Bevor die Diözese in der Domerschulstraße 17 ihr mächtiges Archiv baute, gruben sich im Jahr 1999 Archäologen durch den Boden, auf der Suche nach Zeugnissen früherer Zeiten. Ihre Funde, überraschende darunter, sind bis 7. Oktober in einer Sonderausstellung im Mainfränkischen Museum zu sehen.
In den Vitrinen liegen ein kleiner Schatz von Silbermünzen und viele Scherben, von Glas und Keramik vor allem, Bruchstücke von Waffen und Werkzeugen. Neben die Funde hat das Museum Krüge, Töpfe, Gläser und Sonstiges aus eigenen Beständen drapiert, damit das Publikum erkennt, wie der Bruch ausgesehen haben mag, als er noch heil war.
Die Gerätschaften aus dem Alltag der Alt-Würzburger, etwa ein Schlittschuh aus dem Mittelfußknochen eines Pferdes, ein kleiner bunter Wasserspeier oder eine Sparbüchse, sind hübsch anzusehen. Man kann sich erbauen an der Lust unserer Vorfahren am Gestalten und Verzieren, am Zusammenspiel von Funktion und Form.
Für die Historiker bedeuten die Stücke mehr. Im 11. Jahrhundert war die Ecke Balthasar-Neumann-Promenade/Neubaustraße das südöstliche Ende der Stadt. Am Grabungsareal in der Domerschulstraße stand damals die Stadtmauer. Das Mainfränkische Museum schreibt in einer Mitteilung von guten Möglichkeiten, hier „Aufschlüsse zur Würzburger Stadtgeschichte über einen Zeitraum von mehr als 1300 Jahren zu gewinnen“.
Steinzeitmenschen in Würzburg
Im Ausstellungsraum hängen Informationsfahnen. Auf ihnen erklären die Archäologen des Mainfränkischen Museums, Margarete Klein-Pfeuffer und Helge Zöller, die Schlüsse, die sie aus den Funden ziehen, verbunden mit dem, was bereits bekannt war. Sie zeigen, dass auf dem rund 6500 Quadratmeter großen Areal und seiner Nachbarschaft allerhand los war.
Die Archäologen fanden Relikte steinzeitlicher Jäger und Bauern – die hatten sie nicht erwartet. Was heute Altstadt ist, war vor 10 000 Jahren Sumpf und Morast. Die ersten Würzburger hatten sich auf den Höhen angesiedelt, wo heute Oberdürrbach, Lengfeld, Rottenbauer und der Heuchelhof sind. Aus den Funden in der Domerschulstraße kann man schließen, dass die Steinzeit-Würzburger auch unten im Tal trockene Plätze gefunden hatten. Von einer Ansiedlung aber sprechen Klein-Pfeuffer und Zöller nicht.
Überrascht waren die Forscher auch von zwei Mauerzügen, die sie ins 7. und 8. Jahrhundert datieren, in die Zeit der Merowinger und Karolinger. Sie zeigten, dass Teile Würzburgs schon „weit vor dem 11. Jahrhundert massiv befestigt waren“. Die erste bekannte urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 704.
Zwischen Pfauen- und Kettengasse, Domerschul- und Bibrastraße, wo das Domarchiv steht, standen im Mittelalter drei große Höfe. Hier residierten Ministeriale – leitende Beamte –, die dem Bischof, dem geistlichen und weltlichen Herrn der Region, und dem Domkapitel dienten. Ein Frauenorden, die Clarissen, erwarb zwei der Höfe im 14. Jahrhundert, den dritten bekam er geschenkt. Die Nonnen hatten nicht lange Freude an den Liegenschaften. Der Orden verarmte, litt unter Überfällen im Bauernkrieg und an der Reformation und verfiel. 1560 löste Bischof von Wirsberg das Heim der Clarissen, das Agneskloster, auf.
Sieben Jahre später zogen die Jesuiten in die Höfe ein. Im Verein mit Wirsbergs Nachfolger Julius Echter baute die „Societas Jesu“ das Hochstift Würzburg zu einem Bollwerk gegen Luthers Reformation aus. 1582 gründete Echter die Universität, die Jesuiten stellten das Lehrpersonal. Sie führten auch das „Alumnat“ genannte Studentenwohnheim auf dem Areal.
1999, gut 400 Jahre später, fanden die Archäologen im Keller des Alumnats elf abgegriffene spanische Silbermünzen und ein eisernes Vorhängeschloss. Die Forscher wissen nicht, wem der kleine Schatz gehörte, vermuten allerdings ein tragisches Ende des Besitzers. Zöller hält es für möglich, dass der Besitzer die Münzen 1631, während des Dreißigjährigen Krieges, in einer hölzernen Truhe vergraben hatte, als die protestantischen Schweden die Stadt besetzten. Als Jesuit habe er auf die Gnade der Schweden nicht hoffen können.
Erschlagen oder verbrannt
Alternativ könnte der Besitzer Zöller zufolge auch auf dem Scheiterhaufen verbrannt sein, in den 1620-er Jahren, während der Hochzeit der sogenannten Hexenverfolgungen. Diesem Wahn sind auch zahlreiche Priester zum Opfer gefallen.
1773 löste der Papst den Orden der Jesuiten auf; sie mussten auch Würzburg verlassen. An der Michaelskirche erinnert eine Tafel an sie.
Im 16. Jahrhundert hatten die Fürstbischöfe Wirsberg und Echter Juden und Protestanten aus Würzburg vertrieben. Erst 1813 durften Juden sich wieder in der Stadt ansiedeln. 1832 erwarb die jüdische Gemeinde das Areal des Jesuiten-Alumnats; sie baute eine Synagoge und eine Schule. Nazis und ihre Mitläufer schändeten das Gebetshaus in der Pogromnacht vom 9. November 1938. Am 16. März 1945 verbrannte es im Bombenhagel.
1998 erhielt die jüdische Gemeinde das Areal zurück. Sie verkaufte es an die Diözese für den Neubau ihres Archivs. Im Jahr darauf begannen die Archäologen zu graben.
Bis 7. Oktober ist eine Auswahl der archäologischen Ausgrabungen in der Domerschulstraße im Mainfränkischen Museum zu sehen, dienstags bis sonntags zwischen 10 und 17 Uhr.
WÜRZBURG
Ausstellung: Von der Steinzeit bis zur Neuzeit
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