Die Zugfahrt des 13-jährigen Hajji endet am Würzburger Hauptbahnhof an Gleis 9. Noch bevor der Regionalexpress Richtung Gemünden weiterfährt, kontrollieren Sven-Eric Franz und Florian Röthlein den alleinreisenden minderjährigen Flüchtling aus Syrien, geben per Funk die Personalien des Jungen weiter.
Es ist nicht das erste Mal, dass die beiden Bundespolizisten an diesem Tag einen Zug durchkämmen. Und Hajji ist nicht der erste Flüchtling, den sie mit in ihre Wache unweit des Bahnhofs nehmen müssen.
Dabei war das Ziel, das die Bundespolizei mit ihrem sogenannten „Schwerpunkteinsatz“ am vergangenen Dienstag verfolgte, ein anderes. „Wir wollen vor allem Präsenz zeigen“, erklärt Polizeisprecher Fabian Hüppe. Zwischen 9 und 21 Uhr waren insgesamt 13 Fahndungsteams in Dutzenden Zügen unterwegs, kontrollierten rund 460 Personen. Im Fokus der Beamten: zur Fahndung ausgeschriebene Straftäter und der Kampf gegen Diebstähle.
Fanströme umleiten
„Die Zahl von Eigentumsdelikten steigt bundesweit stetig. Gerade auf Bahnanlagen“, so Hüppe. Es gebe organisierte Banden, die nur Zug fahren, um Diebstähle zu begehen. Auch zahlreiche gesuchte Straftäter nutzen laut Hüppe gerne Züge.
Viele von ihnen müssen dabei den Verkehrsknotenpunkt Würzburg passieren, der die Bundespolizei vor besondere Herausforderungen stellt. Eine weitere sind Fußballfans: Zwei Beamte sind dafür abgestellt, die Fanströme in Würzburg zu koordinieren – unabhängig davon, ob die Drittliga-Mannschaft der Würzburger Kickers ein Heimspiel hat oder nicht.
„Viele Fans, die eigentlich ganz woanders hin wollen, müssen in Würzburg umsteigen. Wir wollen verhindern, dass sich dabei unterschiedliche Fangruppierungen begegnen“, sagt Hüppe. Dazu werden Züge auf andere Gleise umgeleitet oder man lässt sie langsamer einfahren: „beabsichtigte Verspätungen“.
In dem Spannungsfeld zwischen Fanszene, Kriminalität und Flucht arbeiten die Bundespolizisten Franz und Röthlein seit mehreren Jahren. Auch der Terrorismus spielt nun eine immer größere Rolle: „Die Menschen sind sensibler geworden: Sogenannte verdächtige Wahrnehmungen werden heute viel häufiger gemeldet als früher. Das ist aber gut“, sagen die Polizisten.
Vor allem hat aber der Flüchtlingsstrom ihre Arbeit verändert. „2015 haben wir extrem viele unregistrierte Flüchtlinge in Würzburg aufgegriffen“, erinnert sich der 30-jährige Röthlein. „Das hat seit der Einführung der Grenzkontrollen nachgelassen.“
Von Entspannung keine Spur. Denn auch wenn insgesamt weniger Flüchtlinge auf den unter- und oberfränkischen Bahnanlagen unterwegs sind, ist das Personal knapp: „Auch aus unserer Dienststelle werden Kollegen für die Grenzkontrollen abgezogen“, so Hüppe. Hinzu komme die erhöhte Präsenz von Bundespolizisten mit „robuster Bewaffnung“ seit den Anschlägen von Paris. So bleibe auch immer weniger Zeit für Kontrollen.
Dennoch kennen Röthlein und Franz viele der Menschen, die sich regelmäßig am Bahnhof aufhalten, beim Namen. Obdachlose, Punks und Jugendliche. Die Beamten wissen auch, was ihre „Dauergäste“, wie sie sie nennen, auf dem Kerbholz haben.
Drogen schnell im Blick
In den Zügen ist das anders. Wen kontrollieren sie also in den teils überfüllten Abteilen? „Wir haben die Liste mit ausgeschriebenen Straftätern aus der Region im Kopf. Wenn jemand etwas mit Drogen zu tun hat, sieht man ihm das in der Regel an“, zählt Franz einige Beispiele auf. „Wichtig bei den Kontrollen ist, dass man auch immer schon das nächste Abteil im Blick hat.“ Werden die Beamten gesehen, erzählen sie, verschwinden schon mal Drogen in Abfalleimern.
Andere Kriterien für eine Kontrolle seien sichtbare Tätowierungen, die auf einen Gefängnisaufenthalt schließen lassen, oder ein ungepflegtes Erscheinungsbild. Bei mutmaßlichen Flüchtlingen deuten Erschöpfung oder schmutzige Kleidung darauf hin, dass sich die Person noch nicht lange in Deutschland aufhält – und noch nicht registriert ist.
Bei Hajji aus Syrien war die Lage anders. Während er sichtlich nervös in der Dienststelle wartet, findet Bundespolizist Franz heraus, dass der 13-Jährige vor wenigen Tagen in Rosenheim registriert und in einem Jugendheim untergebracht wurde, von wo er ausgebüxt ist.
Angeblich will er zu Verwandten nach Frankfurt. Insgesamt stieß die Bundespolizei während ihres Aktionstags auf fünf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Alter zwischen 13 und 17 Jahren. Wie in allen diesen Fällen informieren Röthlein und Franz das Jugendamt in Würzburg. Dann gehen sie wieder auf Streife.
Bilanz des Aktionstages
Die Bundespolizeiinspektion Würzburg koordiniert Einsätze in Zügen und Bahnhöfen in Unterfranken und den westlichen Landkreisen Oberfrankens. Angegliedert sind Reviere in Aschaffenburg und Bamberg.
An den drei Standorten arbeiten 190 Beamte, 140 davon in Würzburg. Während des Aktionstages am Dienstag stellten die Bundespolizisten mehrere Verstöße gegen das Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetz fest. Darüber hinaus gingen ihnen mehrere gesuchte Straftäter ins Netz, darunter ein 38-Jähriger im ICE zwischen Aschaffenburg und Würzburg. Amphetamine und Ecstasy wurden im Gepäck eines 20-Jährigen zwischen Schweinfurt und Würzburg sichergestellt.
Bei der Kontrolle eines 24-jährigen Afghanen zwischen Karlstadt und Würzburg entdeckten die Beamten einen gefälschten slowenischen Führerschein. Auf dem Bahnhofsgelände in Würzburg informierte eine Frau die Beamten, ein Mann habe versucht, ein Fahrrad zu stehlen. Später konnten die Beamten den Mann stellen. Der gab unumwunden zu, das Rad stehlen zu wollen – seines sei schließlich auch gestohlen worden. ben