Regen in Jerusalem
Regen in Jerusalem. Der verrückte Sammler, der es voller List schaffte,
alle diese Bauten auf seinen wackeligen Wagen zu laden.
Er spannt über sie eine Plane aus durchsichtigem Nylon
wie ein Gewölbe. Und der Regen tropft darauf
und hört sich an wie ein Hall von Schritten des Erlösers.
Regen in Jerusalem. Die Menschen sind alle in Futterale gehüllt
wie Musikinstrumente.
Jedoch, nur auf wenigen wird man nachher spielen.
Regen in Jerusalem. Zwei Liebende stehen
unter dem Baum zum Schutz. Sie sagen:
Für uns ist Regen nicht wie für die anderen.
Und auch wenn der Regen aufgehört hat, wird er weiter fallen
nur auf uns aus den Blättern.
Um zu erinnern.
Jehuda Amichai (1982)
Der in Würzburg 1924 als Ludwig Pfeuffer geborene Jehuda Amichai hätte am 3. Mai 2024 seinen 100. Geburtstag gefeiert. 1936 nach Palästina ausgewandert, lebte Amichai bis zu seinem Tod 2000 in Jerusalem. Ihm zu Ehren veröffentlicht die Main-Post unter dem Motto "Amichai lesen!" in loser Folge einige seiner Gedichte in der Übersetzung von Karlheinz Müller.
Jehuda Amichai ist der weltweit bekannteste Dichter und Schriftsteller aus Würzburg. Sein Werk umfasst einen Roman, Theaterstücke, Hörspiele und über 1500 Gedichte. Er wurde mit dem Israel-Preis und dem Würzburger Kulturpreis ausgezeichnet – und war sogar mehrfach für den Nobelpreis nominiert. Die Stadt Würzburg verleiht am 9. Oktober erstmals den mit 15.000 Euro dotierten Jehuda-Amichai-Literaturpreis. Ausgezeichnet wird die Schriftstellerin Barbara Honigmann.
Foto: Petra Winkelhardt/Grafik: Main-Post
Die hier abgedruckten Übersetzungen sind dem Buch "Auf meinem Tisch liegt ein Stein. Festschrift zum 100. Geburtstag von Yehuda Amichai", die im Verlag Königshausen & Neumann erschienen ist (ISBN 978-3-8260-8769-1).
Zur Spenden-Plattform für ein geplantes Amichai-Denkmal in Würzburg gelangt man über den Link wuerzburg-liest.de/kontakt.