
Staatsanwälte haben einen Millionenbetrug im Rettungsdienst beim Landesverband des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB) aufgedeckt. Die Zentrastelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) beim Generalstaatsanwalt in Nürnberg hat nach jahrelangen Ermittlungen jetzt gegen drei Verantwortliche Anklage wegen bandenmäßigen Abrechnungsbetrug erhoben.
Ehemaliger Landesgeschäftsführer des ASB unter Verdacht
Der Fall des möglichen Betrugs beim ASB war durch Berichte der "Nürnberger Nachrichten" und dieser Redaktion bereits 2019 bekannt geworden. Zudem unterrichtete die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern die Staatsanwaltschaft von einer Abrechnung beim ASB mit Fantasiezahlen.
Im Kern stand bereits damals ein langjähriger Landesgeschäftsführer des ASB aus Würzburg. Jetzt sind drei ehemals leitende Mitarbeiter des Landesverbandes von 68, 55 und 52 Jahren angeklagt. Der Betrugsschaden liegt laut der Zentralstelle bei 4,7 Millionen Euro.
Das zu viel erstattete Geld blieb zu großen Teilen beim ASB
Die Ermittler gehen laut Pressesprecher Matthias Held davon aus, "dass die angeklagten leitenden Mitarbeiter 2013 bis 2018 gegenüber den Kostenträgern überhöhte rettungsdienstliche Kosten vorgespiegelt haben, die tatsächlich nicht entstanden waren". Dadurch sollen über 4,7 Millionen Euro zu viel abgerechnet und dem ASB erstattet worden sein.
Ziel der Angeschuldigten soll es gewesen sein, dem ASB zusätzliche Finanzen zu verschaffen. Die Männer sollen das Geld für andere – nach Auffassung der Angeschuldigten unterfinanzierte – Aufgaben des ASB Bayern verwendet haben.
Früherer ASB-Landesvorsitzender sieht sich von Geschäftsführung getäuscht
Im Kern steht der frühere Würzburger ASB-Geschäftsführer Thomas K., der über 30 Jahre beim ASB tätig war, seit 2000 als hoch angesehener Landesgeschäftsführer. Er "konnte den Landesverband nach einer schweren Krise um die Jahrtausendwende erfolgreich sanieren", hieß es lobend noch ein Jahr vor Auftauchen der Vorwürfe bei seiner Ehrung in Augsburg. Dann ergaben Rechnungsprüfungen Unregelmäßigkeiten.
Der wegen der Affäre später zurückgetretene ASB-Landesvorsitzende Hans Ulrich Pfaffmann hatte die Verantwortung klar bei der früheren Geschäftsführung gesehen. Die habe "den ehrenamtlichen Vorstand jahrelang bewusst getäuscht und das gegenseitige Vertrauen grob missbraucht", sagte Pfaffmann.
Der in Würzburg lebende Ex-Geschäftsführer hatte 2019 auf Anfrage dieser Redaktion gesagt: Derzeit wolle er sich nicht zu den Vorwürfen äußern, aber vielleicht später. Eine erneute Anfrage am Mittwoch blieb unbeantwortet.
Angeklagter soll ein Auto und Vermögen vom ASB abgezweigt haben
Die drei Angeschuldigten sollen sich wegen Betrugs in fünf oder sechs Fällen strafbar gemacht haben, wobei es sich laut Anklage um zu dritt arbeitsteilig und damit bandenmäßig begangene Taten handeln soll.
Einer der angeklagten ehemaligen Mitarbeiter soll laut Staatsanwaltschaft 2014 einen Renault der ASB-Notfallhilfe im Wert von über 8.000 Euro bei sich abgestellt und später auf seine Ehefrau angemeldet haben, die ihn anschließend jahrelang genutzt haben soll. Dies soll er durch die unwahre Behauptung verschleiert haben, das Auto sei vom ASB nach Rumänien gespendet worden.
ASB-Landesverband hat 2021 bereits vier Millionen Euro zurückgezahlt
Zudem soll er im Jahr 2019 gut 63.000 Euro aus dem Vermögen des bereits liquidierten "Arbeiter-Samariter-Bund, Regionalverband Ingolstadt" durch Überweisung auf sein privates Konto veruntreut haben.
Teilweise ist der Schaden durch den ASB-Landesverband wiedergutgemacht, der 2021 vier Millionen Euro zurückzahlte. Noch offen ist nach Auffassung der ZKG die Rückzahlung eines Betrags von gut 850.000 Euro. Die ZKG strebt daher die Einziehung dieses Betrages im Rahmen der Hauptverhandlung an.
Bisher gibt es nur ein Geständnis eines Beschuldigten
Im Ermittlungsverfahren zeigte sich einer der Angeschuldigten hinsichtlich des veruntreuen Autos geständig. Auch zum weiteren Tatvorwurf haben sich die Angeschuldigten geäußert, nur einer von ihnen ist jedoch weitgehend geständig. ZKG-Pressesprecher Held wies darauf hin, "dass die Angeschuldigten bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gelten".
Über die Zulassung der 101 Seiten umfassenden Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens muss jetzt das Landgericht Nürnberg-Fürth entscheiden, das bayernweit für solche Verfahren zuständig ist.
Der ASB betätigt sich unter anderem im Bereich des öffentlichen Rettungsdienstes. Die Betriebs- und Vorhaltekosten beim Betrieb eines Rettungsdienstes sind durch die Kostenträger zu erstatten, soweit kein anderweitiger Ersatz wie zum Beispiel durch Zahlungen privater Krankversicherungen erfolgt. Kostenträger sind die gesetzlichen Krankenkassen und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung.