Das hatten sich die Vorstände etwas anders vorgestellt: Die geplante Fusion der kleinen Raiffeisenbank Thüngersheim mit der großen VR-Bank Würzburg ist geplatzt. Nachdem die Thüngersheimer Genossenschaftsmitglieder bei der entscheidenden Mitgliederversammlung diesen Plänen eine Abfuhr erteilten, behält das über 120 Jahre alte Geldinstitut – eine der zehn kleinsten Genossenschaftsbanken in Deutschland – seine Selbstständigkeit.
Von den 643 Mitgliedern kamen lediglich 129 zur Abstimmung. 77 von ihnen stimmten für die Fusion, doch diese Mehrheit reichte nicht aus. 20 Stimmen mehr wären nötig gewesen für die erforderlichen 75 Prozent. 51 lehnten die Verschmelzung ab.
„Mit diesem Ergebnis hatten wir nicht gerechnet“, sagt der Thüngersheimer Vorstandsvorsitzende Wolfgang Greulich, „aber wir müssen das akzeptieren“. Zur Entscheidung selbstständig zu bleiben, habe wohl auch der Zusammenschluss der Thüngersheimer Winzer mit der Nordheimer Divino-Winzergenossenschaft vergangenes Jahr beigetragen. „Offenbar wollten einige nicht noch eine örtliche Genossenschaft aufgeben“, beschreibt Greulich den Tenor in der Versammlung.
Dort sei auch der Vorwurf gefallen, man habe die Mitglieder „überfahren“ wollen, was Greulich nicht nachvollziehen kann. Nach der Bekanntgabe der Fusionspläne im März gab es im April eine Informationsversammlung. Damals habe sich kein Widerstand gegen die Fusion abgezeichnet, erinnert sich Greulich.
Auch Rainer Wiederer, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank, und sein Vorstandskollege Joachim Erhard waren „dann schon überrascht“ von der gefloppten Fusion. So etwas komme schon mal vor, sagt Wiederer, bei der Würzburger VR-Bank gebe es aber keinen vergleichbaren Fall. Der Anstoß zum Zusammenschluss sei von Thüngersheimer Seite aus erfolgt, die Vorstände hätten das Gespräch gesucht.
Laut Wiederer habe es bei der Infoversammlung kritische Nachfragen und Einwände gegeben. Man sei aber davon ausgegangen, dass diese bis zur Versammlung ausgeräumt und „der Basis“ die Vorteile der Fusion nahegebracht würden. An der entscheidenden Versammlung nahmen die Würzburger Vorstände auf Wunsch der Mitglieder nicht teil.
„Bedauerlicherweise kam der Zusammenschluss nicht zustande“, resümiert Wiederer, „denn das hätte gepasst und Sinn gemacht.“ Die Raiba Thüngersheim hätte sich als 47. Filiale gut ins Würzburger VR-Bank-Netz zwischen Karlstadt im Norden und Röttingen im Süden Gepasst eingefügt. Die Thüngersheimer hätten wegen der zunehmenden Auflagen zur Bankenaufsicht – gegen Geldwäsche und für mehr Anlegerschutz – Kosten gespart, ein Personalabbau war nicht vorgesehen.
Wiederer fühlt sich in seiner Auffassung bestätigt, dass die Fusion der richtige Weg gewesen wäre, denn trotz fehlender Prozentquote habe die Mehrheit diese schließlich befürwortet. Für die Würzburger VR-Bank sieht er trotz des Fusionsflops keine negativen Konsequenzen.
Und was machen die Thüngersheimer? Unmittelbar nach dem Mitgliederentscheid habe man die Suche nach einem neuen Vorstandsmitglied begonnen, berichtet Vorstandsvorsitzender Greulich. Sein Kollege Paul Schneider geht Mitte nächsten Jahres in Ruhestand – einer der Gründe für die geplante Fusion, zumal eine weitere Mitarbeiterin aus dem achtköpfigen Team altersbedingt ausscheidet.
Neben dem personell passenden Zeitpunkt für einen Übergang waren es aber die zunehmenden Auflagen zur Bankenaufsicht, die für alle Geldhäuser gelten, einem kleineren Institut aber einen überproportional höheren Aufwand bescheren. Diesen will Greulich nun mit mehr „Manpower“ stemmen und in Kooperation mit der Raiffeisenbank Altertheim, mit der man bei der Innenrevision bereits zusammenarbeite.
Existenzielle Probleme für die Bank befürchtet Greulich nicht. Schließlich habe man geordnete Verhältnisse, einen überdurchschnittlichen Eigenkapitalanteil – man hätte nicht zwangsweise fusionieren müssen. „Wir hatten in den vergangenen fünf Jahren keine Kreditausfälle und es zeichnen sich auch keine ab.“ Die Bank fahre weiterhin eine „konservative Anlagestrategie“, kündigt Greulich an. Das risikoarme Wirtschaften bringe allerdings ein relativ geringes Ertragsniveau mit sich. Er geht dennoch davon aus, dass die Erträge für die Rücklagenbildung und die Dividendenzahlungen an die Mitglieder auch künftig ausreichen.
Zur Personalplanung: Neben Vorstand Schneider bekommt die ausscheidende Mitarbeiterin einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin. Neben den zwei hauptamtlichen Vorständen zählt die Bank sechs Mitarbeiter. Die Genossenschaftsmannschaft ergänzen ein ehrenamtlicher Vorstand sowie drei Aufsichtsräte.
Der Fortbestand des Warengeschäftes – das nach der Fusion möglicherweise anders gestaltet werden sollte – sei gesichert. Für den im Herbst in Ruhestand gehenden Lagerhalter sei ein Nachfolger gefunden. Das Warengeschäft sei weitgehend auf den Bereich der Thüngersheimer Winzer ausgerichtet.
Die 1892 gegründete Bank hat 31 Millionen Euro Bilanzvolumen und betreut nach eigenen Angaben Kredite und Einlagen von Kunden in Höhe von 63 Millionen Euro. Zwei Drittel sind Privat–, ein Drittel Firmenkunden – vorwiegend im Bereich der Gemeinde.
Ob die Bank nun für immer und ewig selbstständig bleibt, hängt nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Situation ab. Eine Fusion in fernerer Zukunft möchte der Bankvorstand zumindest nicht ausschließen.