Der Kirchenraum St. Johannis ist von Zeit umgeben. Die Würzburger Künstlerin Barbara Schaper-Oeser stellt an den Mauern des Gotteshauses Werke zum Thema Zeit aus. Die einfachste Form: vier Kreidestriche nebeneinander, ein fünfter quer hindurch direkt auf die Backsteine, und das mehrfach wiederholt. Das erinnert an eine bekannte Tages-Zählweise, allerdings bringt es den Betrachter keineswegs auf den Gedanken, die evangelische Kirche stelle ein Gefängnis dar. Ebensowenig übrigens konstruieren die 15 anderen Zeit-Bildnisse eine Aura von eitler Vergänglichkeit im Gegensatz zum Ewigkeitsbezug des religiösen Bauwerks. Vielmehr leitet jedes Kunstwerk zu einem Innehalten (in der Zeit) und zu stiller Meditation an.
Negative Assoziationen an Gefangensein und Vanitas verhindert bereits der Titel dieser großen Installation, aus dem Buch der Prediger: „Ein jegliches hat seine Zeit“, fortgesetzt: „…und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde.“ Zum Gelingen trägt die innere Einheit der Werke ebenso bei wie die vielfältigen Querbezüge zwischen ihnen. Die Kreidefigur der Zählstriche wiederholt sich in Holz und Blei an anderen Wänden. Oft formiert sie ein Quadrat, das – wie auch der eingeschriebene Kreis – ein Grundelement in Schaper-Oesers Schaffen darstellt.
Solche Übereinstimmungen müssen dem Betrachter nicht bewusst sein; präsent sind sie wohl gleich beim ersten Rundumblick.
Verborgenere Verbindungen kommen hinzu. So vermittelt ein Video die Vorstellung von Zeit durch den wegtreibenden Sand einer Düne. Eben dieses Material mischt die Künstlerin oft in die Farbpasten ihrer Gemälde. Und einen Dreh ins Persönliche bekommt ein solches Werkdetail obendrein: Die Erfahrung der Sandwüste brachte Barbara Schaper-Oeser einst dazu, sich von der figurativen Zeichnung ab- und der abstrakten Kunst zuzuwenden. Eine andere biografische Anspielung machen die Paramenten im Altarraum und die gleichfalls pinkfarbene Beleuchtung des Kruzifix. Die Farbe steht für das Sternbild der Künstlerin, die Waage, und symbolisiert also ebenfalls Zeit.
Einmal im Jahr lädt die Pfarrerin von St. Johannis, Susanne Wildfeuer, eine Künstlerin, einen Künstler oder eine Gruppe ein, das markante Gotteshaus neben der Feuerwache zur Kunstkirche zu machen. Schaper-Oeser folgte dem Ruf gern, „weil man hier vielleicht Leute erreicht, die der Kunst sonst eher fern stehen“.
Vor allem aber reizte sie die „Herausforderung, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen“. Und zwar mit einem, „das hoffentlich jeden betrifft“ – eben die Zeit. Quasi überwölbend kommt bei einer Ausstellung im Kirchenraum noch hinzu, dass sie ihre „Aussagen zum Thema Zeit in einen größeren Zusammenhang“ gestellt sieht.
Der ist für Barbara Schaper-Oeser nicht allein christlich. Gleich die ersten Werke rechts hinter dem Eingang widmete sie „den drei Religionen, die aus der Wüste kamen“.
Ausstellung „Ein jegliches hat seine Zeit“: Johanniskirche, Würzburg, Hofstallstraße 5. Geöffnet bis 31. Juli, täglich 9 bis 18 Uhr. Die Predigten bei den Sonntagsgottesdiensten um 9.30 und 11 Uhr gehen auf das Thema ein.