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Auf Einkaufstour fürs Müllheizkraftwerk
Von unserem Redaktionsmitglied Rainer Stumpf
 |  aktualisiert: 15.12.2020 12:30 Uhr
Würzburg Der Mülltourismus hat nun auch Würzburg erreicht. In der Verbrennungsanlage vor den Toren Rottendorfs wird künftig nicht nur Abfall aus der Stadt sowie den Landkreisen Würzburg und Kitzingen verbrannt, sondern auch aus Bad Kissingen, Neustadt-Aisch/Bad Windsheim, Ansbach Stadt und Land, Weißenburg-Gunzenhausen und dem baden-württembergischen Ostalbkreis (Aalen).

Verantwortlich für die Müll-Einkaufstour ist Ferdinand Kleppmann. Er führt im Auftrag der Stadt und der Landkreises Würzburg/Kitzingen die Geschäfte des Müllheizkraftwerkes (MHKW). Kleppmann braucht mehr Müll, damit die drei Öfen der Würzburger Anlage auch in Zukunft ausgelastet sind. Bislang werden in den Würzburger Öfen jährlich 65 000 Tonnen Hausmüll und 59 000 Tonnen Abfall aus Gewerbebetrieben verbrannt. Das MHKW erzeugt damit jährlich 70 Millionen Kilowatt Strom und 50 Millionen Kilowatt Fernwärme, die die Stadtwerke für zwei bis drei Cent pro Kilowatt abnehmen.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes könnte nun der Fall eintreten, dass Gewerbebetriebe ihren Abfall nicht mehr im Würzburger MHKW mit seiner aufwändigen und damit teuren Filtertechnik verbrennen lassen müssen. Auf Billigdeponien in den neuen Bundesländern und in Sortieranlagen in Tschechien können Gewerbetreibende ihren Müll für 10 bis 15 Euro pro Tonne los werden. Gegenüber der Entsorgung im Würzburger MHKW wären das Einsparungen von mehr als 70 Euro pro Tonne, errechnete Kleppmann.

Deshalb hat sich Kleppmann vorsorglich nach anderen Müll-Lieferanten umgeschaut. Er stand sogar in Verhandlungen mit Frankfurt und Berlin. Für die Bürger in der Region Würzburg soll sich trotz Mülltourismus nichts ändern. Kleppmann will die Verbrennungsgebühren für Hausmüll bis 2006 stabil halten.

Kein Preisnachlass

Ein Preisnachlass kommt für Kleppmann nicht in Frage. Er sitzt noch auf fast zwölf Millionen Euro alten Schulden aus der Zeit vor dem Bau des dritten Ofens. Die will er in den nächsten vier Jahren tilgen.

Dass der Markt mit Abfallstoffen nur schwer durchschaubar ist, zeigt sich an den Verträgen, die Kleppmann mit Bad Kissingen (8000 Tonnen Höchstmenge jährlich), Neustadt/Aisch (17 000), Ansbach (35 000), Weißenburg-Gunzenhausen (15 000) und dem Ostalbkreis (20 000) geschlossen hat. Diese Gebietskörperschaften zahlen für das Verbrennen ihres Mülls im Würzburger MHKW nur zwischen 100 und 123 Euro pro Tonne. Die Stadt sowie die Landkreise Würzburg und Kitzingen müssen weiterhin 206 Euro pro Tonne angeliefertem Müll hinblättern.

Nicht wenige Kommunalpolitiker halten diese Praxis für skandalös. "Wir haben rechtzeitig unsere Hausaufgaben bei der Müllbeseitigung gemacht und Müllöfen gebaut. Nun sind wir bei den Gebühren die Gelackmeierten", schimpfte jüngst ein Würzburger Kreispolitiker. "Andere, die nichts gemacht haben, fahren jetzt billiger."

Kleppmann verteidigt seine Vertragspolitik. Mehr wäre an Geld nicht heraus zu holen. Städte wie München bekämen für zugekauften Müll noch viel weniger Geld. Kleppmann weiter: "Immerhin ist nun garantiert, dass das Würzburger MHKW die nächsten Jahre wirtschaftlich ausgelastet ist."

 
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