Die Vorwürfe in der Anklage klingen wie das Drehbuch zu einem schlechten Krimi: Vier junge Männer im Alter zwischen 18 und 22 Jahren sollen am 11. November 2017 versucht haben, einen Drogendealer aus ihrem Bekanntenkreis um eine größere Summe Bargeld zu bringen. Als die schlecht geplante Tat aus dem Ruder lief, haben sie laut Anklage einen Bekannten des eigentlichen Opfers über eine Stunde als Geisel festgehalten und bedroht, um doch noch an die Beute zu kommen. Jetzt muss sich das Quartett wegen versuchter räuberischer Erpressung und erpresserischen Menschenraubes vor dem Würzburger Landgericht verantworten.
Eigentlich wollten der Vorsitzende Richter Michael Schaller und seine Große Jugendkammer nach zwei Verhandlungstagen das Urteil sprechen, der Verlauf des Prozesses machte am Freitag aber eine Verlängerung nötig - unter anderem deshalb, weil ein wichtiger Zeuge nicht erschienen ist, der für seine Aussage außerdem anwaltlichen Beistand benötigen wird. Es ist der Mann, den das Täterquartett nach Ansicht der Staatsanwaltschaft um eine größere Summe Geldes bringen wollte.
Versionen über die Geschehnisse gehen auseinander
Die vier jungen Männer - damals zwischen 17 und 21 Jahre alt - haben vier unterschiedliche Nationalitäten und trafen sich nach eigener Aussage in der Nacht vom 10. auf den 11. November 2017 eher zufällig in einer Kitzinger Shisha-Bar. Was danach geschah, darüber gehen die verschiedenen Versionen relativ weit auseinander.
Während die Anklage aufgrund der polizeilichen Ermittlungen davon ausgeht, dass von Anfang an ein gemeinsamer nächtlicher Überfall auf einen Drogendealer mit hoher Beute geplant war, wollen die vier Angeklagten davon nichts wissen: Es sei lediglich um Schulden in Höhe von 200 Euro gegangen, die einer der 17-Jährigen eintreiben wollte. Warum er dafür drei Begleiter brauchte und dem Schuldner nachts vor dessen Wohnhaus in einer Kitzinger Nachbargemeinde auflauerte, konnten sie nicht wirklich schlüssig erklären.
Messer als Drohmittel dabei
Für die Staatsanwaltschaft ist klar, dass die vier Männer sich am Tatort mit Schals, Kapuzen und Mützen vermummten und als Drohmittel einen kurzen angespitzten Holzstock und ein Messer dabei hatten. Als das Opfer gegen 3 Uhr angefahren kam, gingen sie auf dessen Auto zu. An den Mann auf dem Fahrersitz, von dem sie das Geld wollten, kamen sie aber nicht heran. Statt dessen schnappten sie sich den Beifahrer, der vorher ausgestiegen war.
Als das Auto davonfuhr - und dabei auch auf einen der Täter zuhielt, so dass er zur Seite springen musste - soll das Quartett dann längere Zeit festgehalten und versucht haben, den Beifahrer unter Drohungen dazu zu bringen, seinen Kumpel durch Anrufe und WhatsApp-Nachrichten zur Herausgabe von Bargeld zu bewegen.
Laut Anklage starteten die Forderungen bei 100 000 Euro, am Ende der Verhandlungen sollen es noch 500 Euro gewesen sein. Ein erstes Treffen kam nicht zustande, und auch bei einem zweiten Treffen wurde kein Geld übergeben - es kamen mehrere Streifen der Polizei und beendeten die Geiselnahme.
Opfer war "total aufgelöst"
Das Opfer bestätigte im Zeugenstand weitgehend das in der Anklageschrift beschriebene Geschehen. Am Tatort war der junge Mann nach einer Stunde in den Händen der vier Angeklagten, die ihm auch mehrfach ein Messer an den Hals gehalten und ihn mit dem Tod bedroht haben sollen, "total aufgelöst", berichtete einer der Streifenbeamten im Zeugenstand: "Es war ganz schwierig, überhaupt ein Gespräch mit ihm zu führen."
Die Polizei wurde übrigens nicht von dem Mann eingeschaltet, von dem die Angeklagten Geld eintreiben wollten. Vielmehr wollte der Erpresste die Sache offenbar selbst in die Hand nehmen und rief deshalb ein paar Bekannte zu Hilfe. Einer dieser Kumpels hat dann irgendwann die Notrufnummer gewählt. "Ich hatte das Gefühl, dass die Polizei in diesem Verfahren sehr unerwünscht war. Auch das genaue Motiv ist nicht geklärt oder wurde bewusst verschwiegen", berichtete der Sachbearbeiter der Kripo. Der Prozess wird am 18. März fortgesetzt.