Giebelstadt war im März 1945 Stützpunkt der ME 262, dem ersten Militärflugzeug mit Strahltriebwerken. Ausgestattet mit rund 7000 PS war die Messerschmitt ME 262 für die Propellerflugzeuge der Alliierten eine Herausforderung. Ein Kampfgeschwader war Ende März 1945 in Giebelstadt stationiert. Das war der Grund, warum der Flugplatz gegen Kriegsende noch einmal stark bombardiert wurde und noch heute viele nicht explodierte Fliegerbomben in der Erde liegen.
Die ME 262 dürfte aber auch andere Spuren hinterlassen haben. Im Abschlussbericht der historisch-genetischen Rekonstruktion, die die Ingenieurgesellschaft Mull und Partner aus Hannover im Auftrag der BImA durchführte, soll die Rede von einem Tanklager sein. Zudem, so berichten Teilnehmer des vertraulichen Gesprächs im Würzburger Büro der BImA, soll es auf dem Flugplatz Giebelstadt während der NS-Zeit auch Versuche mit Raketentreibstoffen und -antrieben gegeben haben.
In einer ersten Phase haben die Ingenieure aus Hannover, die auch für das Aufspüren von Blindgängern beim Autobahnausbau in Aschaffenburg zuständig sind, den Aufbau des Flugplatzes und seine Nutzung in der Hitler-Zeit untersucht. In einer zweiten Phase ist die Bombardierung des Flugplatzes während des Zweiten Weltkrieges in die Rekonstruktion eingegangen.
Auswertungen von Einsatzbefehlen und Luftbilder zeigen, wie stark der Fliegerhorst bombardiert wurde. Unklarheiten gibt es darüber, so berichtet ein Insider, wieviele Sprengkörper mit Langzeitzündern abgeworfen wurden. Das sei zwar in den Einsatzbefehlen verzeichnet, es könne aber nicht nachvollzogen werden, welche Maschinen auch tatsächlich über Giebelstadt ihre gefährliche Fracht abwarfen.
Das Problem der Langzeitzünder ist, dass sie auf chemischer Basis arbeiten. Beim Abwurf bohre sich eine Spindel in eine mit Aceton gefüllte Ampulle. Das Aceton zersetzte langsam eine Zelluloidscheibe. War sie zerstört, löste sich eine unter Druck befestigte Zündnadel. Sie traf auf den Detonator und zündete letztlich die Bombe. Bei Blindgängern mit Langzeitzündern besteht die Gefahr, dass durch die geringste Bewegung die Scheibe brechen kann und sich das Aceton freisetzt. In Giebelstadt ist das schon einmal passiert.
Nach wie vor sei auch unklar, welche Bereiche des Flugplatzes bereits geräumt wurden. Die Ingenieure aus Hannover konnten dazu wohl keine eindeutigen Aussagen machen. Mit Schwierigkeiten könnte wohl auch beim Aufspüren der Bomben gerechnet werden, da Ortungssysteme bei jedem Metallteil in der Erde ausschlagen.
Klaus Christl, Sprecher der BImA in Bonn, bestätigte, dass die Ingenieure aus Hannover am Mittwoch erste Ergebnisse der historischen Rekonstruktion in Würzburg mündlich vorgetragen haben. „Der bestehende Verdacht, dass es eine partielle Bodenbelastung mit Kampfmitteln und anderen Stoffen gebe, konnte dabei nicht ausgeräumt werden.“ Entsprechende Konsequenzen hängen von einer künftigen Nutzung des Areals ab. „Es sind auch die zuständigen Behörden gefordert, unter welchen Auflagen der Flugplatz weiter genutzt werden kann“, so Christl weiter.
Im Landratsamt Würzburg rechnet man derweil mit dem Schlimmsten. „Das wäre eine Sperrung der Kreisstraße Richtung Acholzhausen“, so Pressesprecher Kurt Mintzel. Martin Kraus, Jurist im Landratsamt, wird das Gutachten einschätzen und entsprechende Konsequenzen rechtlich bewerten, heißt es.