In der Welt von Barbara Mergenthaler gibt es kein Licht. Vor 15 Jahren ist sie erblindet. Eine Augenkrankheit. Ihre einzige Hilfe auf dem täglichen Arbeitsweg vom Veitshöchheimer Bahnhof zum Berufsförderwerk in der Helen-Keller-Straße – hoch droben am Berg – ist ein Blindenstock. Barbara Mergenthaler ist gut zu Fuß. Etwa 20 Minuten braucht sie für ihren täglichen Weg, der stetig bergauf führt und voller Schwierigkeiten ist.
Es ist Montag. In Veitshöchheim werden heute die Blauen Tonnen abgeholt. Reihenweise stehen sie am Rand der Bürgersteige. Ordentlich abgestellt, damit der Greifarm des Müllfahrzeuges sie gut zu packen bekommt und ausleeren kann. Für Barbara Mergenthaler sind Montage der Horror. Die Frau muss sich dann nicht nur auf ihren Weg konzentrieren, sie muss auch ständig auf der Hut sein, nicht ständig gegen eine dieser vielen blauen Hinternisse zu stoßen.
Ein Blindenhund würde um die Hindernisse führen
Begleitet wird Barbara Mergenthaler heute von der Grünen-Gemeinderätin und Behindertenreferentin Christina Feiler. Ihr Fraktionskollege Günther Thein vom Arbeitskreis Behinderung und Inklusion ist dabei und Hans-Peter Martin, Berater für Barrierefreiheit beim VdK. Anlass ist der europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung.
„Hoppla“, am Speckertsweg rempelt Barbara Mergenthaler wieder gegen eine Blaue Tonne. „Hilfe“, ruft sie eine Sekunde später. Weil schon die nächste Tonne ihren Weg blockiert. Mit dem Blindenstock tastet sie sich zwar Schritt für Schritt voran, erkennt auch das eine oder andere Hindernis, doch was nutzt es, wenn der Stock rechts die Gehsteigkante anzeigt, die Mülltonne aber links davon im Weg steht. „Ich habe schon überlegt, einen Hund anzuschaffen, der würde mich an den Mülltonnen vorbei führen.“ Doch bis sie einen Hund hat, bis sich beide aneinander gewöhnt haben, das Tier ausgebildet ist, dauert es. Bis dahin wird sie sicher noch den einen oder anderen blauen Flecken bekommen.
Vorbildliche Anwohner am Speckertsweg
Es sei denn, die Veitshöchheimer nehmen Rücksicht und verhalten sich so, wie einige Anwohner am oberen Speckertsweg. Dort hat Barbara Mergenthaler mal einen älteren Mann darauf angesprochen, dass die Mülltonnen immer in ihrem Weg stehen. Der Mann zeigte Verständnis, sprach Nachbarn darauf an und seitdem werden die Tonnen ordentlich in den Hofeinfahrten abgestellt – und Barbara Mergenthalers Arbeitsweg ist seitdem auch frei von Hindernissen. „So einfach kann es manchmal sein.“ Dem Mann ist sie sehr dankbar für seine Hilfe.
Eine Zeit lang, so erzählt sie, ging auch ein junges Mädchen vor ihr her, und habe alle Tonnen auf die Straße gestellt. „Das hat mich riesig gefreut“, sagt sie. Das Mädchen ist dann aber von heute auf morgen nicht mehr da gewesen. Vielleicht ist sie weg gezogen oder geht jetzt auf eine andere Schule, vermutet Barbara Mergenthaler.
Ungesicherte Baustellen sind eine Gefahr
Warum sie am Bahnhof nicht in den Bus einsteigt und zur Arbeit fährt, fragt Christina Feiler. „Weil der um diese Zeit proppenvoll mit den Schülern aus Theilheim ist. Da bekomme ich keinen Platz“, antwortet die sehbehinderte Frau, die nach 20 Minuten und einigen Zusammenstößen mit Mülltonnen unversehrt am Arbeitsplatz angekommen ist.
Der Protesttag in Veitshöchheim allerdings geht weiter. Am Nachmittag trifft sich die Gruppe zu einer weiteren Ortsbegehung. „Schon auf kürzestem Weg haben wir in der Lindentalstraße viele Barrieren erlebt. Einmal wäre ein blinder Mann beinahe in eine frisch geteerte Asphaltstelle gelaufen, die Baustelle war nicht abgesperrt“, berichtet Christina Feiler.
Um die Veitshöchheimer für das Problem zu sensibilisieren, will sie noch einmal im Mitteilungsblatt darauf aufmerksam machen. Das Problem sind aber nicht nur die blauen Mülltonnen am Montag, auch die grauen Tonnen, die nach der Leerung wieder zurück auf den Bürgersteig gestellt werden und dort quer durcheinander den Rest des Tages stehen, sind für blinde Menschen gefährliche Hindernisse.