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WÜRZBURG
Amtstierarzt Ueckert: "Gehen jedem Hinweis nach"
Hundehaltung im Zwinger:Für das Veterinäramt sind die Möglichkeiten einzuschreiten begrenzt.
Foto: Gisela Schmidt | Hundehaltung im Zwinger:Für das Veterinäramt sind die Möglichkeiten einzuschreiten begrenzt.
Gisela Schmidt
Gisela Schmidt
 |  aktualisiert: 02.09.2015 17:39 Uhr

Der Fall hat Schlagzeilen gemacht: In Gemünden soll ein 53-Jähriger seinen Hund mit einem Elektrotacker zu Tode gequält habe, weil das Tier ihn angeblich angegriffen hat. Als die Polizei kam, war der Hund schon tot. Den zweiten Hund des Mannes ließen die Beamten in der Wohnung. Zwei Tage später war auch dieses Tier tot, es wurde ebenfalls mit einem Elektrotacker getötet.

Eine Nachbarin hatte das Veterinäramt Main-Spessart schon im Juli darüber informiert, dass der 53-Jährige seine Hunde schlecht behandele. Sie sei in der Behörde aber nicht ernst genommen worden, sagte sie gegenüber der Presse. Ein Vorwurf, gegen den die Amtsveterinäre sich wehrten. Sie hätten den Hundebesitzer sofort nach der Anzeige aufgesucht, aber niemand angetroffen. Auch weitere Versuche, die Hundehaltung zu kontrollieren, seien gescheitert. Nun üben Tierfreunde harte Kritik: Die Amtstierärzte seien zu „lasch“ und zu „langsam“, sie würden nicht „im Sinne der Tiere“ handeln.

Winfried Ueckert, Leiter des Veterinäramts der Stadt Würzburg, das mit dem Fall in Gemünden nichts zu tun hat, erläutert im Gespräch mit der Redaktion, wie Veterinärämter arbeiten, wo ihre Grenzen sind und wie Bürger sie unterstützen können.

FRAGE: Sind Sie Tierschützer?

Winfried Ueckert: Voll und ganz. Und meine Mitarbeiter sind es auch.

Warum nehmen Amtstierärzte so selten Tiere aus schlechter Haltung weg?

Ueckert: Die Wegnahme eines Tieres ist das letzte rechtliche Mittel. Wir bewegen uns auf dem Boden des Möglichen und sind an gesetzliche Anforderungen gebunden. Sind die Mindestanforderungen an eine Tierhaltung erfüllt, können wir keine Forderungen mehr stellen – auch wenn wir das manchmal gerne täten.

Was passiert, wenn jemand eine Tiermisshandlung bei Ihnen anzeigt?

Ueckert: Wir gehen allen Beschwerden nach, die bei uns eingehen. Auch den anonymen und obskuren.

Wie schnell überprüfen Sie beanstandete Tierhaltungen?

Ueckert: Wenn aus der Nachricht hervorgeht, dass tierschutzrechtliche Vorstöße vorliegen könnten, kontrollieren wir unangemeldet noch am selben Tag.

Wie sehen „tierschutzrechtliche Verstöße“ aus?

Ueckert: Sofortiger Handlungsbedarf besteht zum Beispiel, wenn wir erfahren, dass ein Hund an einer kurzen Kette gehalten wird, dass er geschlagen wird oder dass er immer jault, wenn der Besitzer daheim ist.

Wenn dieser Tierbesitzer nicht öffnet, wenn der Amtstierarzt vor der Tür steht?

Ueckert: Dann versuchen wir es weiter. Sowohl durch Besuche, als auch telefonisch und gegebenenfalls mit Unterstützung der Polizei.

Was geschieht dann?

Ueckert: Wir überprüfen Gesundheits-, Ernährungs- und Pflegezustand des Tieres. Wir kontrollieren den Futtervorrat und testen, wie das Tier sich in Gegenwart und in Abwesenheit des Besitzers verhält. Stellen wir kleinere Verletzungen fest, machen wir die Auflage, dass das Tier innerhalb eines bestimmten Zeitraums einem praktizierenden Tierarzt vorgestellt wird und lassen uns das nachweisen. Ist kein Futter da, muss der Besitzer fristgerecht Futter besorgen. Wir können einschätzen, ob jemand sein Tier wirklich quält oder ob er es aus Unwissenheit schlecht behandelt. Ist Letzteres der Fall, beraten wir über richtige Tierhaltung.

Wie lange sind die Fristen, innerhalb derer ein Tierbesitzer Missstände beseitigen muss?

Ueckert: Sie können zwischen unverzüglichem Handeln, einem Tag und mehreren Wochen liegen. Je größer die Gefahr einer Beeinträchtigung des Wohles des Tieres ist, umso kürzer ist die Zeitspanne.

Und wenn der Besitzer die Fristen nicht einhält?

Ueckert: Wenn die Frist zwei Mal versäumt wurde, werden wir auf Kosten des Besitzers tätig. Dann lassen wir ein krankes Tier behandeln.

Wann reicht der Grad der Misshandlung oder Vernachlässigung für eine Wegnahme des Tieres aus?

Ueckert: Wir handeln immer, auch in zweifelhaften Fällen, im Sinne des Tieres. Ist nicht nur die Haltung defizitär, sondern liegt eine Gefährdung des Wohles des Tieres vor, nehmen wir es weg. Wir können einschätzen, wann wir sofort handeln und wann wir dem Besitzer die Möglichkeit einer Korrektur geben müssen. Ist zum Beispiel eine Katze ein wenig zu dünn oder leidet sie an massivem Zahnstein, hat ein Hund zu lange Krallen oder ein verfilztes Fell, kann das vom Besitzer schnell behoben werden. Die Wegnahme ist, wie gesagt, das letzte Mittel. Gibt es keine Hinweise auf offensichtliche Quälerei oder Vernachlässigung, bleibt das Tier beim Besitzer und er muss unsere Auflagen erfüllen, was wir auch kontrollieren.

Wir müssen ja alles bedenken, was in einem späteren Gerichtsprozess relevant sein wird. Wir brauchen objektivierbare Beweise für Verstöße gegen das Tierschutzgesetz.

In welchen Fällen wird ein Tierhalteverbot angeordnet?

Ueckert: Ein Tierhalteverbot kann nur ein Gericht verhängen. Und wenn es angeordnet ist, bedeutet das leider noch lange nicht, dass der Betroffene nichts mehr mit Tieren zu tun hat. Dann gehört halt das nächste Tier, das er sich anschafft, offiziell der Tante oder der Oma.

Wie muss eine Nachricht über mutmaßliche Tierquälerei ans Veterinäramt aussehen, damit Amtstierärzte schnell und effektiv tätig werden können?

Ueckert: Je fundierter die Hinweise, umso besser. Natürlich gehen wir auch anonymen Anzeigen nach. Will jemand eine Tierquälerei aber „nur zur Kenntnis geben“ und „auf keinen Fall Zeuge sein“, entfällt der Erstbeweis und wir tun uns möglicherweise schwer, objektivierbare Beweise zu finden. Erklärt uns ein besorgter Bürger jedoch unter Namensnennung und an Eides Statt, dass er gesehen hat, wie der Nachbar am 27. um 16 Uhr seinen Hund auf dem Balkon getreten hat, können wir deutlich rigider vorgehen. Hilfreich sind auch Videos und Fotos, die Misshandlungen oder Vernachlässigungen belegen.

Gibt es Fälle, wo die angezeigte Tierquälerei gar nicht stattgefunden hat?

Ueckert: Leider ja. Um dem anderen eins auszuwischen, werden bei Nachbarschafts- oder innerfamiliären Auseinandersetzungen oft Tiermisshandlungen angezeigt, die es nie gab. Da verschwenden wir Amtstierärzte Arbeitszeit, die wir viel lieber in wirkliche Fälle von Vernachlässigung investieren würden.

Veterinäramt Würzburg

Der Tierarzt Dr. Winfried Ueckert leitet den Fachbereich Verbraucherschutz, Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung der Stadt. 2014 wurden hier 120 Fälle von mutmaßlicher Tierquälerei angezeigt. Bei 80 Prozent bestand tierschutzrechtlicher Handlungsbedarf. Die Maßnahmen des Veterinäramts reichten von „haltungsoptimierenden Empfehlungen und Beratungen“ über „Auflagen mit Fristsetzungen und Nachkontrollen“, „Einleitung von Ordnungswidrigkeits- und Strafverfahren“ bis hin zur Wegnahme von Tieren. Das war von Januar 2014 bis August 2015 neun Mal der Fall. Rund 20 Prozent aller Anzeigen waren unbegründet.

 
 
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  • R. A.
    da wurden solche Misstände im Ort geregelt..
    Durch zunehmendes Wurschtigkeitsgefühl und Obrigkeitstreue nehmen Misshandlungen zu. Ob das gegen Tiere, Kinder Frauen oder auch gegen Männer (ja das soll es auch geben) ist erstmal egal.
    Machen tun sie alle nur ihm Rahmen ihrer Möglichkeiten. Und wo es endet, liest man dann in den Medien.
    Einmal einen Pflock setzen, meine Herren.
    Wegnehmen und dann die Kosten erstatten lassen. Das kann man machen, wenn man will. Soll er sich doch einen Anwalt nehmen und den zahlen. Wetten nicht.
    Da endet die ganze Schosse. Zum Wohle der Kreatur der bessere Weg. Halt nicht der des geringsten Widerstandes.
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