Der Trend ist im Grunde nicht neu. Aber es hat ein bisschen gedauert, bis er sich auch hier durchgesetzt hat: Süßkartoffeln! In peruanischen Höhlenmalereien wurde die Knolle schon vor 10 000 Jahren verewigt. Ja, sie brachte die Menschen wohl dazu, überhaupt einmal sesshaft zu werden. Mit Tomate, Kartoffel, Gartenbohne, Paprika und Mais kam auch die Süßkartoffel dann durch spanische Entdecker und Eroberer aus Südamerika nach Europa. Aber über das südliche Spanien schaffte es das Gemüse nicht hinaus.
Jetzt aber ist die Süßkartoffel da! Sie ist die hippe Superknolle, macht der Kartoffel als Pommes, Chips oder Gratin Konkurrenz. Taucht in Szeneläden und Lokalen auf – gekocht, gebacken, frittiert und gestampft. Oder als Toastie – da kommt die Kartoffel dann wirklich nicht mehr mit.
Hauptnahrungsmittel mit Riesenmarkt, vor allem in China
Bataten, wie die Süßkartoffeln auch genannt werden, sind ein Hauptnahrungsmittel der Menschen und gehören zu den den wichtigsten Knollengewächsen für die Ernährung überhaupt. Weltweit stehen sie auf Platz drei hinter Kartoffel und Maniok. Das bedeutendste Anbauland ist heute China. Etwa zwei Drittel der Weltproduktion von 120 Millionen Tonnen gedeiht auf chinesischen Feldern. Der Appetit wächst seit einiger Zeit aber vor allem in Europa rasend schnell: Allein im Jahr 2016 stieg das Importvolumen um 35 Prozent.
Warum erst jetzt? Mehr als 500 Jahre nachdem Christoph Kolumbus die ersten süßen Knollen mit nach Europa brachte? Die einfachste Erklärung, wie so oft, ist banal: Es war einfach zu kalt. Zumindest früher. Im Vergleich zur Kartoffel braucht es die tropische Pflanze warm. In Spanien und Portugal fand sie passende Bedingungen vor und galt als Arme-Leute-Essen. Bis es sich in die Oberschicht herumsprach, die Knolle habe auch potenzsteigernde Wirkung . . .
Inzwischen wächst die Batate auch auf fränkischen Feldern. Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim hat vergangenes Jahr ein Süßkartoffel-Projekt gestartet: Im Ökologischen Gemüsebauversuchsbetrieb in Bamberg wurden 2016 zum ersten Mal Süßkartoffeln kultiviert.
Keine Kartoffel. Sondern ein Windengewächs der Gattung Prunkwinde.
Die Nachfrage nach den süßlichen, vielseitigen Früchten der Tropenpflanze hat in den vergangenen Jahren so zugenommen, dass auch heimische Gärtner und Kartoffelbauern von den Großhändler angefragt wurden: Könnt ihr nicht auch Bio-Süßkartoffeln anbauen? Nur, so einfach ist's nicht mit dem Trendgemüse: „Die Süßkartoffel ist eine ganz andere Pflanze mit ganz anderen Ansprüchen als die Kartoffel“, sagt Birgit Rauscher vom Versuchsbetrieb in Bamberg.
Gleicher Name und ähnliche Form haben wenig zu bedeuten, sind Solanum tuberosum, die Kartoffel, und Ipomoea batatas, die Süßkartoffel, sind botanisch überhaupt nicht verwandt: Die eine ist ein Nachtschattengewächs, die andere ein Windengewächs mit hübschen Trichterblüten. Deswegen hat es die Süßkartoffel auch schon als Zierpflanze in die Hausgärten geschafft.
Sie mag Wärme - auch nach der Ernte
Während bei der Kartoffel die Knollen in die Erde gesetzt werden, aus denen dann die neuen Pflanzen – und Knollen – entstehen, müssen bei der Süßkartoffel erst einmal die grünen Jungpflanzen kultiviert werden, sagt Birgit Rascher. In südlichen Ländern geht das im Freiland. In Bamberg haben die Gärtner die Knollen im März im Gewächshaus ausgelegt, austreiben lassen und dann die grünen Stecklinge geschnitten. Die Kulturzeit dauert dann von Juni bis Mitte September. Nach der Pflanzung kommen die Süßkartoffeln nur langsam in die Gänge, weil sie viel Wärme brauchen. Aber sonnige Tage im Altweibersommer lässt sie richtig dick werden.
Ergebnis: Die Süßkartoffel wächst auch hier!
Nach zwei Ernten können die Bamberger Versuchsgärtner sagen: Die Süßkartoffel wächst auch in unseren Breiten ganz gut. „Die Hauptschwierigkeit ist die Erntetechnik“, sagt Birgit Rascher. Die längliche Frucht: wächst nach unten: „Mit einem normalen Kartoffelroder schneidet man viele Knollen durch.“
Wichtig ist die warme Nachbehandlung nach dem Ernten, sagt Birgit Rascher. Wie ein Kürbis braucht die Süßkartoffel eine Woche bei viel Feuchtigkeit und gut 27 Grad, damit sich die Poren schließen, die dünne Schale aushärten und die Frucht haltbar werden kann. Die Stärke wird dabei zu Zucker. Einmal fest geworden, ist die Knolle gut lagerbar. Aber, wichtig, im Warmen! Kühl wie Kartoffeln darf man die Batate nicht aufbewahren. „Und im Kühlschrank geht sie kaputt.“ Wohl fühlt sich die Knolle bei 15 Grad und wärmer.
Für Gärtner auf dem Wochenmarkt interessant
Beim Versuch im ersten Testjahr kultivierten die Bamberger Gärtner verschiedene lizenzpflichtige Sorten mit solch schönen Namen wie „Bonita“, „Orleans“, „Evangeline“, „Erato orange“ und die der lizenzfreien Standardsorte „Beauregard“. Was den marktfähigen Anteil der Ernte betrifft, berichtet Rascher, schnitt die Sorte „Beauregard“ am besten ab. An zweiter Stelle: die hellschalige, weißfleischige „Bonita“. „Aber der Markt verlangt orangefleischige Knollen“, sagt Rascher.
Wie groß ist die Chance, dass man bald nicht nur Bataten aus Italien oder Spanien, Israel oder Brasilien im Supermarkt bekommt – sondern fränkische? „Aus gärtnerischer Sicht funktioniert es“, sagt LWG-Mitarbeiterin Birgit Rascher, „und für Betriebe, die auf dem Wochenmarkt verkaufen, kann es sich auch rechnen.“
Viel Ballaststoffe, viel Vitamine
Die Landesanstalt wird ihre Versuche jedenfalls erst einmal fortsetzen und weiter Anbaumethoden, Sorten und Erntetechniken testen. Was aber kann die Süßkartoffel, deren Schale farblich von gelb bis rot variiert, was die Kartoffel nicht kann? Sie ist reich an Ballaststoffen: 3,1 Gramm pro 100 Gramm, die Kartoffel hat nur 1,0 Gramm. Noch ein Plus: Sie steckt voller sekundärer Pflanzenstoffe, die im Körper freie Radikale binden und entzündungshemmend und gefäßschützend wirken. Außerdem ist die tolle Knolle voller Vitamine und enthält die „langsamen“ Kohlehydrate, die länger sättigen als die schnellen in Nudeln oder Weißbrot. Sozusagen die Schlank-Kartoffel, die man im Übrigen auch roh essen kann: zum Beispiel geraspelt als Salat.
Alles drin also, was man zum Leben braucht, nun aber halt auch „in“. Dass die Knolle uralt ist, spielt keine Rolle: In Deutschland hat die Süßkartoffel noch immer einen exotischen Beigeschmack. In hippen Burgerläden gilt die Süßkartoffel in Pommesform als „die“ Beilage. Und Foodbloggern punktet sie als Brownie, Lasagne, Curry, Püree, Puffer, Suppe, Gratin oder Toastersatz belegt mit Avocado. Vegan und glutenfrei – trendiger geht's nicht.
Schon genug davon? Es soll ja Menschen geben, die neuerdings von Maniok schwärmen . . .