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Bieberehren
Backen mit Herz und Hand
Am frühen Morgen des 21. Dezember 2021 schürt Johannes Bauer in Bieberehren letztmals seinen Backofen an und beendete somit die 150-jährige Bäckereiära Bauer.
Foto: Markhard Brunecker | Am frühen Morgen des 21. Dezember 2021 schürt Johannes Bauer in Bieberehren letztmals seinen Backofen an und beendete somit die 150-jährige Bäckereiära Bauer.
Markhard Brunecker
 |  aktualisiert: 24.12.2021 02:22 Uhr

Wenn am Dienstag kurz nach 14 Uhr Johannes Bauer seine Ladentür zuschließt, geht in Bieberehren eine genau 150-jährige Bäckereitradition zu Ende. Die Ära begann 1871, als der damals 31-jährige Lippstadter Johann Bauer in der Gollachgemeinde eine neue Bäckerei eröffnete. Auch die zwei Nachfolger trugen seinen Vornamen Johann. Erst bei der vierten Generation, dem jetzigen Inhaber, wich der Rufname mit Johannes etwas ab. Eineinhalb Jahrhunderte hinweg war es der "Bauer-Bäck", wie er liebevoll in der Gollachgemeinde auch genannt wird.

Johannes übernahm die Bäckerei im elterlichen Wohnhaus gleich neben der Marienkapelle im Herbst 1980 von Vater Johann, nachdem er 1972 bis 1975 in der Bäckerei Spenkuch in Ochsenfurt eine Bäckerlehre absolvierte und im Sommer 1980 in Stuttgart die Meisterprüfung erfolgreich abgelegt hatte. Der Familienbetrieb legt seit je her Wert auf regionale Produkte und vor allem auf Handarbeit. Der mindestens zwölfstündige Arbeitstag begann meist früh um drei Uhr, am Samstag bereits um ein Uhr.

Für den Verkauf hinter der Theke sorgte Ehefrau Birgit (62). In den Zeiten, als es noch keine Backshops und Discounter gab, ging es ohne die jahrelange tatkräftige Unterstützung von Bäckermeister Eugen Blau und Nachbar Markus nicht, wie Bauer etwas wehmütig, aber dankbar zurückblickt. Auch Lehrlinge trugen mit zum Erfolg der Bäckerei bei. Während der Kriegs- und Nachkriegszeiten 1939 bis 1949 hielten seine Oma und Tante den Betrieb zehn Jahre lang meisterlich aufrecht. Auch die aus Schrozberg stammende und jetzige Mitinhaberin Birgit Bauer hat bereits 1987, zwei Jahre vor der Hochzeit mit Johannes, ihren damaligen Beruf als kaufmännische Angestellte aufgegeben, um die Bäckerei weiterzuführen, war es doch der künftigen Schwiegermutter Walburga gesundheitlich nicht mehr möglich, die Geschäfte zu führen.

Keine Hauptspezialität

Auf welches Teil ihrer reichhaltigen Produktpalette sie sich als "Hauptspezialität" festlegen wollte, konnten sie nicht so genau sagen, gibt es doch keine wirkliche Rangliste. Letztendlich nannten sie dann neben den Schokocroissant und das Biker-Brot, das Traditionsgebäck wie Butterhörnle und Christstollen nach den originalen Rezepten von Großvater Johann, galt doch stets der Leitspruch: "Hier läuft die Ware nicht vom Band, hier backt man noch mit Herz und Hand".

In all den Jahren musste das Privatleben zurückstehen. Da die beiden Töchter Corinna und Patricia beruflich einen anderen Weg eingeschlagen haben, haben sie sich zu diesem harten Schritt der Schließung entschlossen und freuen sich auf ein ungebundenes freies Privatleben, bei dem sie ihre zurückgestellten Wünsche nachholen können. Dieser Schritt wird in der gesamten Bevölkerung, natürlich bei vollem Verständnis für die Gesundheit, sehr bedauert, und die Kunden loben, wie etwa Rita Behr bei einem ihrer letzten Einkäufe, die sehr gute Qualität.  Einige meinten gar, "wir legen uns einen großen Vorrat an, denn es wird uns was fehlen".

Christstollen für Singapur

Mit zu den letzten Großaufträgen zählte das aktuelle Saisongebäck Christstollen, für den Bauer von der Bäckerinnung vor Jahren mit der goldenen Medaille ausgezeichnet wurde. Für seinen Freund Konrad fertigte der 64-Jährige dieser Tage noch ein paar Dutzend dieser leckeren Stollen, die dieser per Flugzeug nach Singapur einfliegen ließ.

Der abschließende Dank der Familie gilt den zahlreichen Stammkunden in der Region. Da es die letzte selbstständige Bäckerei in der rund 900-Seelengemeinde war, kommt nach Absprache seit knapp zwei Jahren die Röttinger Bäckerei Lang mit den Verkaufswagen in die Dorfmitte zum Lindenplatz, um die Gemeinde weiterhin mit frischen Backwaren zu versorgen.

 
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