Jörg Thomas hört aufmerksam zu. Er sitzt am Eck eines großen Tisches in der Kickers Gaststätte am Dallenberg. Dort findet das monatliche Treffen der Kickers-Fanclubs statt. Zwei Profis des Würzburger Fußball-Drittligisten sind ebenfalls in der Runde dabei: Frank Ronstadt und Leroy Kwadwo, der jüngst rassistisch attackiert wurde. Die beiden Neuzugänge vom letzten Sommer stellen sich kurz vor und beantworten viele Fragen.
Seit der Kindheit schwerhörig
Wie gefällt es ihnen in Würzburg? Was machen sie in ihrer freien Zeit? Auf welche Weise kommt ein Transfer zustande? Kwadwo und Ronstadt erzählen frei von der Leber. Thomas lauscht konzentriert; selbst stellt er keine Frage. Der 44-Jährige ist seit seiner Kindheit schwerhörig. Mit seinen Hörgeräten kommt der Heuchelhöfer gut zurecht. "Wichtig ist, dass es keine lauten Nebengeräusche gibt und ich den Sprechenden direkt anschauen kann", sagt er.
Thomas beherrscht auch das Lippenlesen. Zusammen mit der Technik am Ohr kann er etwa 70 Prozent von dem verstehen, was die beiden Kickers-Spieler berichten. "Es war sehr interessant", sagt Thomas nach der einstündigen Plauderstunde.
Kwadwo (23) ist gebürtiger Wattenscheider, ein lockerer Typ und seit einiger Zeit Stammspieler auf der linken Abwehrseite. Ronstadt (22) wird meist spät eingewechselt, stammt aus Hamburg und hat bei der Wohnungssuche den angespannten Mietmarkt in Würzburg kennengelernt. Zum Abschluss ihres Stammtisch-Besuchs gibt es noch Erinnerungsfotos. Thomas stellt sich mit seinem Kickers-Schal zwischen Kwadwo und Ronstadt. Er gehört dem neu gegründeten Gehörlosen-Fanclub an.
"Wir sind momentan 34 Mitglieder", berichtet Vorsitzender Timo Schaub aus Nüdlingen (Lkr. Bad Kissingen). Gegründet wurde der Club Ende November. Trainer Michael Schiele war mit dabei, überreichte Schal, Wimpel und ein signiertes Trikot. "Viele von uns haben schon vorher immer wieder Fußballspiele der Kickers angeschaut", erzählt Schaub. Aber als Teil eines Fanclubs speziell für taube Menschen sei das schon ein anderes Gefühl.
Turbulente Auswärtsfahrten
Die Mitglieder stehen bei Heimspielen im Block 1 ganz rechts. "Es gibt keine Berührungsängste mit den anderen Fans." Neben Schaub kommen auch andere Mitglieder von außerhalb. Für alle liegt das Stadion am Dallenberg ideal. "Ich kann wunderbar mit der Straßenbahn vom Heuchelhof hierherkommen. Die Aschaffenburger sind von der Autobahn aus sofort da," berichtet Thomas.
Thomas hat eine Familie mit zwei Kindern und einem Hund sowie einen Beruf. Zeitlich bedingt schafft er es nur, bei Heimspielen dabei zu sein. "Manche von uns hören gar nichts. Sie müssen sich daher voll auf das Spiel fokussieren", erklärt Thomas von der Situation in der Fleyeralarm Arena. Der Gehörlosen-Kickers-Fanclub ist auch bei Auswärtsspielen dabei.
Fanbeauftragte Tanja Bartsch berichtet von turbulenten Auswärtsfahrten – so wie beim Spiel gegen Sonnenhof-Großaspach. Die Freude war groß über den 6:0-Auswärtssieg, aber auch der Frust, weil mehrere Fans mit ihren Autos im Matsch stecken geblieben sind – und für 20 Euro von einem Traktor herausgezogen werden mussten.
Fanclubfahne wird bemalt
Künftig haben er und seine Mitstreiter vom Gehörlosen-Fanclub noch einiges vor. "Wir freuen uns total, dass sich die B-Block-Anhänger bereit erklärt haben, mit uns zusammen unsere Fanclubfahne zu malen", so Schaub. Wiedererkennbare Kleidungsstücke sind auch bestellt. Und dann gilt es noch, sich intensiv mit vergleichbaren Vereinigungen anderer Vereine zu vernetzen. Viele gibt es noch nicht. Auf der Website des Dachverbands Deutscher Deaf Fanclubs sind lediglich 19 Clubs verzeichnet. Zwei davon sind bayerische Fanclubs, beide unterstützen den FC Bayern München. Und jetzt gibt es als dritten die gehörlosen Fans der Kickers.