Ist der entscheidende Durchbruch zum Bau einer Umgehungsstraße um Giebelstadt gelungen? Nach einem Gespräch mit Innen-Staatssekretär Gerhard Eck geht zumindest Giebelstadts Bürgermeister Helmut Krämer davon aus, dass das Problem fehlender Öko-Ausgleichsflächen gelöst und damit die schwierigste Hürde aus dem Weg geräumt ist.
Statt die Ausgleichsflächen zu kaufen, hatte Krämer vorgeschlagen, die Flächen zu pachten und artenschutzgerecht bewirtschaften zu lassen. Die bayerische Oberste Baubehörde und das Umweltministerium stimmten dem Vorschlag nach eingehender Prüfung zu, so Krämer. Vor wenigen Tagen gab Staatssekretär Eck das Ergebnis bekannt. Die Giebelstadter Umgehungsstraße würde damit zum Pilotfall.
Im Bundesverkehrswegeplan genießt die Umgehungsstraße, die die B 19 an Giebelstadt, Herchsheim und Euerhausen vorbeiführen soll, den Status „vordringlicher Bedarf“. Die Vorentwürfe für die Straße liegen beim Staatlichen Bauamt schon seit geraumer Zeit fix und fertig in der Schublade. Alle behördlichen Instanzen haben sie durchlaufen bis zur Zustimmung durch das Bundesverkehrsministerium. Eigentlich hätte das Planfeststellungsverfahren also längst beginnen können. Eigentlich – denn was fehlt, sind die gesetzlich geforderten Ausgleichsflächen für den Naturschutz.
Landwirte nicht verkaufsbereit
35 Hektar müssten dafür ausgewiesen werden. Das ist eine Menge und hängt damit zusammen, dass die geplante Trasse den Lebensraum zweier besonders geschützter Arten durchschneidet: des Feldhamsters und der Wiesenweihe. Die Flächen zu kaufen erwies sich als aussichtsloses Unterfangen, sagt Bürgermeister Helmut Krämer. Kein einziger Landwirt sei bisher bereit gewesen, auch nur einen Hektar fruchtbaren Ackerlands herzugeben. Die Bemühungen um eine Umgehungsstraße schienen in der Sackgasse zu münden.
Die Pachtlösung könnte der Ausweg sein. „Produktionsinterne Kompensation“ heißt das Verfahren, das erst seit wenigen Jahren im bayerischen Naturschutzrecht verankert ist und bei großen Straßenbauprojekten bisher noch nie zur Anwendung kam. Wie die Oberste Baubehörde am bayerischen Innenministerium mitteilt, versteht man darunter, dass Ausgleichsflächen nicht der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden, sondern nur zeitweise und in einem rotierenden System für den Artenschutz aufgewertet.
Im Giebelstadter Fall müsste die Gemeinde dafür sorgen, dass ausreichend Flächen zur Verfügung stehen. Die Besitzer der Flächen verpflichten sich vertraglich zu einer artenschutzgerechten Wirtschaftsweise. Finanzielle Einbußen durch höheren Arbeitsaufwand und Minderertrag werden vom Bund ersetzt. Für die Betreuung der Ausgleichsflächen holt sich die Gemeinde Hilfe beim Landschaftspflegeverband Würzburg.
Die Vorgaben für die Bewirtschaftung und die entsprechenden Ausgleichszahlungen werden vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in Würzburg, der Naturschutzbehörde an der Regierung von Unterfranken und der Straßenbauverwaltung gemeinsam erarbeitet. Das Ergebnis will der zuständige Sachgebietsleiter am AELF, Heiko Lukas, nicht vorweg nehmen, meint aber: „Wir stehen in einem konstruktiven Dialog und sind auf einem sehr guten Weg. “
Als so genannte Kulturfolger bevorzugen sowohl Feldhamster als auch Wiesenweihe einen Lebensraum inmitten eines landwirtschaftlich genutzten Gebiets. Die artenschutzgerechte Bewirtschaftung kann beispielsweise den Verzicht auf tiefgründige Bodenbearbeitung bedeuten, bei der die Bauten der Feldhamster zerstört würden. Streifen mit Blühpflanzen oder Klee zwischen den intensiv bewirtschafteten Ackerflächen, in denen sich Mäuse wohlfühlen, sorgen für ein ausreichendes Nahrungsangebot für die Wiesenweihe.
Weiteres Unheil droht
Bürgermeister Helmut Krämer ist zuversichtlich, damit den Schlüssel zum Bau der Umgehungsstraße gefunden zu haben. Allerdings droht dem Vorhaben nun weiteres Ungemach durch die für 2016 geplante Novellierung des Bundesverkehrswegeplans. Ob die Giebelstadter Umgehungsstraße in der Neuauflage des Plans weiterhin in den vordringlichen Bedarf eingeplant ist, ist ungewiss. Der Referentenentwurf soll noch in diesem Jahr vom Bundesverkehrsministerium vorgelegt werden, teilt die Oberste Baubehörde in München mit.
Außerdem soll im neuen Bundesverkehrswegeplan eine weitere Dinglichkeitsstufe „Vordringlicher Bedarf Plus“ für überregional bedeutsame Bauvorhaben eingeführt und bevorzugt mit Mitteln ausgestattet werden. Das könnte zur Folge haben, dass Ortsumgehungen hinter dem Ausbau von Autobahnen und Bundesstraßen, die Oberzentren miteinander verbinden, zurückstehen müssen.
„Wenn es so kommt, wird die Luft für uns dünn“, sagt der Giebelstadter Bürgermeister Helmut Krämer. Er hofft deshalb darauf, dass das Planfeststellungsverfahren noch vor Inkrafttreten des neuen Bundesverkehrswegeplans in Gang gesetzt werden kann und nach spätestens zwei Jahren eine baureife Planung vorliegt.
Den Pilotcharakter des Giebelstadter Projekts für die Schaffung von Ausgleichsflächen bestätigt auch die Oberste Baubehörde. Die Hoffnung, dass die produktionsinterne Kompensation über Pachtflächen generell geeignet ist, artenschutzkritische Bauvorhaben zu beschleunigen, lasse sich daraus allerdings nicht herleiten. Anwendbar sei das Beispiel nur für jene Arten, die ihre Reviere regelmäßig wechseln, wie es beim Feldhamster und der Wiesenweihe der Fall ist. Außerdem sei das auf Dauer angelegte Verfahren aufwändig und teuer.