
Der Sturm auf die Festung Marienberg Mitte Mai 1525 und die Niederlage der Bauernheere waren die Wendepunkte, sagt Ulrich Wagner. Die „erste breite Massenerhebung in der deutschen Geschichte“ war für die Aufständischen verloren.
Das Thema „Bauernkrieg in Franken“ wird Ulrich Wagner auch im Ruhestand nicht loslassen. Ende 2014 schied der Direktor des Stadtarchivs Würzburg aus dem Amt. Als krönenden Abschluss hat er sich im Herbst noch einen Wunschtraum erfüllt: eine Internationale Tagung. Ulrich Wagners Mitorganisatoren waren Professor Franz Fuchs, Inhaber des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte, sowie Claudia Lichte, Leiterin des Mainfränkischen Museums.
Der Ort der „gut besuchten“ Tagung war laut Wagner optimal gewählt, denn die Festung Marienberg war einer der Hauptschauplätze des fränkischen Bauernkriegs und Würzburg einer der zentralen Brennpunkte. 489 Jahre nach dem Aufstand diskutierten hier am historischen Ort rund 20 Wissenschaftler über die Ereignisse von damals. Es wird nicht der letzte Austausch gewesen sein über die viel zitierte „Revolution des gemeinen Mannes“. Für Ulrich Wagner war die Tagung allerdings ein Höhepunkt in seiner Laufbahn – ein Wendepunkt. Fortan wird er noch mehr Zeit haben, sich seinem „akademischen Steckenpferd“ zu widmen. Vor allem die Herausgabe des Tagungsbandes wird ihn und die beiden Mitherausgeber Franz Fuchs und Claudia Lichte in den nächsten Monaten beschäftigen. Er soll spätestens im Ende 2015 erscheinen.
Eigens für die Veranstaltung habe er seinen Vortrag über „Die Stadt Würzburg im Bauernkrieg“ völlig überarbeitet, erzählt Ulrich Wagner. Neue Details über die Geschehnisse im Grafeneckart seien bei seinen Forschungen ans Licht gekommen. „Meine Hauptquelle waren die Aufzeichnungen des Würzburger Stadtschreibers Martin Cronthal und nicht der meist im Mittelpunkt stehende Bericht des Chronisten Lorenz Fries, der die Sicht des Landesherren beziehungsweise des Siegers wiedergibt“, so Wagner. Fries war der Sekretär des Fürstbischofs Konrad von Thüngen. „Cronthal dagegen schreibt aus der Sicht der Unterlegenen; er hat alle Vorgänge in der Stadt im Gegensatz zu Lorenz Fries hautnah erlebt und im Auftrag von Bürgermeistern und Rat mit den Vertretern des Landesherrn und am Ende mit den Fürsten selbst verhandelt.“
Kurz zusammengefasst sollte der Sturm auf die Festung den Bauern in Franken endgültig zum Sieg verhelfen. Der Aufstand nahm im Südwesten des Reichs, im Oberrheingebiet, in Württemberg und in Oberschwaben, seinen Anfang. Auch in Franken beziehungsweise im Hochstift Würzburg, ebenso in Thüringen, begehrten kurz darauf nicht nur die Bauern, sondern auch zahlreiche Bürger gegen hohe Steuern und Abgaben auf. Speziell Würzburger Forderungen waren, so Wagner, „eine Stärkung städtischer Zuständigkeiten wie die Übertragung der Polizeigewalt und eine Kontrolle des Fürstbischofs durch Vertreter von Stadt und Land“.
Die Aufständischen waren jedoch letztlich, als sie ihre Forderungen mit Gewalt durchsetzen wollten, zu wenig geübt in der militärischen Kampfführung. Die Bauernheere, die aus mehreren Richtungen nach Würzburg zogen, scheiterten gegen die zwar zahlenmäßig unterlegenen, aber bestens gerüsteten Verteidiger der Festung unter Führung des fürstbischöflichen Hofmeisters Sebastian von Rotenhan.
Mit dessen Rolle beschäftigte sich Professor Franz Fuchs. „Dass ich auf der Referentenliste stand, ist nur einem Zufall zu verdanken“, sagt der Mittelalter-Spezialist. So „wilderte“ er in der frühen Neuzeit, weil er im Privatarchiv der Nachkommen des Nürnberger Humanisten Christoph Scheurl auf ein bislang unbekanntes Originalmanuskript von Sebastian von Rotenhan stieß.
Darin schildert Rotenhan seinem Studienfreund Scheurl die Ereignisse in den kritischen Tagen „der beurischen auffrur“ auf dem Marienberg. So hat der Hofmeister laut Professor Fuchs dafür gesorgt, dass die Festung mit genügend „proviandt, leuten und anderer notdorfft“ ausgestattet wurde, die für eine einjährige Belagerung ausgereicht hätten.
Bisher nicht bekannt war, so Fuchs, dass eigentlich nicht Rotenhan, sondern der Domprobst Markgraf Friedrich von Brandenburg die Verteidigung der Festung organisieren sollte, sich aber sträubte, dieses Amt zu übernehmen, weil er „der kriegshendel unverstendig“ sei. Zudem schildere der Hofmeister, dass die Bauern zum Glück für die Verteidiger über keine „scharfe Metze“, also über keine der damals größten Kanonen verfügt hätten, die zum Mauerbrechen verwendet wurden. „Auch über die Kommunikationswege, mit denen Rotenhan in Verbindung mit dem Bischof und den Bundestruppen blieb, gibt es neue Details“, informiert Professor Fuchs: Die Korrespondenz sei chiffriert gewesen „durch unbekante puchstaben“, nur Sebastian von Rotenhan habe den Schlüssel dazu gehabt.
Trotz vieler neuer Erkenntnisse „ist das Thema Bauernkrieg noch nicht zu Ende“, resümiert Ulrich Wagner. Und auch Franz Fuchs ist sich sicher, dass die Forschung durch die interdisziplinären Vorträge auf der Tagung zwar vorangebracht wurde, es jedoch „noch viele Punkte zum Vertiefen“ gibt.
Ulrich Wagner hat sich für die nächste Zeit nicht nur weitere Forschungen zu Stadtschreiber Cronthal und seinem Verhältnis zur Reformation vorgenommen. Der scheidende Stadtarchivdirektor ist überzeugt, „dass für die Stadt Würzburg der Aufruhr primär aus wirtschaftlichen und sozialen Beweggründen gesteuert wurde“. Inwieweit auch reformatorische Einflüsse vorhanden waren, die laut Wagner seit 1521 in Franken Fuß gefasst hatten, „lässt sich nur schwer einschätzen“. Und: „Eine Verbrüderung des Bürgertums mit den Bauern fand nur unter Zwang statt.“ Dennoch habe es gemeinsame Ziele gegeben, zum Beispiel: „Die privilegierte Geistlichkeit und der Adel sollten ausgeschaltet, Klöster und Stifte säkularisiert werden.“
Ulrich Wagner möchte darüber hinaus auch die Person Georg Truchsess von Waldburg-Zeil noch näher beleuchten. Der oberste Heerführer der Bundestruppen, der auch unter dem Namen „Bauernjörg“ bekannt wurde, hatte durch sein geschicktes wie grausames Vorgehen wesentlich zur Niederlage der Bauern beigetragen. „Der Mann war militärisch ein Genie,“ meint Wagner, „und skrupellos.“
Dass Milde nicht seine Sache war, bewies der Bauernjörg auch am 8. Juni 1525, als über die Verlierer ein unerbittlich hartes Strafgericht hereinbrach. „Die Würzburger mussten sich morgens um 7 Uhr auf der Domstraße versammeln, die Bevölkerung aus dem Hochstift auf dem Rennweg und alle anderen Auswärtigen auf dem Platz vor der Marienkapelle“, so Wagner. Rädelsführer, aber auch Unschuldige wurden sofort enthauptet, der Stadtrat ins „Loch“, ins städtische Gefängnis geworfen, etliche Bürger auf der Burg inhaftiert, darunter Martin Cronthal. Der vom Fürstbischof angeordnete Schadenersatz fiel hoch aus.
Die für kurze Zeit verbündeten Bauern und Bürger hatten letztlich nicht nur verloren, sie hatten weniger als vor ihrem Aufbegehren gegen die Obrigkeit. Kein Wunder, dass laut Ulrich Wagner „der Widerwille gegen die Herrschaft existent blieb“.