Es gibt nur wenig, was Gerald Schmitt von seinem Stammplatz hinter dem Tresen direkt neben der Spüle weglocken könnte. Das wöchentliche Malen mit Hans Krakau gehört dazu. Einmal in der Woche besucht ihn der Giebelstädter Künstler und führt ihm die Hand. Dabei ist Gerald kein Anfänger: Schon seit den 1980er Jahren malt er Bild nach Bild. Er hatte Ausstellungen in Hamburg, in der Würzburger Sparkasse oder an der Universität. Ohne die Hilfe Krakaus bliebe das Papier dennoch leer. Gerald, der an Autismus und an einer schweren geistigen Behinderung leidet, ist beim Malen auf Hilfe angewiesen.
Bei der Ausstellung "Künstler im Licht" in der Alten Feuerwehr in Gerbrunn sind seine und die Bilder anderer autistischer Künstler zu sehen. Organisiert wird sie vom Förderverein Menschen und Autismus – Lebensqualität durch Beziehung. Gegründet hat ihn der Sozialpädagoge Rainer Uschwa, Vater eines blinden Sohns, der an schwerem Autismus leidet. "Auch Autisten haben das Bedürfnis, eine Beziehung zu anderen Menschen einzugehen und leiden unter ihrem Unvermögen, sich auszudrücken", weiß Uschwa. Kunst helfe, einen stabilen und vertrauensvollen Kontakt aufzubauen. Mit Spenden und Patenschaften ermöglicht der Verein auf deren besondere Bedürfnisse zugeschnittene Therapieangebote.
Keine Berührungsängste
Gerald lebt in seiner eigenen Welt. Er versteht vieles, kommt aber selber kaum über ein gebrummeltes Ja hinaus. Wird er nicht gleich nicht verstanden, wird er schnell nervös. Es kommt vor, dass er dann seinem Gegenüber einen kräftigen Schubser verpasst. Was auf andere befremdlich wirkt, bereitet Krakau keine Schwierigkeiten. Berührungsängste kenne er nicht, erzählt er. Er hatte selber einen behinderten Großvater, mit dem er aufwuchs. Als Künstler sammelte er später jahrelang Erfahrungen mit Kunsttherapie. Dabei sind etwa Bilder entstanden, die Rollstuhlfahrer mit ihren Reifen gestaltet haben oder gar mit ihrem Körper, sich in der Farbe wälzend.
Gerald dagegen sitzt etwas in sich zusammengesunken am Tisch, Blatt und Acrylfarben vor sich. Eine Schürze schützt ihn vor Farbspritzern. Die besondere Anziehungskraft des Malens auf Gerald hat als erster ein Therapeut in der Christophorus-Schule entdeckt. Damals sind auch die großformatigen Gemälde, die bunte, aneinandergereihte Köpfe zeigen, entstanden. Sie schmücken bis heute die Wände im Gartensaal der Gaststätte. Auch mit Krakau scheint sich Gerald blind zu verstehen. Dabei war noch der erste Versuch gescheitert. Im Atelier des Künstlers im Nachbarort Euerhausen stellte Gerald auf stur. Die vertraute Umgebung des Landgasthofs Lutz, wo er mit seinen Eltern, Schwester und Bruder lebt, scheint er doch mehr zu benötigen, als Schwester Ulrike selber dachte.
Ein Kreativduo
Als Assistent ist Krakau unverzichtbar. Die Umrisse einer Häuserlandschaft hat er mit Bleistift vorgezeichnet. Zum Malen hält er Geralds Handgelenk. Mit sanftem Druck und knappen Anweisungen gibt er die Richtung der Pinselstriche vor. Gemeinsam füllen beide mit kurzen Strichen die Flächen. In den besten Momenten entsteht eine tiefe Gemeinschaft, ein Kreativduo, das sich ganz aufeinander und die Kunst einlässt. Bleiben die Reaktionen Geralds aus, schweift der Blick ab oder weichen dem ruhelosen, aber monotonen Hin- und Herbewegen des Kopfes, den typischen Bewegungen eines an Autismus Leidenden, so zögert Krakau nicht lange und unterbricht das Malen. "Allein kann er nicht", erzählt der Assistent: "Dennoch soll möglichst viel von Gerald in den Bildern stecken".
Auf diese Weise entstehen in jeder Sitzung meist drei Bilder. Landschaften, die an August Macke oder Klees Reise nach Tunis erinnern, aus einfachen Formen und mit hellen und klaren Acrylfarben. Krakaus Malerei wirkt dagegen oft dunkel und düster. Schwester Ulrike weiß, wie sehr Gerald die Kunst braucht. "Die Freude ist jedesmal groß, wenn er erfährt, dass wieder Malen ist", erzählt sie. Die Bilder sind Geralds Weg, an der Gesellschaft teilzunehmen. Sein Lieblingsplatz war schon immer mittendrin, am Tresen, direkt neben der Spüle. Dort wo sein Bruder Christofer, die Gäste empfängt.
Die Vernissage zur Ausstellung findet am Samstag, 7. Januar, um 18 Uhr in der Alten Feuerwehr in Gerbrunn statt. Die Ausstellung ist bis Ende März jeweils Dienstag, 12 – 17 Uhr, sowie Mittwoch bis Sonntag, 12 -18 Uhr, geöffnet.