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WÜRZBURG
Bank-Experte: "Es wird schwieriger, Beratung zu bekommen"
Andreas Wex, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Commerzbank
Foto: Stefan Mantel, Commerzbank | Andreas Wex, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Commerzbank
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:41 Uhr

2019 könnte es mit den Zinsen wieder nach oben gehen: Davon geht Andreas Wex aus. Am Rande einer Veranstaltung in Würzburg sprach der Leiter Kapitalmarktanalyse der Commerzbank AG auch davon, dass Aktien nach wie vor zu empfehlen sind und dass Kunden auch in Mainfranken die Veränderung der Bankenlandschaft zu spüren bekommen.

Frage: Herr Wex, können Sie diese Frage noch hören: Wie soll ich denn jetzt mein Geld anlegen?

Andreas Wex: Die Frage, die mir in den letzten Wochen noch häufiger gestellt wurde, ist: Wir haben ein Allzeithoch beim Dax – soll ich denn jetzt überhaupt noch Aktien kaufen? Diese Frage kann ich eher nicht mehr hören.

Und was antworten Sie?

Wex: Die Antwort muss natürlich lauten: Aktien jetzt, ja. Aber jede Vermögensstruktur braucht eine vernünftige Diversifikation. Ich plädiere dafür, an den Börsen nicht zu spekulieren, sondern zu investieren. Dazu gehört eine breite Streuung über verschiedene Anlageklassen. Aktien sind somit ein unverzichtbarer Baustein der Vermögensanlage.

Sind auch Aktienfonds zu empfehlen?

Wex: Ist ja im Grunde das Gleiche. Sie gehören auf jeden Fall mit dazu. Aktienfonds streuen Risiken über eine Vielzahl von Einzelwerten. Im Wesentlichen werden Sie mit einem Aktienfonds die Performance im Aktienmarkt abgreifen. Es kommt bei Aktien immer die Frage nach dem Allzeithoch. Wir haben ja immer wieder ein Allzeithoch – wie weit soll es denn noch gehen? Die wenigsten Allzeithochs sind Wendepunkte. Es war bis auf wenige Ausnahmen immer so, dass es immer weiter nach oben ging um mindestens zehn bis zwanzig Prozent.

Angenommen, ich hätte 10 000 Euro übrig. Warum anlegen? Einfach das Geld ausgeben – wäre doch eine Alternative, oder?

Wex: (lacht) Klar, ausgeben ist immer eine Alternative. Die Frage ist letztendlich, was Sie mit dem Vermögen machen, das Sie nicht ausgeben. Es ist aber keine gute Entscheidung, zu sagen: Ich spare mein Vermögen nicht weiter, weil es nichts bringt und deshalb gebe ich es aus.

Apropos Geld ausgeben, Geld aufnehmen: Es gibt ja mittlerweile Finanzberater, die sagen, dass das Schuldenmachen das neue Sparen sei. Würden Sie das unterschreiben?

Wex: Nein, ganz im Gegenteil. Denn wenn ich Geld habe und gleichzeitig Schulden, etwa in Form einer Hypothek, dann ist die beste Geldanlage, sich zu entschulden. Ich zahle ja für meinen Kredit viel mehr Geld, als ich für meine ganzen Spareinlagen bekomme.

Stichwort Nullzins: Wann wird es wieder Geld fürs Geld geben?

Wex: Zinsen auf Tagesgeld, Sparkonto oder Girokonto – da werden Sie noch ein paar Jahre drauf warten müssen.

Sagen Sie mal eine Hausnummer: fünf, zehn, fünfzehn Jahre?

Wex: Nein, so lange nicht. Wir rechnen frühestens 2019 mit einem ersten Zinsschritt der EZB. Vorher sehe ich da keine Änderung.

Viele Menschen sehen es als gute Altersversorgung an, eine Immobilie zu haben. Ist es noch zeitgemäß, so zu denken?

Wex: Das ist nie verkehrt. Immobilien gehören zu einer vernünftigen Vermögensstreuung. Klar, unabhängig davon, dass man sich im Alter die Miete spart, muss man die Unterhaltskosten für die Immobilie reinrechnen. Die Renditen bei fremdgenutzten Immobilien sind auch nicht mehr so hoch.

Zwei, drei Prozent vielleicht. Das ist natürlich dann die Frage: Reicht mir das? Gut, auf dem Sparbuch sind es immer noch null Prozent. Die selbst genutzte Immobilie ist noch ein anderes Thema, weil es auch einen emotionalen Aspekt hat.

Die Wirtschaft in Mainfranken ist stark geprägt vom Mittelstand. Wie sollten diese Unternehmen ticken bei der Geldanlage?

Wex: Für diese Unternehmer geht es ja zunächst darum, Investitionen zu ermöglichen oder ein Polster für Auftragsausfälle zu haben und dergleichen. Aktien fallen hier wegen ihrer starken Schwankungen aus. Von daher sollten sich Unternehmer zunächst auf liquiditätsnahe Anlagen konzentrieren. Zudem ist es sinnvoll, längerfristig verfügbares Kapital in festverzinsliche Papiere zu investieren. Da wird es aber auch schon schwieriger. Denn ich muss ein höheres Risiko eingehen, um einen Ertrag zu erzielen. Der Unternehmer muss also wissen: Wenn er mehr aus seinem angelegten Geld machen will, muss er ins Risiko gehen. Oder er wird real Geld verlieren wegen der Inflation.

Vielen Unternehmen – auch hier in Mainfranken – geht es derzeit so gut, dass viele Chefs offenbar wegen des Alltagsgeschäfts gar keine Zeit haben, sich um strategische Fragen wie eben ihre Finanzen in Ruhe Gedanken zu machen. Können Sie das bestätigen?

Wex: Was Sie da ansprechen, ist in der Tat weit verbreitet. Unternehmer haben oft nicht die Zeit, aber auch nicht das Wissen, sich um das Vermögen zu kümmern. So lange man sich im normalen Rahmen bewegt mit Festgeldern und Festverzinslichem, kann eigentlich nichts passieren. Es entgeht dem Unternehmer höchstens etwas, sie verlieren höchstens Substanz über die Inflation. Schwierig wird es immer dann, wenn man aufgrund von Unwissen oder Misstrauen gegenüber etablierten Beratern auf die Leute hereinfällt, die Versprechen machen, die so nicht haltbar sind. Auf dem grauen Kapitalmarkt gibt es da genügend Beispiele.

Vor gar nicht so langer Zeit waren Bundesanleihen und Bundesschatzbriefe populäre Anlagen in der breiten Bevölkerung. Was ist mit denen, die solche Papiere noch haben?

Wex: Wer solche Papiere noch hat, sollte jetzt die kräftigen Gewinne der letzten Jahre mitnehmen. Ein Problem wird aber immer stärker: die Fälligkeiten. Die Anleger sind jetzt also damit konfrontiert, dass es nichts mehr gibt. Daran wird sich in den nächsten Jahren wohl nichts ändern. Man muss sich der Realität stellen: Es gibt schlicht und einfach keine sicheren Anlagen mehr, die Geld bringen. Sicherheit heißt null oder minus – für alles andere muss ich ein Risiko eingehen. Es war viele Jahrzehnte lang am deutschen Kapitalmarkt viel einfacher als jetzt, Geld zu verdienen.

Wie wird die Bankenlandschaft gerade in ländlichen Gebieten wie Mainfranken in zehn Jahren aussehen?

Wex: Der Trend zum Filialabbau wird allgemein weitergehen. Nicht bei der Commerzbank, die an ihrem Netz mit 1000 Filialen in Deutschland festhält. Die Rendite für die Banken bleibt unter Druck, so dass sich manche von bestimmten Geschäften verabschieden werden. . .

…von welchen Geschäften zum Beispiel?

Wex: Wertpapiergeschäften. Immer mehr Banken aus dem Sparkassen- und Genossenschaftsverband, aber auch kleinere Privatbanken ziehen sich aus der professionellen Wertpapierberatung zurück. Denn die regulatorischen Auflagen verteuern das Geschäft massiv und machen es für viele Institute unattraktiv. Es wird sich also alles herunterskalieren – vom Filialnetz und vom Serviceangebot. Als Kunde wird man in Zukunft weiterhin auf Beratung angewiesen sein, aber es wird schwieriger werden, sie zu bekommen.

Zur Person

Andreas Wex ist seit 2009 Leiter der Sparte Kapitalmarktanalyse in der Commerzbank-Zentrale in Frankfurt/Main. Der 50 Jahre alter Tiroler gilt als Experte vor allem für Aktien und Investmentstrategie. Er war vor seiner Zeit bei der Commerzbank unter anderem jahrelang Anlagestratege bei der Dresdner Bank gewesen, die 2009 in der Commerzbank aufging. Bei einem Vortrag vor wenigen Tagen in Würzburg sprach Wex auch über die Folgen der Trump-Politik, die steigenden Immobilienpreise in Deutschland und das Risiko, dass nach Großbritannien bald Italien aus der EU austreten könnte. aug
 
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