig und richtig ist. Als ich den Hof von meinen Eltern übernommen hatte, wusste ich zwar, dass ich nicht intensivieren und auch nicht wachsen wollte, aber ich war sehr unsicher über die Zukunft des Betriebs. In dieser Zeit hat mich die AbL aufgefangen; ich wusste, es gibt noch mehr Bauern, die so denken wie ich. Nach und nach kamen dann auch die Bestätigungen von den Kunden und aus dem Dorf. Betrachtet man die Gesamtgesellschaft in den letzten Jahren, ist es ein großer Verdienst der AbL, durch ihre Netzwerkarbeit auf allen gesellschaftlichen Ebenen die verschiedenen Interessen zu bündeln. Nicht nur die große Demo in Berlin mit 30 000 Teilnehmern und 160 Schleppern dieses Jahr, auch der Stimmungswandel in der Gesellschaft hin zu einer Unterstützung der bäuerlichen Landwirtschaft ist ein Erfolg der AbL.
Und noch eine letzte Frage: Wie sieht für Sie der landwirtschaftliche Betrieb der Zukunft aus?
Sachse: Die Frage ist gar nicht so sehr, wie der einzelne Betrieb aussieht. Das wird sehr individuell und vielfältig sein. Wichtig ist, dass es viele Betriebe sein werden. Nicht mehr nur noch ein einziger Vollerwerbsbetrieb, wie in vielen Dörfern schon Realität, sondern viele Höfe, die vielen Menschen Arbeit geben und die Nahrungsmittel für ihre nähere Umgebung produzieren, statt die Ernte von vielen Hektar Monokultur hunderten von Tieren zu füttern, die dann exportiert werden. Jedes Dorf sollte in der Lage sein, sich mit Getreide, Gemüse, Fleisch, Milch und Eiern selbst zu versorgen und die Überschüsse in städtische Gebiete zu liefern. Dabei wird sich auch das Handwerk wieder in den Dörfern ansiedeln, um die lokale Verarbeitung sicherzustellen.
Zur Person
Edith Sachse ist seit 2009 stellvertretende Vorsitzende der AbL-Regionalgruppe Franken (Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft). Gemeinsam mit ihrem Mann Uwe bewirtschaftet sie einen Nebenerwerbsbetrieb mit Direktvermarktung von Geflügel, Eiern, Kartoffeln und saisonalem Gemüse im Unterpleichfelder Ortsteil Burggrumbach. Weitere Infos unterwww.abl-bayern.info
„Alles bio? Alles billig? - Regional ernähren wollen sich viele. Gesund soll unser Essen sein und am besten bio. Aber wie kriegen wir eine gute Versorgung mit regionalen Produkten hin? Was können Erzeuger tun, was die Händler – und was die Verbraucher?" Zu diesem Thema findet am Dienstag, 6.März, von Main-Post und Rudolf-Alexander-Schröder-Haus um 19 Uhr im Schröder-Haus (Wilhelm-Schwinn-Platz 3) das StadtGespräch statt.
Teilnehmer sind Steffen Jodl (Bund Naturschutz), Eva Friedrich (eva's - natürlich lecker, Unterpleichfeld), Marco Trabold (Edeka-Märkte), Michael Stolzenberger (Obmann Bayerischer. Bauernverband) und Maria Groß (Verbraucherin).
Bitte lassen Sie sich nicht entmutigen und gehen weiter Ihren Weg. Zufriedene Kunden wie meine Familie danken es Ihnen.
Seit wir Ihre Masthähnchen kennen, mögen wir kein "Fabrikgeflügel" mehr essen.