Seit vier Generationen war das Gasthaus "Zum Hirschen" in Kist im Familienbesitz und bot seinen Gästen nicht nur Essen und Trinken, sondern auch Raum für Begegnungen und gelebte Gemeinschaft. Im Herbst, am 27. Oktober, schließt das Gasthaus jetzt aber seine Pforten. Das Wirte-Ehepaar Reinhold (65) und Elke (61) Eck geht in den Ruhestand und schreibt damit das letzte Kapitel einer 300 Jahre währenden Gastronomietradition. Denn Nachfolger gibt es keine.
Die Entscheidung ihr Gasthaus zu schließen ist dem Wirte-Ehepaar nicht leichtgefallen
Über Generationen hinweg war das Lokal für Familien und örtliche Vereine der ideale Ort, um Festlichkeiten, Zusammenkünfte und kulinarische Genüsse in gemütlichem und familiärem Ambiente zu genießen. Mit zuletzt rund 90 Sitzplätzen war das Gasthaus "Zum Hirschen" immer mit Leben erfüllt.
Die Entscheidung ihr Gasthaus zu schließen ist dem Wirte-Ehepaar nicht leichtgefallen. Dazu beigetragen hat letztendlich auch der Personalmangel in der Gastronomie. "Ich bin mit der Gastwirtschaft aufgewachsen, habe bereits als Heranwachsender in der Küche geholfen", erzählt Reinhold Eck. Sein Vater Horst Eck starb schon mit 37 Jahren und seine Mutter Irma führte zusammen mit ihren drei Kindern, damals sieben, acht und dreizehn Jahre alt, und ihren treuen und zuverlässigen Mitarbeitern das Gasthaus bis 1997.
Denn nach seiner Kochlehre im Ratskeller in Würzburg hatte Eck zuerst in der Steinburg in Würzburg Berufserfahrung gesammelt, bevor er in den elterlichen Betrieb zurückging. Zusammen mit seiner Frau übernahm er im Jahr 1997 das Gasthaus in vierter Generation von seiner Mutter. Bis heute liebt er es, in seiner Küche zu stehen und seine Gäste zu verwöhnen. Gekocht wird nämlich im Gasthaus "Zum Hirschen" stets frisch und mit regionalen Produkten, was die Gäste sehr schätzen.
Elke Eck stand ihrem Mann immer zur Seite, unterstützte in der Küche, organisierte den Service und gab dem Gastraum mit ihrem Sinn für schöne Dekorationen eine persönliche Note. "Wir hatten so viele nette Menschen um uns herum, unsere Gäste und vor allem auch unsere Mitarbeiter", erzählt Elke Eck, "Wir hatten arbeitsreiche, aber schöne Jahre und der Abschied vom Gasthaus fällt uns nicht leicht." Von ihren Stammgästen wird sich die Familie Eck persönlich verabschieden. Bereits gekaufte Gutscheine können noch bis zum 27. Oktober eingelöst werden.
Leider sind keine Unterlagen zum Bau des Gasthauses überliefert
Leider sind keine Unterlagen zum Bau des Gasthauses überliefert. Über dem Eingang befindet sich eine Pieta aus Sandstein mit der Jahreszahl 1720 und der Aufschrift: "Unter deinen Schutz und Schirm fliehen mir o heilige Gottesgebr. in unseren (Nöten)." Unter der Pieta ist das Metzgerwappen, das einen Ochsenkopf mit zwei darüber gekreuzten Beilen zeigt, der von je zwei Sternen flankiert wird. Das Wappen belegt, dass – wie es früher üblich war - der Wirt auch Metzger war und Fleisch und Wurst aus eigener Produktion kam. Noch heute schwärmen die Kister von der guten Wurst der Ecks. Mit dem Tod von Horst Eck, dem Vater von Reinhold, wurde die Metzgerei aufgegeben.
Als das Gasthaus erbaut wurde lag es noch vor dem Dorf an der wichtigen Verbindungsstraße von Würzburg nach Bischofsheim. Der Weg führte aber anders als heute über Höchberg durch den Irtenberger Forst. Zwei Hoheitssäulen oder auch Geleitsäulen zur Kennzeichnung der Grenze zwischen dem Fürststift Würzburg und dem Kurfürstentum Mainz mit der Jahreszahl 1584 stehen noch heute an der Grenze. Der Hirschen lag günstig an dieser Strecke und es lässt vermuten, dass er gerade deshalb dort, vor dem Ort, erbaut wurde. Tiefe Hohlwege markieren noch heute den Verlauf der Verbindungsstraße.
Als stummer Zeitzeuge hat der Hirschen viel erlebt und es gingen nicht nur Fuhrleute ein und aus
Als stummer Zeitzeuge hat der Hirschen viel erlebt und es gingen sicher nicht nur Fürstbischöfe und Fuhrleute ein und aus. Erst im 19. Jahrhundert änderte sich die Streckenführung und im 20. Jahrhundert wurde die Bundesstraße direkt am Hirschen vorbei ausgebaut. Mit diesem Ausbau und der nahen Autobahnabfahrt wurde das Gasthaus zum Treffpunkt für Fernfahrer und Reisebusse.
Anfang der 60er Jahre teilten Reinholds Eltern den Tanzsaal in vier separate Gaststuben um. Fortan spielte sich das Vereinsleben von Kist zu einem Großteil im Hirschen ab. Vereinsfeste, und große Familienfeiern konnten ausgelassen gefeiert werden. Im Jahr 1987 bauten Reinhold und Elke Eck das Gasthaus erneut um. Im ersten und zweiten Stock wurde zusätzlicher Wohnraum geschaffen.
Nach vier Generationen im Familienbesitz heißt es nun Abschied nehmen
Die Großeltern Luitpold und Johanna Eck, geborene Reinhard, hatten das Gasthaus von Georg Reinhard übernommen und an die Eltern von Reinhold Eck, Horst und Irma Eck, geborene Riegel weitervererbt. Vor der Familie Reinhard befand sich das Gasthaus im Besitz der Familien Deppisch, Häusler und Popp. In welcher Verbindung diese Familiennamen mit der Familie Eck stehen, ist nicht bekannt. Auch der Erbauer des Gasthauses ist urkundlich nicht festgehalten. Nun ist Schluss und ein weiteres Gasthaus reiht sich in die Reihe des sogenannten "Gastro-Sterbens" ein. Gäste gibt es genug, es fehlt am Personal und allein stemmen kann es das Wirte-Ehepaar nicht mehr.