Alarmstufe rot im Strafjustizzentrum Würzburg. Zwölf Polizeibeamte und Justizwachtmeister mit schusssicheren Westen bewachen den kleinen Sitzungssaal 14, kontrollieren Personalausweise, durchsuchen den Angeklagten und die Zuhörer körperlich. Rucksäcke, Handys und Tablets müssen abgegeben werden, sogar Presseausweise werden ausgiebig studiert. Der Grund: Eine Berufungsverhandlung gegen einen mutmaßlichen Reichsbürger aus dem Landkreis Würzburg.
Der eher unscheinbare Mann mag nicht auf der Anklagebank vor der dritten kleinen Strafkammer des Landgerichts Würzburg Platz nehmen; er möchte im Zuschauerraum stehen bleiben. "Ich bin am 10. Januar 2017 unschuldig verurteilt worden", sagt er.
39-Jähriger fordert eine gerichtliche Tonbandaufnahme
Damals hat das Amtsgericht den 39-Jährigen wegen "Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole" bestraft. 50 Tagessätze zu je 15 Euro, insgesamt 750 Euro, sollte er zahlen. Der Staatsanwaltschaft war das zu wenig und sie ging in die Berufung. Genau wie der Angeklagte, der allerdings einen Freispruch wollte.
Nun steht er vor dem Berufungsgericht, umringt von einer Handvoll Sympathisanten. "Sind Sie Herr D.?", fragt die Richterin. "Ich bin der Mensch Christian", sagt der Mann. Dann fordert er eine "gerichtliche Tonbandaufzeichnung der Verhandlung" und erklärt, dass seiner Meinung nach die Vorsitzende Richterin "ihren Richtereid vor jeder Verhandlung von sich geben muss".
Banner mit politischen Thesen ruft den Bürgermeister auf den Plan
Im Prozess geht es um ein zwei Mal dreieinhalb Meter großes Banner, das der Angeklagte im Mai 2017 an seinem Hoftor befestigt hatte. Schwarz-Rot-Gold war es, unübersehbar und eng beschriftet mit politischen Thesen. Die Bundesrepublik habe keine "gültige Regierung", hieß es da, keine "gültigen Gesetze", keine Richter, keine Verfassung, kein Staatsgebiet und keine Bürger. Die Regierung belüge, täusche und betrüge "die deutschen Völker".
Der Bürgermeister der Gemeinde hatte die Polizei darüber informiert, dass es sich bei dem Mann möglicherweise um einen Reichsbürger handele, auf Anweisung der Staatsanwaltschaft wurde das Banner sichergestellt - und der 39-Jährige wurde wegen "Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole" angezeigt. Das erzählt der Kriminalpolizist, der die Angelegenheit bearbeitet hat, in seiner Zeugenaussage.
Gemeindepfarrer im Zeugenstand
Das Gemeindeoberhaupt sei ihm nicht wohl gesonnen, erklärt der Angeklagte, der laut Gericht seit acht Jahren arbeitslos ist. Der Grund sei ein Streit um ein Grundstück, das er nicht habe "hergeben wollen". Deshalb habe der Bürgermeister auch "willkürlich" die von dem 39-Jährigen geplante "Hundepension abgelehnt". Dann sagt der Mann, dass er nicht "zur Reichsbürgerszene" gehöre und dass er das der Gemeinde auch "mehrmals gemeldet" habe.
Auf Antrag des Angeklagten wird der katholische Gemeindepfarrer in den Zeugenstand gerufen. Er habe die Texte auf dem Banner gelesen, sagt der Kirchenmann - und "keine groben geschichtlichen Fehler entdeckt". Einige Sätze seien "sehr pointiert" gewesen. Aber er habe sich dadurch nicht "genötigt" oder "beleidigt" gefühlt. Der Angeklagte würdigt die Aussage des Geistlichen als "sehr gute Auskunft".
Berufungsgericht bestätigt vorheriges Urteil
Wie der Pfarrer das Banner empfunden habe, sei unerheblich, sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Schließlich gehe es darum, dass die Bundesrepublik durch die Texte "böswillig verächtlich" gemacht worden sei. Seine Forderung: Eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro, insgesamt 1350 Euro.
Der Angeklagte, der ohne Verteidiger erschienen ist, bemüht in seinem Schlusswort einen verstorbenen ehemaligen Bundeskanzler. Helmut Schmidt habe anlässlich der Verleihung des "Preises des westfälischen Friedens" gesagt, dass die Volkswirtschaften der Staaten Unternehmen seien - und dass die Bürger das nicht wüssten. "Die BRD wurde 1990 aufgelöst", erklärt der 39-Jährige. Seitdem sei sie "nur noch eine Firma" mit einer Adresse im US-Bundesstaat Delaware. "Ich kann doch keinen Staat verunglimpfen, wenn dieser Staat nur noch ein Unternehmen ist", sagt er, wirft dem Gericht "Treuhandbruch" vor und kündigt an, diesen Umstand der Bundessteuerbehörde der USA zu melden.
Das Gericht verwirft sowohl seine Berufung, als auch die der Staatsanwaltschaft. Es bleibt bei der Verurteilung des Angeklagten zu 50 Tagessätzen zu je 15 Euro, die das Amtsgericht Würzburg im Januar 2017 ausgesprochen hat. "Wir sehen keinen Anlass, daran etwas zu ändern", sagt die Vorsitzende in der Urteilsbegründung. Gegen diese Entscheidung ist nur noch eine Revision möglich. Damit sie zugelassen wird, müsste das Landgericht Würzburg Rechtsfehler gemacht haben.