"Die meisten Leute wissen über Verbindungen nur über Hörensagen Bescheid", beklagt Hannah, Jura-Studentin und Fuxmajor der AV Athenia. "Sie suchen sich die Negativbeispiele und wollen meist gar nicht darüber aufgeklärt werden, was Verbindungen wirklich machen. Lieber bleiben sie in ihren Vorurteilen stecken."
Geheimbünde, Gemeinschaften mit rechtsextremen Gedankengut oder gar Sekten - das sind die gängigsten Mythen, die in der Öffentlichkeit über Studentenverbindungen kursieren, sind sich die Verbindungsschwestern Christiane (48), Rebecca (31), Hannah (22) und die Anna (21) einig. Gemeinsam haben sie sich zum Sommertreffen im spartanisch eingerichteten Festsaal ihres Verbindungshauses in Höchberg getroffen. Von hier aus können sie auf die weiten Hügel der Marktgemeinde blicken.
Hohe Decken, Prunk und Deutschland-Flaggen sucht man in dem schlichten, zweigeschössigen Verbindungshaus, das auf einer Anhöhe in einem Wohngebiet liegt, vergeblich. Stattdessen hängt an einer der holzvertäfelten Wände ihre Verbindungsflagge: Ein verschnörkeltes doppeltes "A" auf einer Trikolore aus dunkelblau, weiß und dunkelgrün. Daneben ziert ein ausgestopfter Fuchs mit Schlappohren und einer Verbindungsmütze auf dem Kopf ein Bücherregal.
Gründungsboom seit Ende der Neunziger
Die Akademische Verbindung Athenia ist die älteste Damenverbindung Würzburgs. Bereits seit 1994 existiert der nichtschlagende Damenverbund und zählt insgesamt 75 Mitglieder. Zwar leben mittlerweile viele von ihnen in Deutschland und auf der ganzen Welt verteilt, zum jährlichen Stiftungsfest finden die meisten Mitglieder aber immer noch den Weg zurück nach Würzburg.
Frauenverbindungen gibt es in Deutschland bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts, als damals die ersten Frauen an die Universitäten durften. Nach dem zweiten Weltkrieg und der Besatzungszeit der Alliierten konnten Damenverbindungen erst in den 1970er Jahren Fuß fassen, als sich vereinzelte Männerverbindungen auch für das weibliche Geschlecht öffneten.
Einen Gründungsboom von Frauenverbindungen verzeichnet die Szene vor allem seit Ende der 1990er Jahre. Bundesweit gibt es derzeit über 50 von ihnen. In nahezu jeder Universitätsstadt findet sich mittlerweile mindestens ein Damenbund - in Würzburg sogar drei: Die ADV Salia und die AMDV Danaria in der Altstadt sowie die AV Athenia in Höchberg.
Austausch und Horizonterweiterung garantiert
Die "Athenen" sehen sich vor allem als Wissenschaftlerinnen, die einen fächerübergreifenden Dialog innerhalb ihrer Verbindung anstreben. Zu den beliebtesten Unternehmungen der "Aktivitas", den studierenden Mitgliedern, und den Hohen Damen - den Akademikerinnen -, zählen Diskussions- und Tanzabende mit und bei Herrenverbindungen sowie Generationenkneipen.
Die 75 Mitglieder gehören unterschiedlichen Fachrichtungen an: Von Pädagoginnen über Musikerinnen bis hin zu Juristinnen ist alles dabei. Dies garantiere einen abwechslungsreichen Austausch und eine "Horizonterweiterung", erklärt die Hohe Dame und Architektin Christiane, die bereits seit dem Gründungsjahr 1994 bei der Athenia ist.
Mitglied bei der AV Athenia kann jede Frau werden, die in Würzburg studiert oder studiert hat - nicht nur blonde, blauäugige Mädels. "Würzburg ist bunt und multikulturell - genauso sind wir!", sagt die als Personalreferentin arbeitende Hohe Dame Rebecca.
Die einzigen Voraussetzungen: Neue Mitglieder müssen sich mit den Zielen und Idealen der Athenia identifizieren können und in der Gemeinschaft wohlfühlen. In der Hierarchie beginnen sie dann als Fux und gehören der Verbindung zuerst zwei Semester auf Probe an. Anschließend haben sie die Möglichkeit, nach einer Prüfung vom Fux zum Mädel aufzusteigen und so der Verbindung offiziell beizutreten.
Die Mädel-Prüfung
Kurz vor ihrer Aufnahmeprüfung befindet sich die Mathematikstudentin Anna. Seit zwei Semestern bewohnt sie eines der vier billigen Verbindungszimmer, die gleich neben dem Festsaal liegen. In dieser Zeit habe sie sich bereits für die Damen verdient gemacht, indem sie ein Gemüsebeet im Garten des Verbindunghaues angelegt hat, hebt die Hohe Dame Christiane lobend hervor. Die Früchte davon, nämlich Gurken so grün wie auf der Verbindungflagge, liegen zum Begutachten auf einem Terrassentisch aus.
Zu Studienbeginn während der Wohnungssuche sei Fux Anna auf die Athenia aufmerksam geworden, erzählt sie. "Meine Eltern haben mich damals gewarnt", erinnert sie sich, "und sagten, ich solle bei keiner Sekte einziehen." In der anstehenden "Mädel"-Prüfung werden ihr unter anderem Fragen zu den Prinzipien der Verbindung, der Satzung und der Geschichte von Damenverbindungen gestellt. Auch den Bundesmarsch ihres Korporationsverbandes, das Frankenlied und die dritte Strophe der deutschen Nationalhymne müsse sie aufsagen können, kündigt Fuxmajor Hannah an, die für die Rekrutierung und Betreuung des Nachwuchses verantwortlich ist.
Der Traum vom Verbindungs-Eigenheim
Natürlich hätten Damenverbindungen innerhalb des Herrenmilieus auch einen sehr emanzipatorischen Aspekt, bekräftigt die Hohe Dame Christiane. "Wir wollen junge Persönlichkeiten stärken, so dass sie reifen und an Selbstbewusstsein gewinnen", sagt sie. Man brauche sich als Damenverbindung mit 25-jähriger Tradition keineswegs verstecken. Denn man stehe auch rein finanziell auf eigenen Beinen, so die 48-Jährige. Ein Schritt zur Unabhängigkeit fehlt der AV Athenia aber noch: Ein eigenes Verbindungshaus. Denn das Höchberger Haus mieten sie bislang von der Würzburger Burschenschaft Mainfranken, die im selben Korporationsverband ist und das Haus kaum nutzt.
"Ich wünsche mir, dass wir in zehn Jahren ein eigenes, modernes Verbindungshaus haben", sagt die Architektin und schaut dabei träumerisch auf die Terrasse und das angrenzende Gemüsebeet. "Und außerdem wünsche ich mir, dass wir als Verbindung weiter wachsen und gedeihen und, dass viele junge Füxe hier herumspringen werden."