Würzburg las ein Buch. Am Sonntag endete die Hauptphase der 2020/21er Literaturaktion um Max Mohrs Roman "Frau ohne Reue" mit der Preisverleihung des "Würzburg liest"-Schreibwettbewerbs. Wie die Heldin in dem 1933 erschienenen Buch sollte – laut Wettbewerbsausschreibung – eine Figur in der Geschichte vor der Frage stehen: "Aufbruch oder Flucht? Von der Entscheidung zu gehen".
Bleiben war aber auch erlaubt. Davon erzählte Benedikt Josef Dürner: Ein Großvater denkt in russischer Kriegsgefangenschaft sechs Jahre lang an die Freiheit, weiß aber, wie gefährlich das Fliehen ist. Später, daheim auf seinem Bauernhof, wirkt sich die Gefangenenerfahrung auf seinen ganz alltäglichen Begriff von Freiheit aus, den er auch seinem Enkel vermittelt. Beim Vorlesen der ausgezeichneten Texte in der Behr-Halle wurde Dürner im Finale seiner Rezitation von Gefühlen übermannt.
Sprünge wie die Perspektivwechsel in diesem Essay hatten auch die Silber- und Gold-Beiträge. Sulamith Sparre arbeitet schon seit einiger Zeit über die jüdische Dichterin und Partisanin Hannah Senesh, die wenige Jahre nach ihrer Flucht von Ungarn in ein Kibbuz wieder kehrt machte, um in ihrer europäischen Heimat den Widerstand gegen die Nazis zu unterstützen. Sparre verwob biografische Angaben zu Senesh mit dem subjektiven Bericht über archäologische Ausgrabungen und poetischen Elementen, womit sie den zweiten Platz errang.
Die sachkundige Jury hob auf das Siegertreppchen den Text mit der größten literarischen Dichte, ohne Reflexionen, immer in konkreten Situationen, aber dennoch nicht ganz einfach nachzuvollziehen: Katinka Valerie schilderte eine portugiesische Austauschstudentin vor ihrer Rückkehr aus dem Frankenland, gewissermaßen Fado vor aufsteigenden Wurstdünsten.
Die drei Gewinnergeschichten sind auf der Website www.wuerzburg-liest.de nachzulesen, zusätzlich die sieben weiteren bestplatzierten. Zum geringen Männeranteil von 20 Prozent erklärt Regina Frisch, die zusammen mit der Autorin Sonja Weichand den Wettbewerb organisierte, insgesamt sei die Autorenquote höher gewesen. Über die Gesamtzahl aller Einreichungen wollte Frisch jedoch keine Angaben machen außer, es seien "viel mehr" gewesen, die Jury habe "ordentlich zu tun" gehabt.
Außer der Ehre und der Online-Veröffentlichung erhielten die drei Ausgezeichneten Büchergutscheine im Wert von 50, 100 und 150 Euro von den inhabergeführten Läden, die sich für die zweijährliche Aktion "Würzburg liest ein Buch" besonders stark machen: Knodt, Neuer Weg, Dreizehneinhalb, Schöningh, Stepahns-Buchhandlung und Antiquariat Osthoff . Die Liedermacherin Circle&Wind, Viola Petsch, strukturierte und verzauberte den Nachmittag im verglasten Rathaushof mit fünf neuen Liedern.
