
Es tut sich doch was ums alte Hochhaus in der Augustinerstraße 9, das Anfang April seinen zehnjährigen Leer- und Stillstand feierte. Das 85 Jahre alte Baudenkmal mit dem markanten grünen Sicherheitsnetz an der Fassade wird nämlich jetzt zum Studienobjekt: Elf Architekturstudentinnen der Universität Stuttgart erarbeiten unter Anleitung von Professor Sandro von Einsiedel Entwürfe für die Nutzung des Hochhauses und seiner Nebengebäude – ausschließlich für Studienzwecke.
Denn für eine mögliche Umsetzung kommen die kreativen Ideen zu spät. Friedrich Schwab, Vorstand vom Hochhausbesitzer Informica Real Invest AG, begrüßt zwar die studentischen Fingerübungen für urbanes Gestalten an einem Baudenkmal, möchte aber eines nicht: „Dass dann anhand der Entwürfe wieder eine Diskussion ums Hochhaus losgeht.“ Bekanntlich hat es lange gedauert, bis die geplante Sanierung zu einer Baugenehmigung führte. Diese ist, wie berichtet, wegen der Klage eines Nachbarn aber noch nicht rechtskräftig.
„Das ist eine spannende Aufgabe“, kommentiert Sandro von Einsiedel die Studienarbeit. „Ich hoffe dabei auf viele unterschiedliche Lösungsansätze.“ Einsiedel ist Honorarprofessor an der Uni Stuttgart. Als Inhaber eines Architekturbüros hat er sich auf die Modernisierung von Baudenkmalen spezialisiert. Auf das Würzburger „Denkmal der Neuen Sachlichkeit“ ist er über einen Bekannten gestoßen.
Nach der Lektüre über das Hochhaus – ein von Architektur-Historikerin Suse Schmuck verfasstes Heft der Heiner Reitberger-Stiftung – war von Einsiedel überzeugt, dass das Gebäude, das seit zehn Jahren auf seine Neubelebung wartet, für ihn wie die Studierenden eine interessante Prüfungsaufgabe ist: „Wie geht man mit einem Baudenkmal um, das wesentliche Teile seiner Originalsubstanz verloren hat oder im Zuge der geplanten Sanierung noch verliert? Welche Nutzungskonzepte sind für das Hochhaus mit seiner speziellen städtebaulichen Situation, seiner zentralen Lage und markanten Form geeignet?“
Als Antwort sollen die Studierenden, weitgehend Master-Studentinnen im achten Semester, Entwürfe zur Instandsetzung und Wiedernutzung anfertigen, ob für Wohnraum, Gastronomie oder Gewerbe.
Miteinbezogen in die Studienarbeit ist die Überplanung des Nachbargrundstückes Haus Nr 11., das ebenfalls dem Hochhaus-Eigentümer gehört. Der Architektennachwuchs hat dabei viel Freiraum, wobei es laut von Einsiedel „weniger um Bautechnik als vielmehr um Gestaltung“ geht.
Zum Auftakt reisten Einsiedel und seine Studenten kürzlich aus Stuttgart an und nahmen ihr Studienobjekt in Augenschein – allerdings nur von außen. Aus Sicherheitsgründen durften sie das marode Gebäude nicht betreten. Architektur-Historikerin und Hochhaus-Expertin Suse Schmuck erläuterte vor Ort die Baugeschichte und Problematik.
„Würzburg macht Spaß“-Geschäftsführer Wolfgang Weier informierte die Gäste über die „unbefriedigende Situation“ durch die Langzeitbaustelle, die nicht zu einer attraktiven Wohn- und Einkaufsstadt passe. Einzelhandel, Hotel und Studentenwohnungen seien das, was im Zentrum der Stadt gebraucht werde.
Wenigstens die Verpackung des Gebäudes, das Sicherheitsnetz vorm Gerüst, könnte man jetzt schon mit einem großen Aufdruck schöner gestalten, meinte Weier, doch ein entsprechender Vorschlag von ihm sei ins Leere gelaufen.
Bis Ende Juli sollen die Arbeiten der Studenten – Zeichnungen, Modelle etc. – vorliegen und dann an der Uni Stuttgart präsentiert werden. Ob auch in Würzburg, stehe noch nicht fest, wäre aber wünschenswert, sagt Projektleiter von Einsiedel.
Ihn erinnert das 33 Meter hohe Baudenkmal in der Augustinerstraße an den Tagblatt-Turm in Stuttgart, auch wenn dieser fast doppelt so hoch ist. Er wurde 1928, also fast zur gleichen Zeit wie das Würzburger Hochhaus, errichtet und war wie dieses wegen seiner klaren und modernen Bauweise seinerzeit sehr umstritten.
Doch der Tagblatt-Turm, einst Sitz von „Stuttgarter Neues Tagblatt“, „Stuttgarter Zeitung“ und „Stuttgarter Nachrichten“, und jetzt mit mehreren Theatern und Kultureinrichtungen unterm Dach, hat gegenüber dem Würzburger Gebäude einen gewaltigen Vorsprung: Er ist bereits seit über zehn Jahren saniert.
MfG Pressestelle Stadt Würzburg