Armut ist ein schwieriges Thema. Das beginnt schon mit der Definition. Wer ist arm? An was macht man Armut fest? Bei der Podiumsdiskussion „Sackgasse Armut“ im Rahmen des Modellprojektes „Zusammenhalt durch Teilhabe – Integration auf Augenhöhe“ in der Kellerperle in Würzburg versuchten die Kooperationspartner AWO Bezirksverband und Georg-Vollmar-Akademie diesen Themen auf den Grund zu gehen.
Eingeladen hatten sie dazu Experten aus dem gesamten Bundesgebiet: Prof. Dr. Thomas Beyer, von der Technischen Hochschule Nürnberg (Sozialwissenschaften) und AWO Vorsitzender Bayern, Psychologe und Migrationsforscher Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan (moderne Türkeistudien, Uni Duisburg-Essen), Dr. Benjamin Schraven, vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn und Dorina Kalkum vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung. Gekommen waren außerdem etwa 50 Zuhörer, heißt es in einer Pressemitteilung.
Weltweit hat die Armut abgenommen, berichtete Schraven. Zumindest wenn man die Armutsdefinition der Weltbank verwendet. Diese sagt, dass Menschen arm sind, wenn ihnen pro Tag weniger Geld zur Verfügung steht, um zu kaufen, wofür man in den USA 1,90 Dollar zahlen müsste. In diesem Jahrzehnt leben deutlich weniger Menschen in dieser extremen Armut als in früheren. Auf der anderen Seite wird aber auch der Reichtum immer extremer. Und die Lücke zwischen den beiden Polen immer größer.
Nicht erfasst wird außerdem im Armutsbegriff, der sich an der Kaufkraft bemisst, die Teilhabe-Chance, die soziale und psychische Komponente der Armut. Wie arm und aus der Gesellschaft ausgeschlossen sich Menschen fühlen, die deutlich weniger haben als andere, das hängt auch davon ab, wie ihr soziales Umfeld aussieht, was sie erwarten und welche Ansprüche sie haben, machte Uslucan deutlich.
Sprachkenntnisse, daraus resultierend Bildung und Ressourcen spielen bei den Chancen auf Teilhabe eine tragende Rolle. Über sie entscheide nicht die ethnische Herkunft, sondern der soziale Status, in Deutschland meist gegründet auf Arbeit und Beruf. Dass Armut auch im reichen Bayern durchaus existiert, dieses Ergebnis der 2004 gestarteten Langzeitstudie der AWO habe die Öffentlichkeit geschockt, berichtete Beyer.
Zwar seien die Betroffenen sicher nicht arm im Sinne der oben genannten Definition, also nicht akut vom Hungertod bedroht. Von vielem ausgeschlossen sind sie aber durchaus. In einem Land von großem Reichtum umgeben zu sein, selbst aber nicht dran teilzuhaben, ist die belastende Erfahrung, die viel zu viele Menschen im Freistaat machen. Deutlich mehr Frauen als Männer, aber auch Kinder und ältere Menschen. Auch Altersarmut sei überwiegend weiblich, betonte der AWO Vorsitzende.
Armut hängt in Deutschland direkt zusammen mit der Teilhabe am Arbeitsleben. Insofern ist Arbeit auch ein guter Hebel, Armut abzuschaffen und gleichzeitig Teilhabe für alle zu ermöglichen. Dazu gehört neben Sprachkursen und an die jeweiligen Ressourcen angepasste Bildungsangebote auch der weitere Ausbau der Kinderbetreuung, betonte Kalkum. Das Ziel der AWO sei erreicht, beendete Beyer die Diskussion, wenn jeder Mensch die gleiche Chance auf Bildung und Teilhabe hätte, unabhängig von Geburtsort, Geschlecht und Geld.