zurück
Würzburg
Atemlose Stille, tosender Applaus
Elke Tober-Vogt
 |  aktualisiert: 29.01.2023 02:58 Uhr

"Sterben werd' ich, um zu leben!" heißt es in Gustav Mahlers Zweiter Sinfonie, der "Auferstehungssinfonie". Mit diesen beiden Polen ist die existentielle Dimension dieses monumentalen Werkes abgesteckt, das vor großem Publikum in der Würzburger St.-Johannis-Kirche zur Aufführung kam. 200 Mitwirkende waren angekündigt: Für den Chor hatten sich das Würzburger Vocalensemble und der Universitätschor Bamberg zusammengeschlossen, dazu kamen das groß besetzte Universitätsorchester Bamberg und ein kleines Fernorchester. Die Soloparts waren mit der Sopranistin Anna Nesyba und der Altistin Marion Eckstein besetzt; die Gesamtleitung lag in den Händen des Bamberger Universitätsmusikdirektors Wilhelm Schmidts.

Was man erleben durfte, waren packende und tief berührende eineinhalb Stunden. In fünf Sätzen widmet sich Gustav Mahler großen Sinnfragen, verband zum Beispiel das Allegro maestoso des ersten Satzes zunächst mit der Bezeichnung "Todtenfeier".

Wilhelm Schmidts fordert vom Orchester vollen Einsatz: Präzise dirigierend, groß gestaltend, dennoch detailreich, erreicht er ein differenziertes Klangbild, das von Transparenz bis Fülle höchste Ansprüche erfüllt. Dabei kann er in der Gesamtleistung auf ein ausgezeichnet geschultes, bestens vorbereitetes und gut aufeinander eingespieltes Orchester bauen. Bis an die Grenze zur Wahrnehmbarkeit, gerade deshalb so fesselnd in der Wirkung, werden die leisen Passagen ausgereizt, abgelöst von krachender Explosivität des anderen Extrems.

Die Fokussierung auf den Dirigenten in diesem Orchester ist hoch, jede Nuance, jede winzige Tempoveränderung wird umgesetzt, die Einigkeit im musikalischen Gestaltungswillen ist deutlich zu spüren. Trotz der architektonischen Komplexität der Komposition stellt Schmidts große Geschlossenheit her. Souverän hält er das Spiel mit den vielfältigen musikalischen Ereignissen zusammen, arbeitet heraus, was die Sinfonie so existentiell und schicksalhaft wirken lässt: Vergänglichkeit, Erlösung und Auferstehung.

Die schmeichelnd dahin tänzelnden Motive des Andante moderato, der serenadenhaft anmutende Ländlerton, die gelegentlich wirbelnden Ansätze gelingen ebenso wie schlagartiges Umschalten aus einer leichtfüßigen Pizzicato-Passage in eine schmiegsame, weiche Klangfläche. Wie ein Faustschlag hebt der dritte Satz an, in dem Mahler an das Lied "Des Antonius von Padua Fischpredigt" aus den Wunderhorn-Liedern anknüpft. Entschlossenes Aufbegehren, manch drohende Gebärde, aber auch das Spiel der im Wasser tänzelnden Fische sind hier die Bilder, die das Orchester aufs Beste umsetzt.

Mit den beiden Solistinnen hatte Wilhelm Schmidts eine ausgezeichnete Wahl getroffen. Marion Ecksteins Altstimme ist nicht nur warm, voll, weich und klar. Sie gestaltet das feierliche "Urlicht" auch sehr berührend – immerhin ist da vom Menschen die Rede, der in größter Not lebt. Dann der Umschwung hin zum Engelsruf und zur Seligkeit, ein sehr emotionaler Moment.

Schließlich das Finale, das von der Auferstehung kündet: Immer wieder lösen sich Bombastik, marschartiges Schreiten, Zerrissenheit, Kräfteballungen, Kulmination und Entspannung ab, kommt es zu Ruhepunkten, bevor endlich der Chor ganz dezent ins Geschehen hineingleiten darf. Mühe- und makellos gelingt das, ebenso sanft wie kraftvoll.

Anna Nesybas Sopran erhebt sich strahlend über den Gesamtklang, verschmilzt aber auch, ebenso wie Marion Ecksteins Alt, bestens ausbalanciert mit Chor und Orchester. Und dann gelingt allen Mitwirkenden ein triumphaler Schluss von so gigantischer Wucht, dass atemlose Spannung erst nach ergriffener Stille von tosendem Applaus abgelöst wird.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Elke Tober-Vogt
Chöre
Gustav Mahler
Sinfonien
Wilhelm Schmidt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top