Am Wochenende werden die letzten Kisten gepackt, dann geht eine Ära im Gerbrunner Allesgrundweg zu Ende. Das Haus, in dem das Matthias-Grünewald-Therapeutikum 1992 einzog, wurde verkauft. Das Therapeutikum muss ausziehen. Eine neue Heimat hat der Trägerverein noch nicht gefunden. Doch die Suche läuft auf Hochtouren. Und es gibt ehrgeizige Vision. „Unser Traum wäre ein gut erreichbares Zentrum in oder um Würzburg mit Bücherei und Shop“, sagt Beate Prieser-Klein.
Die Therapeutin ist eines von 100 Mitgliedern des Fördervereins, der das Zentrum trägt. Im Sommer 2016 steht die Feier zum 25-jährigen Jubiläum an. Spätestens dann soll ein neues Domizil gefunden sein, in dem künftig Vorträge, Kurse, Seminare, Einzeltherapien nach den Prinzipien der anthroposophischen Medizin und der anthroposophischen Kunsttherapie sowie rhythmische Massagen angeboten werden.
Der Förderverein, der das Matthias-Grünewald-Therapeutikum trägt, hat schwierige Monate hinter sich, so Gründungsmitglied Dr. Albrecht Weber. Neben der Kündigung der Gerbrunner Räume machte der angekündigte Rücktritt des Vorstands dem Verein zu schaffen. Weber selbst leitete den Verein 24 Jahre lang. Das reicht, meint er. Auch den anderen Vorstandsmitgliedern ging es so.
Jede Woche Programm
Auf den letzten Drücker gelang es, zwei neue Kandidaten zu gewinnen: Petra Küntzel und Reinhold Danzig. Beide sind – zufällig – Betriebswirtschaftler. Allerdings mit großem Interesse an anthroposophischen Wegen des Heilens. Über die Teilnahme an Kursen kamen sie mit dem Förderverein in Kontakt.
Im Therapeutikum vergeht keine Woche ohne Programm. Bis zu viermal im Jahr werden große Vorträge mit externen Referenten organisiert, zu denen teilweise über 200 Menschen kommen. Rund 300 Besucher aus Stadt und Kreis haben regelmäßig mit dem Therapeutikum Kontakt.
Das Angebot fand allerdings stets nur teilweise im Gerbrunner Therapeutikum statt, so Weber. Denn die Räume waren nicht immer geeignet. Einige Kurse und Seminare werden bisher schon in den Praxisräumen der Therapeuten organisiert. Weitere Veranstaltungen finden im Haus der Anthroposophischen Gesellschaft im Würzburger Frauenland statt.
Hier wird sich das Therapeutikum verstärkt einmieten, bis der neue Vorstand neue Räume aufgestöbert hat. Wobei sich die Vorstandsaufgaben nicht in der Domizilsuche erschöpfen. „Wir möchten mehr junge Ärzte gewinnen“, erklärt Weber. Das sei auch eigentlich nicht so schwer – jedenfalls, was das Interesse junger Mediziner an der Anthroposophie anbelangt. So erfährt das Integrierte Begleitstudium „Anthroposophische Medizin“ an der Uni Witten-Herdecke regen Zulauf. Problematisch ist allerdings, dass sich junge Ärzte heute nicht mehr gern niederlassen. Doch neue niedergelassene Allgemeinärzte mit anthroposophischer Ausrichtung, das wäre, was der Verein zur Verjüngung bräuchte.
Heilungsprozesse fördern
Was die anthroposophische Medizin von der „Schulmedizin“ unterscheidet, ist mit zwei Stichworten rasch erklärt. Zum einen setzt sie auf die Selbstheilungskräfte jedes Menschen. Ein Symptom wird, vereinfacht ausgedrückt, nicht durch Pillen „weggezaubert“. Vielmehr wird der „innere Arzt“ des Patienten aktiviert.
Der zweite Unterschied besteht im starken Einbezug der Biografie des Patienten. Demnach gibt es genauso viele „Arten“ von Diabetes wie es Biografien von Diabetikern gibt. Die Lebensgeschichte des Menschen wiederum gibt Anhaltspunkte dafür, was sich konkret ändern müsste, damit Heilungsprozesse in Gang kommen. Der Mensch muss sich also aktiv ändern, um zu genesen. Bei dieser Änderung helfen künstlerische Therapien, so Kunsttherapeut Joachim Jahn vom Förderverein.
Sich anthroposophisch behandeln zu lassen, erfordert, was Zeiteinsatz, Mitwirkung und Kosten anbelangt, mehr Engagement als der Gang zum Hausarzt. Wie der ehemalige Zellerauer Hausarzt Albrecht Weber bestätigt, erstatten bisher nur rund ein Dutzend von deutschlandweit über 250 Krankenkassen die Kosten für den Besuch beim anthroposophischen Arzt oder die Therapieteilnahme. Pro Stunde müssen im Schnitt rund 50 Euro aus eigener Kasse gezahlt werden. Ein Sozialfonds hilft Patienten, die sich anthroposophisch behandeln lassen möchten, aber kein Geld haben. Bis zu 30 Menschen erhalten jährlich Unterstützung. Verwaltet wird der Fonds von einer Vertrauensperson.