So nahe kommt man dem heiligen Kilian, Maria Magdalena oder der heiligen Elisabeth von Thüngen wohl nicht wieder: Die Sonderausstellung „Riemenschneider X Stoss – Schnittpunkt Münnerstadt“ im Museum am Dom zeigt Originalwerke von Tilman Riemenschneider und Veit Stoss aus dem Hochaltar der Pfarrkirche Sankt Maria Magdalena in Münnerstadt. Die Kunstwerke mussten aufgrund der Sanierung der mittelalterlichen Farbfenster im Chor der Pfarrkirche ausgelagert werden.
Bei einem Presserundgang stellte Dr. Wolfgang Schneider, Diözesankonservator und Kurator der Ausstellung, ausgewählte Kunstwerke vor. Neu gestaltet wurde die Präsentation der Sonderausstellung. Unter anderem nutzen die Ausstellungsmacher farbige Akzente und interaktive Medien. Die Sonderausstellung ist laut einer Pressemitteilung des Bischöflichen Ordinariats Würzburg bis 30. August 2020 zu sehen.
Blick gleitet über Besucher hinweg
Anmutig und voller Würde steht die heilige Elisabeth von Thüngen auf ihrem Sockel. Ihr Blick scheint über den Betrachter hinwegzugleiten. Zu ihren Füßen steht ein im Vergleich winziger Bettler und streckt hilfesuchend eine Hand nach oben – ein Symbol für die von ihr praktizierte praktische Nächstenliebe. Elisabeth sei „eine der beeindruckendsten Figuren“ aus dem Hochaltar, sagte Schneider.
Ganz anders ist der Ausdruck des heiligen Kilian gleich daneben. Riemenschneider hat ihn als Vertreter des Bischofs dargestellt, selbstbewusst und mit stolzer Haltung. Aber auch sein Blick schweift in die Ferne. Der Altar in Münnerstadt sei mehr als zwölf Meter hoch, erklärte Schneider: „Diese Figuren sind nicht dafür gedacht, auf Augenhöhe zu stehen.“
Farbe kam mit Veit Stoss ins Spiel
1490 habe Riemenschneider, damals ein aufstrebender junger Künstler, vom Stadtrat von Münnerstadt den Auftrag erhalten, einen neuen Hochaltar für die Pfarrkirche herzustellen. Es handele sich um das erste urkundlich belegte Werk des Künstlers. 1492 war das Flügelretabel vollendet und wurde aufgestellt. Aus dem Inneren der Altarflügel sind zwei originale Reliefs aus Lindenholz erhalten. Sie zeigen „Die letzte Kommunion der heiligen Maria Magdalena“ und „Die Grablegung der heiligen Maria Magdalena“. Wie auch die Figuren, übergab Riemenschneider sie unbemalt. „Er ist davon ausgegangen, dass andere Künstler sie vollenden.“
Farbe kam schließlich mit dem Nürnberger Maler und Bildhauer Veit Stoss ins Spiel. „Es ist ein Faszinosum, dass sich in Münnerstadt die Lebenswege dieser beiden Künstler gekreuzt haben“, sagte Schneider. Stoss hielt sich 1504 und 1505 bei seiner verheirateten Tochter in Münnerstadt auf, nachdem er in Nürnberg wegen Urkundenfälschung verurteilt und gebrandmarkt worden war. Vom Stadtrat erhielt er den Auftrag, die Holzskulpturen zu bemalen und vier Tafelbilder mit der Kilianslegende anzufertigen. Wenn man genau hinsieht, kann man auf den beiden Holzreliefs von Riemenschneider an einigen Stellen noch winzige Spuren von roter und grüner Farbe entdecken.
Freude an farbenprächtigen Darstellungen
An den vier Tafelbildern kann man dagegen gut erkennen, wie viel Freude Stoss an farbenprächtigen Darstellungen hatte. Zudem hat er viele Details versteckt, die normalerweise kaum zu sehen wären. Zum Beispiel die unzähligen Ringe, welche die Hände der dargestellten Personen schmücken. Allein an der rechten Hand des heiligen Kilian sind drei Ringe gut zu erkennen. „Ringe waren in der damaligen Zeit ein beliebtes Geschenk“, erklärte Schneider. Im ersten Bild, in dem Kilian Herzog Gosbert auffordert, sich von seine Frau Geilana zu trennen, wird der Heilige von einem schwarzen Schoßhund verbellt. Im letzten Bild, der „Bestrafung Geilanas und der Mörder“, wird die geschockte Herzogin von einem ebenso schwarz bepelzten, geflügelten Teufel entführt.
Ebenfalls zu sehen sind Faksimile von zehn Druckgrafiken aus den Kunstsammlungen der Diözese, die Stoss zwischen 1500 und 1505 erstellte. Nach seiner Verurteilung habe Stoss kaum Einkünfte gehabt, erzählte Schneider. „Er hat wohl versucht, sich ein neues Standbein zu erarbeiten.“ Auch einige Beispiele für farbige gefasste Skulpturen Riemenschneiders sind in einer Vitrine zu sehen.
Sonderausstellung inmitten der Dauerausstellung
Man habe die Sonderausstellung bewusst auf einen Bereich inmitten der Dauerausstellung konzentriert, erklärte Michael Koller, kommissarischer Leiter der Museen der Diözese Würzburg. Um eine optischen Akzent zu setzen, wurden die Ausstellungswände in einem kräftigen Pink gestaltet. Den Eingang markiert ein überdimensionales „X“. Die Sonderschau selbst ist ebenfalls wie ein „X“ aufgebaut, mit Zugangsmöglichkeiten von allen vier Eckpunkten.
Touristen werden sich über Objektbeschreibungen in englischer Sprache freuen. Neu ist zudem ein Tablet, auf dem man ein 3-D-Modell des Hochaltars von allen Seiten betrachten und einzelne Elemente mit einem Fingertipp „herauszoomen“ kann. Das sei ein Angebot speziell für die jüngere Zielgruppe, erklärte Koller. Wer dann noch durch die Dauerausstellung schlendert, wird auf dem Boden immer wieder ein kleines weißes „x“ entdecken. Damit sind Kunstwerke gekennzeichnet, die in einem thematischen Bezug zur Sonderausstellung stehen, beispielsweise ein heiliger Kilian und ein heiliger Burkard aus der Werkstatt von Riemenschneider.