Für wenige Monate stand Giebelstadt im Frühjahr 1525 im Brennpunkt europäischer Geschichte. Unter der Führung des Ritters Florian Geyer zu Giebelstadt erhoben sich Bauern gegen die Unterdrückung durch Adel und Klerus. In der Schlacht bei Ingolstadt fand der Aufstand ein grausiges Ende.
Wie die Geyer, prägten auch die Herren von Zobel über Jahrhunderte die politischen Geschicke Frankens. In und um Giebelstadt hinterließen sie Burgen und Schlösser, von denen mehrere noch bestehen, eine völlig verschwunden ist. Entlang des Europäischen Kulturwegs „Weiß der Geyer“ wird die Geschichte wieder lebendig. Am Sonntag wird der Weg feierlich eröffnet.
Knapp 100 Kulturwege in Franken
Die Idee dazu ist quasi aus dem Spessart importiert. Gerrit Himmelsbach, Historiker und Archäologe am Lehrstuhl für Fränkische Landesgeschichte der Uni Würzburg, hat vor 20 Jahren das Archäologische Spessartprojekt entwickelt, durch das inzwischen rund 70 Wege zwischen Lohr und Aschaffenburg erforscht und ausgewiesen wurden. Knapp 30 weitere kamen im übrigen Franken hinzu und auch in den Giebelstadter Kulturweg hat Gerrit Himmelsbach seine Erfahrungen einfließen lassen.
Die kommunale Allianz „Fränkischer Süden“ hat es sich zum Ziel gesetzt, auch ihre 14 Mitgliedsgemeinden im südlichen Landkreis Würzburg mit Kulturwegen zu erschließen. Allianzmanagerin Kira Schmitz sieht darin eine gute Methode, um kulturelle Schätze zu heben, die den Einheimischen oft so selbstverständlich sind, dass sie sich ihres Werts gar nicht bewusst sind.
Identifikation mit der Heimat
Neben touristischen Aspekten steht dabei die Identifikation der Bürger mit ihrer Heimat und ein neuer Umgang mit der eigenen Geschichte im Fokus, sagt Gerrit Himmelsbach. „Ein Kulturweg ist mehr als gedruckte Informationstafeln. Ein Kulturweg ist ein Werkzeug, in dem es um Identität geht“, so Himmelsbach.
So hat es sich auch in Giebelstadt gezeigt. Über ein Jahr hinweg traf sich ein Team von zwölf bis 15 Bürgern alle ein bis zwei Monate. Die Fakten, die sie dabei zusammengetragen haben, stammen aus Chroniken und Überlieferungen, aber auch aus Zeitzeugenberichten und persönlichen Erinnerungen.
Älteste Ansicht des Geyer-Schlosses
Bei der Recherche ist Gemeindearchivarin Friederike Langeworth in einer Rothenburger Chronik aus dem 17. Jahrhundert sogar auf eine Zeichnung des Giebelstadter Geyer-Schlosses gestoßen. Es ist die einzige Abbildung der intakten Schlossanlage, die bisher bekannt geworden ist.
An fünf Burgen und Schlössern führt der Weg vorbei. Während vom Giebelstadter Geyer-Schloss nur die Ruine übrig blieb, ist das Schloss der Geyer zu Ingolstadt in Grundzügen noch vorhanden. Zur Eröffnung gewähren die Eigentümer einen Einblick in die normalerweise nicht öffentlich zugängliche Anlage.
Verschwundene Wasserburg
Gänzlich verschwunden ist die Wasserburg an der heutigen Kautzenmühle. Lediglich ein Kellerstollen blieb von der im Bauernkrieg geschleiften Befestigung erhalten. Gänzlich intakt sind hingegen das Zobel-Schloss in Giebelstadt und das benachbarte Friesenheimer Schloss, in dem heute das Rathaus und eine Bankfiliale untergebracht sind.
Auf den Infotafeln entlang des rund zehn Kilometer langen Rundwegs erfahren Wanderer aber auch noch viele andere geschichtliche Details. Etwa über den jungsteinzeitlichen Siedler mit Spitznamen „Sulzi“, dessen Skelett 1996 bei Kanalarbeiten entdeckt wurde. Oder über die kunstvolle Grablege der Geyer zu Ingolstadt in der dortigen Pfarrkirche. Auch die Geschichte der Kraftmühle vor den Toren Sulzdorfs, die 1979 von Soldaten der Bundeswehr im Rahmen einer Übung abgerissen wurde.
Umgang mit unrühmlichen Kapiteln
Auch der Umgang mit unrühmlichen Kapiteln der jüngeren Geschichte bleibt dabei nicht ausgespart. Etwa über den Wiesentheider Schriftsteller Nikolaus Fey, der sich und sein 1925 verfasstes Bühnenstück über Florian Geyer später von der Nazi-Propaganda vereinnahmen ließ.
Für die Allianz „Fränkischer Süden“ geht das Projekt Kulturwege weiter. In Riedenheim ist eine Arbeitsgruppe dabei, einen Kulturweg zu entwickeln, der auch den in Vergessenheit geratenen Archäologischen Wanderpfad durch den Stalldorfer Wald mit einbezieht und 2018 eröffnet werden soll.
Weitere Kulturwege in Arbeit
Ein weiterer Kulturweg bei Tauberrettersheim überschreitet die Landesgrenzen nach Weikersheim und Schäftersheim. Noch ein Kulturweg ist in Bieberehren in Arbeit und in Bütthard soll es sogar einen Kulturradweg geben.
Kulturweg „Weiß der Geyer“
Mit einer gemeinsamen Wanderung wird der Giebelstadter Kulturweg „Weiß der Geyer“ am Sonntag, 1. Oktober, eröffnet. Es ist der 98. Europäische Kulturweg in Franken.
Auftakt zur Eröffnungsfeier ist um 10 Uhr im Giebelstadter Rathaushof hinter dem Friesenheimer Schloss. Von dort führt der Weg am Zobelschloss und der Geyer-Ruine vorbei zur Kraftmühle in Sulzdorf und dem Dorfplatz, wo gegen 12.30 Uhr zur Stärkung „Geyers Rittertopf“ auf die Wanderer wartet.
Nach der Mittagspause geht es über die Kautzenmühle und die Alte Schmiede in Ingolstadt zum Ingolstadter Schloss, wo im Kutschensaal Kaffee und Kuchen serviert werden. Nach einer letzten Station in der Giebelstadter Nikolaus-Fey-Straße endet die Wanderung gegen 17.30 Uhr im Rathaushof. meg