Stalking, das ist Auflauern und Belästigen. Das ist heimliches oder offenes Beobachten, das ist das Schreiben unerwünschter Nachrichten, das sind unerwünschte Telefonate. Stalking ist etwas, was das Opfer verschreckt, ängstigt und unsicher macht. Genau das hat eine 32-Jährige ihrer ehemaligen Chefin angetan – und deshalb steht die Frau nun wegen „Nachstellung“ und Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz vor dem Amtsgericht.
Die Angeklagte ist wohl das, was man gemeinhin als „gescheiterte Existenz“ bezeichnet: Das Gymnasium hat sie vor dem Abitur abgebrochen, eine Berufsfachschule hat sie zwar abgeschlossen, aber nie in dem Beruf gearbeitet, eine erste Ausbildung zur Anwaltsfachangestellten hat sie wegen Überstunden aufgegeben, die zweite wurde ihr noch während der Probezeit gekündigt. Sie lebt mit ihrer Mutter in einer kleinen Wohnung, die die Polizei als „vermüllt“ beschreibt, sie nimmt ab und zu Gelegenheitsjobs an, für die sie sich einerseits „überqualifiziert“ fühlt und die sie andererseits „total stressen“, sie hat kein Geld und weigert sich, Hartz IV zu beantragen, weil das „Menschen die Würde nimmt“. Und jetzt hat sie auch noch Ärger mit der Justiz.
Nach der Kündigung begann das Stalking
Seit ihrer Kündigung im Herbst 2014, so die Anklage, habe die 32-Jährige ihre ehemalige Chefin gestalkt. Zuerst habe sie die Rechtsanwältin „nur“ durchs Fenster beim Arbeiten beobachtet und ihr ab und an Nachrichten aufs Handy geschickt. Später sei sie täglich an der Kanzlei in Würzburg vorbei gegangen, habe viele teilweise aggressive SMS geschickt, obszöne Fotos, habe unter falschen Namen angerufen… Selbst als die Polizei sie auf ihr Verhalten angesprochen habe, habe sie nicht aufgehört.
Die Angeklagte streitet nicht ab, dass sie sich, vor allem abends, oft in der Nähe der Kanzlei aufgehalten hat. Sie hält das aber für normal. „Ich habe das gemacht, weil dort Licht gebrannt hat und dann ist es sicherer für mich als im Dunkeln.“ Dass ihre Ex-Chefin dieses Verhalten als Stalking deute, sei „ein Wahrnehmungsfehler“. Die zum Teil bedrohlichen Nachrichten, die sie der Anwältin schickte, bezeichnet die 32-Jährige als „Tipps, damit sie noch intelligenter rüber kommt“. Schließlich habe die Juristin „kurz vor ihrem beruflichen Durchbruch“ gestanden. „Da wollte ich ihr mit Ratschlägen helfen, die ich in psychologischen Zeitschriften gelesen habe.“
Angeklagte fühlt sich ungerecht behandelt
Vieles von dem, was die Angeklagte vor Gericht erzählt, ist wirr. Mal reagiert sie schnippisch, mal weinerlich – und immer klagt sie, dass sie ungerecht und schlecht behandelt werde. Früher in der Schule, später in der Ausbildung, heute bei ihren Jobs.
Je mehr die Angeklagte redet, um so klarer wird, dass sie psychische Probleme hat. Das merkte auch die Anwältin bald nach der Einstellung. „Sozial unverträglich“ und „schreckhaft“ sei die Frau gewesen, sagt sie im Zeugenstand. Sie habe „Scheu vor Mandanten gehabt“, man habe sie „nicht ans Telefon gehen lassen“ und ihr keine „verantwortungsvollen Aufgaben übertragen können“. Als sie sie mit sofortiger Wirkung freigestellt habe, sei die 32-Jährige „ausgerastet“ – und „am nächsten Tag einfach wieder zur Arbeit gekommen“. Den Rat, sich therapeutische Hilfe zu holen, habe sie nicht angenommen. „Sie war überzeugt, dass jeder ihr Feind war.“
Fenster der Kanzlei verdunkelt
Unter dem Stalking der 32-Jährigen hat die Juristin sehr gelitten. Eigentlich sei sie gar nicht ängstlich, erklärt sie vor Gericht. Nachdem die ehemalige Mitarbeiterin sie aber immer aggressiver belästigt habe, habe sie die Fenster ihre Kanzlei verdunkelt, eine Überwachungskamera angebracht und sich oft nach der Arbeit abholen lassen.
Der Staatsanwalt beantragt für die Angeklagte eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 Euro, insgesamt also 3000 Euro. Der Verteidiger hält 150 Tagessätze zu je fünf Euro, also 750 Euro, für angemessen.
Urteil: Acht Monate auf Bewährung
Das Gericht geht einen anderen Weg und verurteilt die 32-Jährige wegen „Nachstellung“ und Zuwiderhandlungen gegen das Gewaltschutzgesetz zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Sie habe die Anwältin gestalkt, weil diese „einfach zu nett“ zu ihr gewesen sei, sagt die Richterin.
Als Bewährungsauflage muss die Verurteilte 200 Stunden soziale Hilfsdienste leisten und sich in Therapie begeben. Außerdem darf sie während der dreijährigen Bewährungszeit keinen Kontakt mit der Juristin aufnehmen. „Wenn Sie die Weisungen nicht befolgen, gehen Sie ins Gefängnis“, warnt die Richterin.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig.